Mittwoch, 23. Mai 2012

Filme im Original


Sie sterben nicht aus. Kommt ausnahmsweise etwas wirklich sehenswertes im hiesigen Fernseh, das das Einschalten der Glotzmaschine lohnt und das ursprünglich nicht deutschsprachig ist, kommen sie aus ihren Löchern geschissen: Die Huchwiegebildeten, die bei so einer Gelegenheit mit der Zuverlässigkeit eines Schweizer Uhrwerks und in mehr oder weniger leicht herablassendem Tonfall sogleich darauf hinweisen, sie sähen sich fremdsprachige Filme ja grundsätzlich nur im Original an.

Schön und sinnreich ist es fraglos, sich Filme und Serien möglichst in der Ursprungssprache anzusehen, wenn man ihr ein wenig mächtig ist. Zu viel Wortwitz und Subtext geht oft bei der Synchronisation verloren. Manchmal, ganz selten, kann es, am Rande bemerkt, auch zum umgekehrten Effekt kommen: In der deutschen Fassung von Akte X zum Beispiel wurde die umwerfende Gillian Anderson von Franziska Pigulla gesprochen. Deren unverkennbar kehlige Stimme verlieh der verkopften Scully eine Aura unterkühlter Erotik, der ich mich kaum entziehen konnte. Umso größer meine Enttäuschung, als ich feststellte, dass die echte Scully eine im Vergleich zur deutschen Version reichlich quietschige und nasale Mädchenstimme hatte.

Zum Glück sind dank modernder Technik wie Digitalfernsehen, Zweikanalton und DVDs die Zeiten, in denen man dem Angebot heimischer TV-Anstalten hilflos ausgeliefert war bzw. man Videokassetten zu horrenden Preisen importieren musste, lange vorbei. Jeder kann sich in der Regel problemlos die Version ansehen, die er möchte. Außer im Kino und wenn man Wert darauf legt, sich etwas möglichst direkt bei Erstausstrahlung anzutun. Und ja, alles in allem gibt es, wie gesagt, deutlich mehr Gründe, die dafür sprechen, sich Originale anzusehen als dagegen.

Etwas anderes ist es aber, sich deswegen aufzuplustern wie ein Heißluftballon und so zu tun, auf alle, die sich – shocking! – tatsächlich Synchronisiertes anschauen, als irgendwo zwischen grenzdebil und Neandertaler angesiedelte Lebensformen herabzusehen. Nein wirklich, wie ein gebildeter Mensch sich nur dergestalt Verstümmeltes antun kann! Diese Originalversion-Snobs erinnern an andere, ähnlich unerfreuliche Zeitgenossen, die sich auf ihr Bessermenschsein fortwährend öffentlich einen schrubben. Es mag vielleicht ganz nett sein, seinen Fernseher abgeschafft, seine Wohnung neu eingerichtet zu haben, Buddhismus, Marathon laufen oder vegane Ernährung für sich entdeckt zu haben und sich deshalb wie ein neuer Mensch zu fühlen. Wenn man’s denn für sich betreibt und vor allem auch behält, dann ist das alles fein und kein Problem. Doch allzu oft scheint es Lebenszweck dieser Nervensägen zu sein, ihren Mitmenschen in einer Tour damit auf den Wecker zu fallen, damit sie sich dem niederen Volk überlegen fühlen können.

Mir wird im Allgemeinen nachgesagt, dass mein Englisch ganz passabel sei. In der Tat habe ich normalerweise kaum ein Problem, gesprochenem Englisch zu folgen, wenn nicht exotischer Dialekt gesprochen wird. Das gilt auch für Geschriebenes: Bekanntlich mache ich mir hin und wieder den Spaß, den einen oder anderen englischsprachigen Artikel für diesen Blog zu übersetzen. Dank meiner auf der Insel lebenden Verwandtschaft hatte ich Gelegenheit, die erst jetzt bei uns ausgestrahlte zweite Staffel der unglaublich guten BBC-Serie Sherlock bereits vor ein paar Monaten im Original ansehen zu können, weil man mir freundlicherweise die DVDs ausgeliehen hatte.

Zwar fühlte ich mich durch diverse englische Trailer einigermaßen gerüstet, aber bei den kompletten Folgen haben mich meine Englischkenntnisse zeitweise im Stich gelassen. Dialoge, Wortfetzen, Scherze und Holmes' maschinengewehrhafte Deduktionsketten knallten mitunter so schnell durcheinander und übereinander, dass ich als Nicht-Muttersprachler mehr als einmal nur noch Bahnhof, pardon: Waterloo Station, verstanden habe. Untertitel wären vielleicht eine Hilfe gewesen, aber angesichts des hohen Tempos vermutlich auch nur eine notdürftige. Es kommt weniger auf die Frage an, ob etwas synchronisiert ist oder nicht, sondern wie gut das gemacht ist. Weil die deutsche Synchronisation in diesem Fall wirklich vorzüglich ist, ziehe ich die synchronisierte Fassung der originalen vor. Auch wenn Benedict Cumberbatchs eindrucksvolle Bassstimme ihr leider zum Opfer gefallen ist.

Hier wäre eigentlich genau der richtige Ort für eine ebenso ausführliche wie kritiklose Eloge auf Sherlock. Die gibt's morgen.


3 Kommentare :

  1. Hihi. Jüngeren Versionen dieser; "Das musst du dir unbedingt im Original rein-tun" - Anhänger, - bekommt man mitunter sogar effektiv mit Harry Potter in Englisch auf den Boden zurück. Ich selber brauch's gar nicht erst zu versuchen, - mein New-Economy-Esperanto-Englisch ist mittlerweile allenfalls noch hilfreich, um dem Charme rumänischer Wanderlieder noch etwas Amusement hinzuzufügen. Um so tröstlicher, wenn dann die hochmütigen Blicke beim Sprachschatz der heutigen Angelsachen in Sachen Spuk, Magie und Zauberkünste diesen irritierten Zug ("lass dir ja nichts anmerken") beim Umblättern der Seiten annehmen. Eigentlich hab ich (naja hier in D-Land), auch bei den beruflichen Alltagsdenglern, erst zwei Menschen kennengelernt, die tatsächlich in der Lage waren z.B. den Nachrichten von BBC einwandfrei folgen zu können. Aber die haben bereits auch schon richtiggehend Englisch gedacht. Die reale Nutzung ist wohl mehr Empfängnis in Stücken mit gutem Rateverhalten. Taugt aber klasse zur Weiterentwicklung dieses Esperanto-Englischs fürs interkulturelle Besäufnis ;-) ( Naja, - ist jetzt sicher auch nicht edler als die übliche snobistische Sprachshow, - aber macht einfach mehr Spaß.)

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  2. "Originalversion-Snobs" fasst es gut zusammen. Ich kenne da auch so einige. Ich kann das zwar hin und wieder nachvollziehen, aber manche sind da sehr dogmatisch, sodass ich mit ihnen keinen Film mehr anschauen mag/kann/darf - weil sie einfach alles in englisch sehen wollen.

    "Sherlock" ist im übrigen wirklich eine verdammt gute Serie! Breaking Bad, Game of Thrones und The Wire kann ich Dir auch empfehlen ;-)

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