Montag, 26. November 2012

Ein Nicht-Vorbild tritt ab


Deutschland, Anfang der Neunziger. Der Kater wegen der Wiedervereinigung hatte noch nicht richtig eingesetzt und im Fußball dünkte man sich auf Jahrzehnte unbesiegbar. Eines jedoch trübte für nicht wenige das Glück: Seit Jahrzehnten hatte das Autoland Deutschland keinen siegreichen Formel-1-Fahrer mehr hervorgebracht. 1992 trat ein junger Mann aus Kerpen namens Michael Schumacher an, das gründlich zu ändern. Am Ende war Schumacher von 1994 bis 2004 insgesamt sieben Mal Weltmeister geworden.: So drückend war zwischenzeitlich seine Dominanz, so häufig seine Start-Ziel-Siege, dass auch die wahrlich nicht auf den Mund gefallenen Plaudertaschen von RTL ihre liebe Mühe hatten, dem durch ihn sterbenslangweilig gewordenen sonntäglichen Gekarre wenigstens ein Minimum an Spannung anzuquatschen.

Schumacher zum Vorwurf zu machen, den Charme einer Tüte alter Brötchen zu haben und den Esprit einer langen Exceltabelle zu versprühen, wäre unfair. Ein Formel-1-Fahrer muss weder ein begnadeter Entertainer sein noch ein kultivierter, eloquenter Schöngeist. Er wird dafür bezahlt, sein Leben darauf auszurichten, in einem absurd hochgezüchteten Auto jedes zweite Wochenende knapp zwei Stunden lang möglichst schnell durch Kurven zu fahren. Schumachers Drögheit aber könnte mehr sein als ein bloßer Charakterzug, denn einiges spricht dafür, dass die Besessenheit, mit der er seinen Sport betrieben hat, nicht Leidenschaft war, sondern Optimierungswahn. Zu distanziert und kontrolliert wirkte er immer bei allem, was er tat. Seine Jubelposen, sein Gekumpel mit den Fans kamen meist so unspontan und einstudiert herüber wie seine hölzernen, in Rhetorikkursen trainierten Statements. Da half es auch nicht, dass die Boulevardpresse ihm den ungelenken Spitznamen 'Schumi' verpasste, um ihn ein wenig niedlicher und damit volksnäher zu machen.

Zwar ist die Fachwelt sich nicht einig über die Frage, ob Schumacher der beste Rennfahrer aller Zeiten ist, doch dürfte seine fahrerische Extraklasse unstrittig sein. Ein Sportsmann hingegen war er nie, im Gegenteil: Hinter der biederen Fassade des Jungen aus der Eifel mit dem lustigen rheinischen Zungenschlag steckte immer ein komplett skrupelfreier Ellenbogenmensch, der restlos alles dem Erfolg unterordnet. So legte er im Rennen das Reglement bis an die äußersten Grenzen des Erlaubten aus, manchmal auch darüber hinaus.

Die BILD-Zeitung nannte ihn deswegen verharmlosend 'Schummel-Schumi', als sei er in der Schule beim Spicken erwischt worden. In Wahrheit war sein Verhalten mehr als einmal lebensgefährlich: Wenn es galt, sich irgendwie den entscheidenden Vorteil zu verschaffen, riskierte er nicht nur die eigene Haut, sondern spielte mehrmals auch mit Leben und Gesundheit seiner Konkurrenten. Damon Hill und Jacques Villeneuve, die er beide in entscheidenden Rennen von der Strecke geschossen bzw. dies versucht hat, können ein Lied davon singen. Hill, Brite from top to toe, sprach vor kurzem in einem Interview zwar über weite Strecken freundlich über den Gegner von einst und sparte nicht mit Lob über sein herausragendes fahrerisches Können. Er bescheinigte ihm aber auch unumwunden, kein Gewissen zu haben. Keke Rosberg drückte sich 2006 etwas weniger diplomatisch aus, indem er ihn einen Drecksack nannte.

Wie für viele verbiesterte Leistungsfanatiker gibt es für Schumacher keine Grauzonen. Wenn etwas, das ihm nützt, nicht explizit verboten ist, muss es demnach erlaubt sein. Abseits der Rennstrecken hat er ebenso wenig ein Problem damit gehabt, seinem Kumpel Heinz-Harald Frentzen die Freundin auszuspannen, wie damit, seinen Hauptwohnsitz aus steuerlichen Gründen in die Schweiz zu verlegen. Die von seinen Erfolgen besoffenen Fans sahen es ihm großzügig nach. Für ihn wird es einfach nur eine Möglichkeit gewesen sein, Geld zu sparen. Wo also sollte das Problem sein? Wollen wir das nicht alle, sparen? Dem Begräbnis Ayrton Sennas blieb er ebenso fern wie dem Abschied von Sid Watkins, dem langjährigen Rennarzt der Formel 1, ohne den mancher Fahrer wohl nicht mehr leben würde. Man kann, wie so oft, nur spekulieren, doch ist es gut möglich, dass ihm bis heute ein Rätsel ist, wieso es Menschen gibt, die so was instinktlos, problematisch oder gar anrüchig finden. Weh dem Land, das solche Vorbilder braucht.

Zu seinen besten Zeiten war Michael Schumacher der FC Bayern des Motorsports: Außer von Benzinschädeln, denen kein Motorgeräusch zu laut und kleine Öllache zu schmierig ist, wurde er vor allem von Leuten verehrt, die nicht Sportler bewundern und sportlichen Wettkampf lieben, sondern sich an der Überlegenheit von Seriensiegern hochziehen. Während viele von Schumachers damaligen Kollegen aus dem Fahrerfeld sich längst als wohlhabende, entspannte Privatiers ein schönes Leben machten, wollte er es 2009 noch einmal wissen und ließ sich von Mercedes anheuern. Ein einziges Mal gelang es ihm, während dieser drei Jahre aufs Podium zu kommen. Ansonsten wurde er meistens von Jungspunden wie Sebastian Vettel, dessen Vater er fast sein könnte, in Grund und Boden gefahren. Sein zweites Karriereende ist ohne Frage der Abtritt eines technisch brillanten Rennfahrers, mit Sicherheit aber nicht der eines Vorbildes.

1 Kommentar :

  1. trotteliger artikel, der in der wahrheitsbewegung nichts zu suchen hat.
    darüber hinaus wurde schumacher in seiner 2ten karriere nicht in grund und boden gefahren, haben Sie sich die rennen überhaupt angesehen? seine pole position auf der fahrerisch schwierigsten strecke des jahres in einem zwar konkurrenzfähigen, aber keinesfalls überlegenen mercedes, besagt das gegenteil. autobeherrschung wie ein alter hase, reaktionsschneller als die meisten 18 jährigen...
    über ihn als mensch darf wohl keiner urteilen, der ihn nicht persönlich kennt. dass man dabei den medien nicht trauen darf, dürfte auf webseiten wie diesen eigentlich voraussetzung sein!!

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