Montag, 21. Januar 2013

Wahlnachlese: Fast nur Verlierer


Schwarzer Kater

Die CDU hat neben den Grünen von allen Parteien sicher den solidesten Sockel an Stammwählern. Das liegt unter anderem daran, dass Geschlossenheit bei der Union von jeher eine größere Rolle spielt als anderswo und viele eingefleischte CDU-Anhänger fast jeden Kandidaten wählen würden, wenn es nur dafür gut ist, dass kein Sozialdemokrat an die Macht kommt. Um die dreißig Prozent sind da immer irgendwie drin, nur für absolute Mehrheiten reicht es nicht einmal mehr in Bayern. Die Wahl hat gezeigt, dass es nichts nützt, stärkste Fraktion zu sein, wenn der Juniorpartner FDP seinen Zerfallsprozess weiter fortsetzt. McAllisters Kalkül, die schwarzgelbe Koalition per Zweitstimmen, die aus seinem Lager der FDP zufließen, zu retten, ist knapp gescheitert. Und eine schwarz-grüne Option ist, allen Sondierungsversuchen zum Trotze, fürs Erste nicht in Sicht.
Die schlechte Nachricht: Fällt mir spontan nicht ein.
Die gute Nachricht: Der Muslime frühstückende Innenminister Schünemann ist seinen Job los.


FDP trotzdem noch bei drei Prozent

Ist der deutsche Wähler nicht zurechnungsfähig? Will er sich gar einen Spaß erlauben? In jeder Umfrage watscht er die gelbe Ichlingstruppe aufs Übelste ab, um sie bei der nächsten Wahl doch wieder ins Parlament zu hieven. Und das auch noch in Niedersachsen, wo noch nicht einmal eines der letzten populären Zugpferde wie Kubicki oder Lindner angetreten ist. Nein, die FDP krebst trotz ihrer monströsen knapp zehn Prozent Wählerstimmen in Wahrheit noch immer bei zirka drei Prozent herum. Denn sieben bis acht davon waren Stimmen von CDU-Anhängern, die zwar weiter McAllister als Ministerpräsidenten, aber keine große Koalition wollten und daher den Juniorpartner per Zweitstimme stark gewählt haben. Im Gegensatz zur jubelnden Parteibasis auf den Wahlpartys schien sogar Philipp Rösler immerhin für kurze Zeit geahnt zu haben, wie schwach seine Position inzwischen geworden ist und hat vorübergehend seinen Rücktritt angeboten. Im traditionell konservativen Niedersachsen zumindest hat es, wenn auch nur knapp und trotz Peer Steinbrücks Steilvorlagen, für das selbst ernannte bürgerliche Lager nicht mehr gereicht.
Die schlechte Nachricht: 9,9 Prozent.
Die gute Nachricht: Eigentlich knapp 3 Prozent.


War’s das schon, Piraten?

Die Piraten genossen anfangs viel Sympathie, auch bei mir, weil sie wichtige Themen ansprachen, den in solchen Fragen oft erschreckend ahnungslosen Etablierten in Sachen digitaler Demokratie Beine machten und neue Sichtweisen sowie dringend nötiges Knowhow in die Politik getragen haben. Auch ihr Verständnis von Politik als Work in Progress, ihr basisdemokratischer Ansatz und ihr lockerer Umgang mit der eigenen Ratlosigkeit hatte seinen Charme. Inzwischen scheint sich aber bei vielen Wählern der Eindruck verfestigt zu haben, dass es sich bei den Piraten um einen orientierungs- wie konzeptlosen Haufen von Alphatieren handelt, die entweder vornehmlich damit beschäftigt sind, sich in aller Öffentlichkeit gegenseitig vors Schienbein zu treten oder ebendort ihr Intimleben breitzutreten. Man soll niemanden tot reden und Politik ist kein Kasernenhof, weshalb man auch nicht andauernd von "Geschlossenheit!" und "Führung!" schnarren muss, aber offen praktizierte Konzeptlosigkeit ist eben kein Konzept. Die Piraten haben am Sonntag einen deutlich vernehmbaren Warnschuss bekommen, ihren vorhandenen und potenziellen Wählern klar zu machen, wofür und wogegen genau sie eigentlich zu stehen gedenken und, ja, horribile dictu, mit wem sie sich im Zweifel auch eine Koalition vorstellen können. Versäumen sie das weiterhin und bekommt ihre Führungsriege es weiterhin nicht auf die Reihe, halbwegs professionell aufzutreten, d.h. interne Konflikte zunächst intern und nicht andauernd in coram publico auszutragen, dann könnte es das in der Tat bald gewesen sein.
Die schlechte Nachricht: Man hatte sich ja fast schon an sie gewöhnt.
Die gute Nachricht: Müllfahrerberufskleidung tragen und über gerissene Kondome twittern sind doch keine Politik.


Auweia, Linke!

Alle Wahlkampfanstrengungen haben nichts genützt, man hat es nicht in den Landtag geschafft. Sicher ist es ein Problem, dass die Linke von so ziemlich allen etablierten Parteien als Ansammlung stalinistischer Wiedergänger hingestellt wird, die, einmal an der Macht, sich sogleich in SED zurückbenennen und die DDR inklusive Mauer und Stasi wieder einführen will. Das ist natürlich Quatsch, denn die Linke vertritt in vielem jene klassisch sozialdemokratischen Positionen, die die SPD unter Schröder aufgegeben hat. Das hat sie während der letzten zehn Jahren, in Zeiten immer neuer neoliberaler Axthiebe am Sozialstaat, zu einer wählbaren Alternative für viele enttäuschte Sozis gemacht. Eine Zeit lang war die Linke Avantgarde, die einzige im Parlament vertretene politische Kraft, die z.B. für Finanzmarktregulierung, Börsensteuer oder gesetzlichen Mindestlohn eintrat. Unter dem Eindruck der Euro- und Schuldenkrise aber versuchen die etablierten Parteien, von der allgemeinen Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu profitieren, indem sie sich – wenn auch nur rhetorisch – einzelne Forderungen der Linken mehr oder weniger zu Eigen machen. Im Bund scheint ein Zusammengehen mit der SPD zur Zeit ausgeschlossen, denn die hat sich mit Steinbrück klar in Richtung Mitte positioniert. Auch eine Zusammenarbeit in Form einer durch die Linke tolerierten rot-grünen Koalition im Bund scheint unwahrscheinlich. Fährt die Linke im September aber ein Ergebnis zwischen acht und zehn Prozent ein, und reicht es weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb, dann könnte sie unfreiwillig zur Kanzlerinnenmacherin werden, die Angela Merkel vier weitere Jahre als Kanzlerin an der Spitze einer großen Koalition verschafft. Je nach dem, wie man es betrachtet, ist diese Position entweder hoch spannend oder höchst problematisch.
Die schlechte Nachricht: 3,1 Prozent.
Die gute Nachricht: Fällt mir im Moment nicht ein.


Und die Gewinner?

Die übrig bleiben. SPD und Grüne. Die SPD hat das Kunststück zuwege gebracht, die schwarz-gelbe Koalition trotz der Querelen um ihren Kanzlerkandidaten mit einem eher blassen Kandidaten abzulösen. Die Grünen haben es geschickt verstanden, sich von der Nischenpartei zu einer dauerhaften Größe zu mausern, die immer in der Lage ist, mindestens zehn Prozent zu holen. Warum? Mit Inhalten jedenfalls kaum. Man trifft halt irgendwie das Lebensgefühl einer urbanen Mittelschicht, die Nachhaltigkeit, Ökostrom, legales Cannabis und Bioläden irgendwie ganz cool findet, aber nicht allzuviel ihres bequemen Lebensstils aufgeben will und auch Windräder in der Nachbarschaft nicht wirklich schätzt.
Die gute Nachricht: Eine Merkel-Dämmerung erscheint nicht mehr völlig utopisch.
Die schlechte Nachricht: Selbst wenn es im Herbst für Rot-Grün reichen sollte, dann wird sich, Kollege Lobbyist und Gevatter Sachzwang sei Dank, für viele wohl nur wenig ändern.

Zurück ins Funkhaus!


3 Kommentare :

  1. zur FDP:

    >>In jeder Umfrage watscht er die gelbe Ichlingstruppe aufs Übelste ab<<

    seit Guttenberg halte ich von Umfragen nicht mehr *allzu* viel... vllt sollte ja nur Alarmstimmung erzeugt werden, von wg "FDP-Existenz in Gefahr", um die Wähler zu mobilisieren... hätte jedenfalls funktioniert.
    andererseits werden auch viele CDU-Anhänger der FDP ihre Zweitstimme geschenkt haben.

    Die ÖR-Medien verschenken jedenfalls auch keine Chance, die FDP zu reanimieren und mit aller Macht im Gespräch halten, ob mit solchen Aprilscherzen, oder wenn sich die FDP-Leute bei Markus Lanz die Klinke in die Hand geben.

    In einer Sendung (Link find ich auf die Schnelle keinen) sagte er dem FDP-Gast sogar ganz offen, "es wäre doch schade wenn die FDP untergeht", nur um pseudo-ironisch nachzuschieben, den Kabarettisten ginge ja auch ein Ziel-Objekt für ihre Späße verloren.

    Davon gibts etliche Beispiele. Quasi das genaue Gegenteil vom Umgang mit der Linken.

    Daß die Piraten im Abwind sind, dürfte auch zum Teil an den Medien liegen... als der Piraten-Hype seinen Höhepunkt hatte, genügte schon der Parteiname in der Headline, um Tausende Klicks zu generieren...

    gerade Online gabs dementsprechend viele Piraten-Artikel. Dem unparteiischen Journalisten ist nur an Quote gelegen, die läßt sich am besten über Sensationen machen, und die sind nun mal meistens negativ.

    Die meisten Berichte hatten keinen politischen, sondern wirklich nur den inhaltlichen Wert von geplatzten Kondomen...
    wie weit die Piraten da selber schuld dran sind, ist natürlich wieder ne andere Sache.

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  2. zwar OT, aber beim Suchen nach einem Online-Beweis für das Lanz-Zitat bin ich auf einen echt lesenswerten Artikel über ein interessantes Thema gestossen, den ich hier einfach mal unterbringe
    SZ - Verstehen sie Spaß?
    Türkischstämmige Comediens reißen Türkenwitze...

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    1. Interessanter Artikel, danke. Vielleicht hier wirklich etwas o/t, denn ich habe mich schon mal an anderer Stelle damit befasst:
      http://fliegende-bretter.blogspot.de/2012/02/turkenwitz-reloaded.html

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