Donnerstag, 6. Juni 2013

Verklemmte überall


Wie landet man als Comedian fast immer einen sicheren Lacher? Ganz einfach. Man braucht nur einen Satz anzufangen wie: „Greift ein Priester einem Messdiener unter den Rock...“, und dabei verschwiemelt zu grinsen. Ta-täää! Grölendes Gelächter ist fast garantiert. Die normalerweise durchaus witzige und angenehm versaute Kölner (ja, ich weiß, sie ist in der Klumstadt Bergisch Gladbach geboren) Komödiantin Carolin Kebekus hat für ihre vom WDR produzierte und auf EinsFestival ausgestrahlte Fernsehshow einen Clip gedreht, in der sie als tanzende Nonne inmitten einer Schar von Messdienern, denen wiederum Priester nachstellen, in einer Kirche Hiphoppiges zum Besten gibt. Irgendwann lupft sie das Gewand vor einem Kruzifix und leckt auch eines ab. Haha. Wer im Gegensatz zu mir auf HipHop steht, wird dem vielleicht sogar etwas abgewinnen können.

Als Agnostiker ist mir religiös bedingte Empörung eh fremd, obwohl ich nicht nur großen Respekt vor dem sozialen Engagement der Kirche habe, sondern auch ihre kulturellen Meriten in puncto Kunst, Architektur und vor allem Musik sehr wohl goutiere. Und Menschen, die meinen, sie hätten ja nichts gegen Humor, aber bitte niveauvoll und mit Geschmack, haben von Humor eh so schandbar wenig begriffen, dass sie für immer schweigen mögen. Wenn ich infantile Reli-Witze a' la Kebekus dennoch meist eher anstrengend finde, dann nicht, weil ich nicht der Meinung wäre, dass der Papstverein etliches dazu beigetragen hat, wenn er dergestalt einstecken muss und auch veräppelt wird. Nur: Ein Tabubruch ist so was definitiv nicht mehr.

Denn gern wird sich in die Heldenpose des Tabubrechers geworfen, obwohl es da dummerweise gar keine Tabus mehr zu brechen gibt: Sich über die katholische Kirche und ihre Begleiterscheinungen lustig zu machen, erfordert seit gefühlten Ewigkeiten kein Fitzelchen mehr an Mut und ist, Geschmackssache zwar, meist auch nicht mehr besonders originell. Eine schöne Möglichkeit für Komiker aller Art, sich gratis eine ganz toll unbequem wirkende Nummer abzuholen und auf Anti-Establishment zu machen, weiter nichts. Leider kommen dabei auf eine gelungene Pointe in der Regel mindestens zwanzig der Marke: Huiii, was sind die doch verklemmt, guckt mal, wie locker ich bin und was ich mich alles Schlimmes traue! Was dann in etwa genau so verklemmt wirkt. Übrigens sind beim Kölner Karneval immer deutlich mehr sexy Nonnen zu sehen als Cowboys.

Der WDR hat sich, wie verlautete, aus Rücksicht auf die religiösen Gefühle der Zuschauer dazu entschlossen, das Video arg zu kürzen. Genau so blöd. Was für Zuschauer sollen das sein? Wenn ein Mensch, der dermaßen heftig rumfrömmelt, dass sein Glaube bereits durch billige Scherze ernsten Schaden nimmt, sich auf einem Spartensender gezielt die Sendung einer Komikerin anschaut, deren aktuelles Soloprogramm 'Pussy Terror' heißt, dann tut er das vermutlich aus einem ganz bestimmten Grund: Er will sich partout über irgendwas aufregen. Weil er sich gern sein Weltbild vom Niedergang des Abendlandes erhalten will, ist er immer auf der Suche nach Hühnchen zum Rupfen und einem Anlass, nach der Sittenpolizei zu rufen. Sollte man solchen Leutchen nicht lieber einen VHS-Kurs zur Steigerung ihres Selbstwertgefühls spendieren, anstatt ihren möglichen Forderungen vorauseilend nachzugeben?

Schweigen sollte man weiterhin über das in solchen Fällen obligatorische Gejaller von wegen, etwas ähnliches solle man sich mal in Saudi-Arabien mit islamischer Ikonographie trauen. Bitte, was soll das? Es ist so ziemlich jedem klar, dass es wenig ratsam wäre, dort so etwas zu senden, sofern man nicht Selbstmord begehen möchte. Und, was soll das ansonsten heißen? Klammheimliche Bewunderung, dass dort noch Respekt herrscht vor der Religion und uns ein Bisschen Scharia auch gut täte? Oder ist für diese Leute die höchste Stufe der Integration dann erreicht, wenn sie in der Innenstadt von Riad oder Teheran mit dem Megaphon Propheten-Witze erzählen dürfen und alle ihnen auf die Schulter klopfen für ihren Mut?

Nein, ein maues Scherzchen bleibt ein maues Scherzchen bleibt ein maues Scherzchen, egal, wie professionell oder aufwändig es produziert sein mag. Und Frau Kebekus' cool-routiniertes Gejammer über die Zensur des WDR ist mindestens genau so öde und zudem falsch. In Zeiten von YouTube und sozialen Netzwerken ist es ziemlich irrelevant, ob ein Fernsehsender ein Video ausstrahlt oder nicht. Zensur wäre das erst, wenn die Nichtausstrahlung auf Intervention einer Regierung erfolgt wäre. Also, was soll das? Wollte sie derbe rüberkommen und angebliche Tabus verletzten? Dann soll sie sich halt freuen, denn der WDR hat genau die erhoffte Reaktion gezeigt und die Berichterstattung ihr darüber hinaus eine Menge Publicity verschafft. Das sollte es wohl. Beim Start einer neuen Fernsehshow ist das zudem nie ganz verkehrt.


2 Kommentare :

  1. Über den Komikfaktor sehen wir mal gnädig hinweg. Der WDR bezieht sich ja, soweit mir´s der Boulevard gebimmelt hat, auf die Jesus-Leck-Szene (kriegt man schon beim Schreiben nen feuchten Mund) und das ist wirklich albern, da die metaerotische Beziehung zu Gottes Sohn von Frömmlerinnen und weiblichen Bodenpersonal sowohl in Literatur als auch Film ja nun wirklich durchgenudelt ist. Also eigentlich nix Neues Herr Pfarrer, gell ? Was mir eher Blasen wirft ist, daß sich im WDR, in den vergangenen Jahren über den Rundfunkrat,klerikale, oder nahestehende, Seilschaften bilden. Statt Rotfunk wohl bald schwarzer Kanal.

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    1. In der Tat. Keine Ahnung wie das möglich ist. Der WDR-Rundfunkrat scheint einigermaßen paritätisch besetzt zu sein. Außerdem glaube ich nicht, dass die im Voraus die Kürzung eines Dreiminuten-Videoclips verfügen. Die tadeln das eher im Nachhinein. Der WDR scheint eher voll auf der Linie zu liegen, die die Öffis zunehmend fahren: Immer schön Entertainment, bloß nix riskieren bzw. nirgends anecken. Die Jungen sind eh ans Internet verloren. Ansonsten gibt es das Nachtprogramm und die Spartensender. Aber auch da bloß nicht zu innovativ. Everybody's Darling ist eben everybody's Arschloch...

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