Sonntag, 14. September 2014

Tölen und Trottel


Immer wieder reizend, was aus Menschen wird, die so von der Menschheit enttäuscht sind, dass sie sich in eine absurde Liebe zu Tieren hineinsteigern, zum Beispiel zu Hunden. Dabei habe ich mit Hunden in der Regel kein Problem und komme mit fast allen zurecht. Gut, als ich zehn Jahre alt war, hat mich einmal ein Schäferhund, der im Park unserem Fußball hinterherjagte, versehentlich am Bein erwischt, weil das kleine Mädchen am anderen Ende der Leine nicht in der Lage war, ihn noch zu kontrollieren. Danach begegnete ich größeren Hunden ein paar Jahre lang eher reserviert, aber das ist längst überwunden. Sicher war es verantwortungslos, ein Kind einen so starken und offenbar kaum erzogenen Hund führen zu lassen, aber auf die Idee, alle Hundebesitzer deswegen über einen Kamm zu scheren, bin ich schon damals nicht gekommen.

Ein paar Jahre war ich Adoptivherrchen des Boxerrüden meiner damaligen Freundin. Ein wunderbares, freundliches Tier, ich hatte den Kerl wirklich gern - außer, wenn er die ganze Bude vollfurzte, weil er das falsche Futter bekommen hatte. Selbst einen Hund zu halten, kommt aufgrund von Familienstand und Wohnsituation für mich nicht infrage und liefe auf Tierquälerei hinaus, also lasse ich es bleiben. Sollte mich doch irgendwann der dringende Wunsch überkommen, mit so einem Vierbeiner Gassi zu gehen, kann ich mich immer noch beim Tierheim als Ehrenamtlicher zur Verfügung stellen.

Meistens sind ja in der Tat die Menschen das Problem. Zum Beispiel diese junge Familie nebenan, die sich in ihrem Wahnsinn einen als reinen Familienhund absolut ungeeigneten Jagdhund zugelegt hat. Weil die Rasse gerade in Mode ist und so edel aussieht, vermute ich. Eine halbwegs konsequente Erziehung war ihnen wohl auch zu stressig. Klar, dass so ein armes Vieh durchdreht und bissig wird, wenn es absolut nicht gefordert wird und nicht genügend Auslauf bekommt. Als er in jungen Jahren auf der Straße einmal nach mir schnappte, bölkte ich ihn an und batzte ihm einen deutlichen Klaps vor die Schnauze. Ich Keks, du Krümel und hier ist die Grenze, haben wir uns, Kollege? Der Hund verstand das hervorragend und ist seitdem sehr nett zu mir. Leider hatte Frauchen das mitbekommen, schimpfte mich einen Tierquäler, einen behandlungsbedürftigen Hundehasser und drohte mir allen Ernstes mit einer Anzeige. Da wundert einen dann nicht mehr viel.

Eines nämlich geht gar nicht: Hunde komplett zu vermenschlichen oder gar die besseren Menschen aus ihnen machen zu wollen. Ein Hund ist und bleibt ein Raub- und Rudeltier mit entsprechendem Verhalten. Was uns erscheinen mag wie Liebe und Zuneigung, ist vermutlich größtenteils bloß Rudelverhalten und nicht an eine bestimmte Person gebunden. So scheinen Hunde zum Beispiel tatsächlich zu trauern, wenn ihr alleinstehendes Herrchen oder Frauchen gestorben ist. Ob es sich aber im menschlichen Sinne um Trauer um ein spezielles Individuum handelt oder schlicht um Angst, weil das Rudel weg ist, das für einen Hund immerhin seine Lebensversicherung ist, das weiß man eben nicht. Mitarbeiter von Tierheimen erzählen auf Nachfrage gern, dass die Leiden verwaister Hunde sich normalerweise sofort in Luft auflösen, wenn sie sich einem neuen Rudel angeschlossen haben. Keine Spur mehr von Trauer. Wäre in freier Wildbahn auch hinderlich.

Oder nehmen wir die sprichwörtliche Treue von Hunden. Die ist evolutionär in ihnen angelegt, weil sie ohne Rudel eben nicht lange überleben würden. Also erdulden sie sogar Vernachlässigung oder Gewalttätigkeit durch ihre Menschen. Oder sie trotten auch im biblischen Alter noch unter Schmerzen jeden Tag zum Gassigehen hinterher. Ob es sich dabei um Loyalität im menschlichen Sinn handelt, kann man sehr wohl bezweifeln, auch wenn es einem tausendmal so vorkommen mag.

So wenig man also die Zuneigung, die Hunde uns geben, überschätzen sollte, so wenig sollten wir unsere Bedeutung für die Tiere überschätzen. Und daher sind mir Hundenarren, die so närrisch sind, dass sie diesbezüglich absolut keinen Spaß mehr verstehen, schon immer auf den Docht gegangen.

Wulf Beleites mag keine Hunde. Und einige Hundebesitzer erst recht nicht. Seit langem schon stört es ihn gewaltig, dass viele Stadthunde so ziemlich alles dürfen und deren Halter glauben, alle anderen hätten sich mit Rumgekläffe und zugeschissenen Gehwegen gefälligst abzufinden. Kann ich hervorragend verstehen. Deswegen gibt er die satirische Zeitschrift 'Kot und Köter' heraus, von der jetzt die zweite Ausgabe erschienen ist. Was man so zu lesen bekommt, unter anderem auch Rezepte mit Hundefleisch, ist teils amüsant, teils weniger gelungen. Aber obwohl Hunden, wie gesagt, durchaus nicht abgeneigt, wäre Berleites' Kopf zu fordern oder ihm Grausamkeiten an den Hals zu wünschen, ungefähr das letzte, das mir in den Sinn käme, auch wenn mir einiges, was er schreibt, nicht passen sollte. Nicht wenige Hundeliebhaber tun sich da weniger einen Zwang an.

Das bei weitem Unterhaltsamste sind daher die gesammelten Leserbriefe, in denen besonders tierliebe Exemplare der Gattung Mensch nicht nur unverbrämt ihre faschistische Gesinnung offenbaren, sondern ganz nebenbei auch, was alles falsch läuft zwischen Hunden und Menschen. Eine der Zuschriften möchte ich hier in Gänze zum Besten geben. Normalerweise ist es nicht meine Art, fremde Texte zwischendrin mit Kommentaren zu versehen, aber bei dem, was eine gewisse Julia Urlaub von sich gibt, konnte ich mich einfach nicht beherrschen (Rechtschreib- und sonstige Fehler wurden nicht korrigiert):

"Ich wurde noch nie von einem Hund enttäuscht." (Kommt ganz drauf an, was du erwartest, Schätzchen.) "Von Männern andauernd." (Muss nicht zwingend das Problem der Männer sein.) "Hunde rauchen nicht ungefragt in meiner Wohung," (Ich habe überhaupt selten einen Hund irgendwo rauchen sehen.) "noch werfen sie meiner Toilettengegenstände in den Müll." (Hunde werfen auch eher selten etwas in den Müll, außer, man es bringt es ihnen bei.) "Wenn mir eine Laune meines Hundes nicht paßt erziehe ich ihn (notfalls in einer Hundeschule). Versuchen Sie das mal mit einem Mann!" (Aha, verstehe, Madame ist eher so die Dominante. Lassen sich leider nicht alle Männer gefallen.) "Hunde klauen nicht in meiner Wohnung." (Echt, auch keine Leckerlis, die herumliegen? An Geld und Wertgegenständen sind Hunde ja normalerweise nicht sooo interessiert.) "Männer schon." (Falsch, nur die Typen, auf die du immer reinfällst, Mädchen.)

(Mit Dank an P. Udel alias Archi W. Bechlenberg vom Herrenzimmer für die Anregung.)


11 Kommentare :

  1. So mancher Hund würde wohl ganz gerne mal das ein oder andere rauchen , zur Entspannung , bei all dem , was da so alles an Mensch auf ihn zukommt , wie heißt es so schön , "das Problem läuft zumeist am anderen Ende der Leine".

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. In der Tat, wenn es Probleme gibt, dann läuft es tatsächlich überwiegend am anderen Ende der Leine, sofern denn eine dran ist.

      Frag mal meine zwei Jungs *grins*

      Löschen
    2. "Zwei Jungs" , erinnert irgendwie an Magnum und die zwei Tölen von Higgins.

      Löschen
  2. Eines nämlich geht gar nicht: Hunde komplett zu vermenschlichen oder gar die besseren Menschen aus ihnen machen zu wollen.

    Volle Zustimmung! Genau das wird fast überall gemacht. Besonders von den ganzen Tierschützern, die alle nur noch emotional zuhören und lesen können. Sachliche Diskussionen oder Argumente dringen da einfach nicht durch. Es ist ein sehr ähnliches Phänomen wie mit Kindern: infantile Überhöhung und Objekt-Ersatzbefriedigung für ein unglückliches, sinnentleertes Leben.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Irgendwie fällt mir dieser Hundetrainer ein, Martin Rütter heißt er, glaube ich. Der meinte in einem Interview mal, für einige seiner menschlichen Klienten sei die Information, dass ihr Hund ein Raubtier sei, eine echte Neuigkeit ("Was? Niemals! Mein Hund ist doch kein Raubtier, der frisst nur Trockenfutter.")

      Löschen
    2. Zustimmung!

      Wobei es m.E. auch Tierschützer nicht alle über einen Kamm zu scheren sind. Zwischen echten (normalen/nicht militanten) Tierschützern und jenen, die sich dafür halten (per persönlicher Definition, wie sehr sie doch die Tiere lieben würden), klafft ein riesiger Graben.

      Löschen
  3. Ich stehe also letztens im Keller vorm Aufzug mit dem Wäschekorb in den Armen. Der Aufzug kommt, die Tür öffnet sich und ein angegrauter Hund springt mich an. Dazugehörig eine Dame um die 50, die erst jetzt merkt, daß sie nicht in die fünfte Etage nach oben, sondern ein Stockwerk runter gefahren ist. Sie also : " Nein Männlein, nein !" Ich war schon etwas irritiert und fragte höflich nach, ob der Hund denn wirklich so benamt sei, was sie bestätigte. Ich war dann so frei laut zu denken, daß das ja so eine kleine Theorie von mir bestätigen würde. Arschlochgehabe will halt gelernt sein. Eine Freundin von mir, der ich das erzählte, berichtete mir von einer Hundehalterin in ihrem Haus, die ihren Wauzi Bübchen nennt. Es verdichtet sich :) .

    AntwortenLöschen
  4. Es gibt die eine Textzeile, die ich immer sehr treffend fand:

    "Jeder hat nen Hund, aber Keinen zum Reden."

    https://www.youtube.com/watch?v=yphwzD1XaBY

    Sehr guter Text.

    AntwortenLöschen
  5. Hier in der Schweiz ist es nicht so wild, doch in Deutschland konnte ich mind. zweimal die Woche mit folgendem rechnen:

    25 bis 40 kg-Hooligan frei laufend und sein Bewegungs-Legastheniker steht in der Weltgeschichte herum. Man kann kaum Bewegung ausmachen, auch dann nicht, wenn sein Hooligan wie von wilden Affen gebissen auf meine Hunde angestürmt. Die meinigen sind zwar in der Regel auch nicht angeleint, doch längst auf schrillen Pfiff aus meiner Pfeife neben mir platziert. Direkt bei mir, denn ich weiß (aus Erfahrung natürlich), dass ich höchstwahrscheinlich gleich sehr, sehr schnell und extrem den souveränen Rudelführer raushängen lassen muss:

    Dieser Pfiff aus meiner Pfeife erregt die Aufmerksamkeit des Bewegungs-Legasthenikers (nein, nein, nicht Verhalten seines Holligans) und so ruft es aus der Ferne:

    Satz 1 "Der tut nichts"!

    Das soll mich sicherlich beruhigen. Doch ich bin nicht verängstigt, sondern nur nicht begeistert und meine Hunde sind noch weit weniger erfreut. Sie sind nämlich, neben einer konsequenten Erziehung für das Menschenland, auch noch Hunderudel-sozialisiert. D.h., sie benehmen sich tatsächlich wie Hunde! Und unter Hunden gilt es als ungehörig, es ist sogar ein absolutes No-Go, in ein anderes Rudel uneingeladen hineinzucrashen.

    Mittlerweile hat sich der Hooligan-Halter im Schneckentempo etwas näher heran bemüht. Vermutlich, damit er besser sehen kann, wie einer von meinen (der eine 8 kg, der andere 13 kg) gleich eingeatmet wird. Und wie das bei Hooligans häufig so ist (auch bei menschlichen), wenn er die Auswahl zwischen klein und noch kleiner hat, ergibt sich von selbst, für wen er sich voraussichtlich entscheiden wird.

    Satz 2 "Der will nur spielen!",

    tönt es an mein Ohr. Diese Worte sind der Einsatzbefehl für den Hooligan. Darauf hat er gewartet. Fand er es doch ziemlich blöde, dass meine Hunde sein Verhalten scheixxe finden und meine Präsenz ihn auch noch verunsicherte. „Der will nur spielen“ bedeutet für ihn: „Verstärkung ist eingetroffen, kannst loslegen!“

    Tja, nachdem ich einen der meinen (wie angedeutet, meistens den kleinsten) aus den Zähnen dieses Massepakets gepuhlt, dem Hooligan den tatsächlichen Sinn meiner Präsenz mehr als nur deutlich erklärt und ihn im Nachgang seinem Leinentrottel überreicht habe, löst sich die Bewegungsstarre ein wenig (ok, manchmal muss man sie auch extra erwecken, z.B.mit :“Wollen Sie Ihren Hund nun wieder oder lieber nicht?“). Das erste Lebenszeichen kennzeichnet er - also noch bevor er seinen Hund entgegen nimmt – durch eine gewisse Schnappatmung, die aufgerissenen Augen und der Aktivierung seiner weit geöffneten Luke wie folgt:

    Satz 3 "Aber nein, das hat der noch nie gemacht!"
    (Ja nee, iss schon klar)

    Nur die härtesten aus dieser Halter-Spezies schaffen tatsächlich noch einen 4 Satz, der wirklich, alles an Beherrschung von mir abverlangt:

    Satz 4: „Er hat doch gar nicht zugebissen, das tut der nie!“

    Das kommt nicht so häufig vor, doch zumindest so häufig, dass es sich lohnt, auch das zu erwähnen. Dabei sollte jedem klar sein, die Bewegungs-Legastheniker sprechen diesen Satz aus, ohne die Löcher in den meinigen gezählt zu haben. Denn dazu hätte man sich ja bewegen müssen. Würden sie sich bewegen, wäre es zu meiner Wortschöpfung 'Bewegungslegastheniker' nie gekommen.

    Tschah, live nicht wirklich lustig, doch ich hoffe es war wenigstens amüsant zu lesen ;).

    Gruss
    Rosi

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Bewegungslegastheniker? Hunde? Hat mich hieran erinnert: http://www.youtube.com/watch?v=AIvTfYhWBNc

      Hat sich wirklich amüsant gelesen :)

      Löschen
    2. hahaha :) klasse ;)

      Wenn sie sich doch wenigstens noch so viel bewegen würden .... *grins* .

      Ein derartiges Gehüpfe seitens ihrer sog. "Hundeführer" könnte die Tölen sicherlich von so einigem abhalten. Vor allem der Bärtige dürfte den richtigen Stil, nebst Sound dazu gefunden haben (also meine würden sofort überprüfen, ob mit mir noch alles in Ordnung sei ;-) ... ).

      Man sollte vll. überlegen, solche Bewegungskurse gleich in den Hundeschulen (wieso heisst das eigentlich Hundeschule und nicht Halterschule?) als Grundkurs anzubieten .... *kicher*

      Löschen

Mit dem Absenden eines Kommentars stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zu. Zu statistischen Zwecken und um Missbrauch zu verhindern, speichert diese Webseite Name, E-Mail, Kommentar sowie IP-Adresse und Timestamp des Kommentars. Der Kommentar lässt sich später jederzeit wieder löschen. Näheres dazu ist unter 'Datenschutzerklärung' nachzulesen. Darüber hinaus gelten die Datenschutzbestimmungen von Google LLC.