Samstag, 24. Januar 2015

Einer weniger auf Achse


Zuweilen ist es, wie ich finde, äußerst wichtig, sich mit Standpunkten und Meinungen auseinanderzusetzen, die einem so gar nicht in den Kram passen. Einer Freundin, die in einer Band singt, gab in ihren Anfangszeiten ein Produzent einmal einen Stapel CDs mit, damit sie ihren musikalischen Horizont erweitere. Als sie protestierte und sagte, diesen Soul-/R'n'B-/HipHop-Kram höre sie sich bestimmt nicht an, meinte er: Hör mal, wenn du professionelle Musikerin werden willst, solltest du auch eine Menge Musik hören, die dir überhaupt nicht gefällt. Wie willst du jemals von dir behaupten, dich auszukennen, wenn du dir immer nur die Sachen antust, die du magst? Dem gibt ich bis heute wenig hinzuzufügen, denke ich.

Auch als Schreiberling ist es für eine halbwegs intakte innere Hygiene unverzichtbar, seinen Geist, seinen Standpunkt, seine Argumente zuweilen an Gegenstimmen zu schärfen, die einen auch mal infrage stellen. Ungesund kann es sein, immer auf den gleichen ausgetretenen Pfaden zu latschen, sich nur noch in intellektuellen Kuschelzonen zu fläzen - das Netz lädt ja förmlich ein dazu. Wer es tut, kann, vielleicht ohne es zu merken, das Argumentieren verlernen, neigt zu Einseitigkeiten, meint allzuleicht, das differenzierte Denken getrost einstellen zu können und droht daher anfällig zu werden für Dogmatismus oder für anderen Blödsinn wie absurde Verschwörungstheorien, neigt dazu, unleidlich zu werden oder, schlimmer noch, sektiererisch. ("Wie kannst du es wagen, diesen Idioten zu lesen oder gar zu verlinken? Jetzt rede ich kein Wort mehr mit dir!") Nein, es muss Platz für vieles sein, sonst droht Sklerose. Vor der ist man auch dann nicht gefeit, wenn man sich politisch auf der richtigen Seite wähnt.

Daher habe ich bis vor Jahren dann und wann auch bei der 'Achse des Guten' vorbeigeschaut. Zwar schon damals nicht wirklich mein Terrain, doch schrieben dort fast ausschließlich Leute, die ihr Handwerk beherrschen, mochte mir das, was sie so schrieben, auch widerstreben. Sehr bald aber, ich weiß nicht mehr, wann genau (ist auch unerheblich), wurde es mir zu blöd da. Angefeuert von einem entsprechenden Kommentariat, geriet die 'Achse' mehr und mehr auf die Schiene, dass Linke und Muslime so ziemlich an allem Übel auf dieser Welt schuld seien und dass jegliche Kritik an der Politik Israels automatisch antisemitisch sei - man muss nicht Ken Jebsen heißen, um letzteres in dieser Form fragwürdig zu finden. Eine geistige Kuschelecke für die neue Rechte eben. Nicht mein Fall, so was.

Unbedingt lesenswert hingegen ist der Abschiedsartikel des Mitbegründers und Mitherausgebers Michael Miersch. Der haut jetzt nach etwa zehn Jahren in den Sack, weil auch ihm die ganze Richtung nicht mehr passt. Mierschs Artikel ist mehr als eine bloße Personalie. Was er schreibt, offenbart sehr klar, wohin Teile des öffentlichen Diskurses in den letzten zehn Jahren gedriftet sind und was genau das Problem damit ist.

"Ich möchte mich nicht mehr täglich ärgern, wenn Menschen verbal ausgegrenzt und herabgesetzt werden, weil sie als Moslems geboren wurden. Menschen nach Herkunft zu beurteilen finde ich boshaft. Sippenhaft ist absolut inakzeptabel. […] Mir missfällt das reflexhafte Eindreschen auf alles, was unter dem Verdacht steht, 'links' zu sein. Ich finde nicht, dass das heutige Deutschland dekadent ist. Und ich finde auch nicht, dass sexuelle oder andere Abweichungen von der Norm Verfallserscheinungen sind. Mir geht die verlogene Idealisierung der christlichen Familie als Keimzelle der Nation gegen den Strich, genauso wie Häme und die Gehässigkeit gegenüber Minderheiten. Es ist etwas völlig Anderes, ob man sich über eine political correctness lustig macht, die jede noch so schräge Minderheit in Watte packen will, oder über Menschen, die solchen Minderheiten angehören."

Das macht Miersch natürlich noch lange nicht zu einem Linken (was ich, nebenbei bemerkt, auch gar nicht erwarte), aber man muss weiß Gott kein Linker sein, um die Entwicklungen, die er anspricht, bedenklich zu finden und entsprechend zu kritisieren. Mit dem Mann scheint man durchaus reden zu können. Das ist nicht wenig in diesen Zeiten, in denen immer weniger die guten Argumente zählen, sondern oftmals bloß noch Beleidigtsein und Rassismus, der sich für Aufgeklärtsein und Kritik ausgibt.



2 Kommentare :

  1. Ich gestehe dir etwas. Ich selber habe mal eine positive Buchrezension zu einem der früheren Maxeiner-Miersch's (dunnemals recht unkonventionellen) Sturmläufen gegen's doch allzu konditionierte "Natur"-Feeling geschrieben. Was sich mit der Achse des Guten, bei mir dann in die Achse der Beschämung geändert hatte. Was die beiden tatsächlich treibt, ist mir bis heute unklar, - sie wirken ein wenig arg flexibel, beim flexiblen Überspringen in die nächste Möglichkeit, eingefahrenen Mustern mal wieder mit Unkonventionalitäten entgegen den Erwartungen zu begegnen. In bösen Stunden, vermute ich dahinter fast ein Geschäftsmodell. Wenn nicht, bin ich jederzeit bereit, mich für diese Gedanken zu entschuldigen. Ich bleibe aber vorsichtig. Was aber nichts daran ändert, dass man gegen eingefahrene Linientreue, mit Sicherheit nie genug haben könnte. (solange es authentisch ist, - natürlich, - und auch noch einer gewissen und auch nachvollziehbaren Ethik folgt.)

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    1. Kann ich schon verstehen. Wie gesagt: Bevor das zu einem Muselmanen-Frühstücksclub wurde, haben einige der Achgut-Autoren zuweilen durchaus Erfrischendes geschrieben. Ich gebe dir aber recht, dass dem Miersch das alles reichlich spät aufgefallen ist.

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