Montag, 12. September 2016

Ronny des Monats - September 2016


Aaah, ich mag es, wenn man auf mich hört. Mir gehorcht. Gibt mir so ein Gefühl von Macht und Einfluss. Letzten Monat habe ich ja die AfD ermuntert, sich doch mal ein bisschen mehr ins Zeug zu legen, damit es bei der allmonatlichen Ronny-Verleihung endlich für einen Spitzenplatz reicht. Was soll ich sagen? Ich wurde erhört. Prompt hat die Chefin persönlich einen rausgehauen, der sie diesen Monat - Spoileralarm! - souverän und unangefochten auf den ersten Platz katapultiert. Glückwunsch, geht doch! Aber auch die restlichen Preisträger sind einmal mehr nicht ohne. Ladies and Gentlemen, die Ronnys dieses Monats:

(Mit * versehene Links verweisen auf Facebook, mit ** versehene auf amazon.)

Platz 5: Eigentor in Sachsen-Anhalt
Weil die AfD-Fraktion im Sachsen-Anhaltinischen Landtag wissen wollte, wie politisch motivierte Kriminalität zwischen Links und Rechts sich verteilt, richtete der Abgeordnete Jan Wenzel Schmidt eine Kleine Anfrage an den Landtag. Sollte der Hintergedanke gewesen sein, zu beweisen, dass Linke in Bezug auf Kriminalität die weitaus schlimmeren Finger sind, dann war das Ergebnis* das, was man wohl ein klassisches Eigentor nennt. Kommt davon, wenn man lechts und rinks* velwechsert.

Platz 4: Parchim - Mauer wieder aufgebaut (leider die falsche)
Im Mecklenburgischen Parchim haben unbekannte ein Vereinsheim, das auch als Moschee genutzt wird, vermauert und Zettel mit rassistischen Parolen darauf geklebt. Haha. Köstlicher Scherz, das, wirklich! Und so kreativ! Erinnert mich ansatzweise daran, wie wir damals beim Abi das Schultor zugekettet haben. Hach, waren das Zeiten! Aber gleich eine ganze Moschee zumauern, da steckt doch richtig Arbeit dahinter. Allerdings gibt es auch gute Nachrichten. Erstens sind keine Menschen zu Schaden gekommen und zweitens haben die fleißigen Maurersleute ihr Werk selbst wieder demontiert. Trotzdem, ich komme mir bei so was immer vor wie mein eigener Großvater, wenn ich mich frage, wieso Leute, denen offenbar so langweilig ist und die so viel überschüssige Energie in sich haben, nicht etwas Sinnvolles damit machen. Im Steinbruch arbeiten etwa. Oder eine Galeere rudern. Oder sich anderweitig ehrenamtlich engagieren.

Platz 3: Udo Walter und die Sprachretter vom VdS
Sprachbewahrer und -puristen, erst recht von der organisierten Sorte, umweht ja meist etwas Piefig-Pedantisches. Die meisten seriös arbeitenden Sprachwissenschaftler halten sich normalerweise fern von solchen Leuten, weil Sprache für sie ein Forschungsgegenstand ist und kein bedrohtes Kulturgut. Normalerweise nerven solche Oberstudienratstypen nur. Ein anderes Kaliber ist hingegen der 1997 gegründete 'Verein deutsche Sprache e.V.' (VDS), dem der Dortmunder Statistikprofessor Walter Krämer vorsitzt. Seit einiger Zeit scheint sich der Tenor der unter anderem in den vierteljährlich erscheinenden Organ 'Sprachnachrichten' publizierten Reinerhaltungsbemühungen mehr und mehr in Richtung Pegida zu bewegen. Es wird gegen das allgegenwärtige 'Denglisch' gemoppert, gegen "Amigedudel" in den Medien, es wird die Schnurre wiedergekäut, das Wort 'Neger' sei im Deutschen niemals eine "Diskriminierung dieser braunen Menschen [sic!]" gewesen, es wird fälschlicherweise behauptet, die deutsche Entsprechung des englischen Begriffs Whistleblower laute 'Nestbeschmutzer' and so on.
Als Stefan Niggemeier sich der Sache kritisch annahm, sprang der beim einschlägigen Kopp-Verlag publizierende Markus Mähler dem Verein bei und erging sich in der üblichen, heillos überheizten Opferrhetorik. Niggemeier: "Bloßer Widerspruch wird zum Versuch hysterisiert, einen ganzen Verein 'mundtot' zu machen. Wenn der in den Medien allgegenwärtige Vorsitzende eines Vereins es sich gefallen lassen muss, dass ein paar Leute ihn kritisieren, bedeutet das schon, dass er zum 'Staatsfeind' erklärt wurde." Morbus Sarrazin. Fortgeschrittenes Stadium, würde ich sagen.

Platz 2: Nationaler Widerstand - jetzt auch in der Ambulanz
Ein 28jähriger aus Oranienburg wurde verletzt in die Notaufnahme eingeliefert und hat den 48jährigen, aus Kamerun stammenden Notarzt, der ihn behandeln wollte, rassistisch beschimpft und angespuckt, wofür er zu fünf Monaten auf Bewährung und 150 Stunden sozialer Arbeit verurteilt wurde. Ich würde ja sagen, wer fit genug ist, einen behandelnden Notarzt, dessen Hautfarbe ihm nicht passt, zu bespucken und zu beschimpfen, dem geht es definitiv noch zu gut für die Notaufnahme. Falscher Alarm also. Rechnung für die Behandlung und den Rettungseinsatz  schicken. Nee, der Typ lebt von Hartz IV. Nackten kann man nicht in die Tasche greifen. Trotzdem kann er dankbar sein, dass sie ihn nur mit ungenähten Wunden wieder weggeschickt haben. Ich weiß aus Privatgesprächen mit Ärzten, dass es durchaus Heilkundige gibt, die die Behandlung nerviger Arschlochpatienten absichtlich extra schmerzhaft gestalten.

Und nun, wie bereits angekündigt, der Ronny des Monats September aaan: 


AfD-Vorsitzende Frauke Petry
Und zwar für ihren tapferen Vorstoß, den Begriff 'völkisch' zu rehabilitieren und wieder positiv zu besetzen ('völkisch' wie in 'Völkischer Beobachter', die Älteren werden sich vielleicht erinnern). Das sei doch eigentlich ein ganz primasuperschöner, komplett unproblematischer und überdies total wertfreier Begriff, der dummerweise in jenen zwölf Jahren, auf die man die deutsche Geschichte keineswegs reduzieren darf, ganz doll missbraucht worden sei. Mögen linksextreme Alarmisten wie ich auch Krämpfe kriegen und bereits den Fackelzug der Neuen Rechten im Gleichschritt durchs Wohnzimmer marschieren sehen, ist das eigentlich nur folgerichtig. Sie hat ja auch schon vorgeschlagen, Flüchtlinge in Lagern auf Inseln zu internieren. Sie also dort in Lagern quasi zu konzentrieren. Ist ja auch nur schnöde durch die Nazis missbraucht worden, diese uralte, von den Briten erfundene, zutiefst humane Tradition. Als nächstes schlägt sie vermutlich vor, den Bundesgerichtshof in 'Volksgerichtshof' umzubenennen. Weil diese Bezeichnung doch viel plastischer sei, da das Recht doch vom Volk für das Volk gemacht werde, der Wortteil 'Volks-' schließlich auch in 'Volksbank' und 'Volkswagen' vorkäme, mithin also nichts Schlechtes sei und erst recht nichts dafür könne, von den Nazis so sinister missbraucht worden zu sein, gelle?
Übrigens: Das Wort 'Idiot' stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet ursprünglich 'Privatmann' bzw., slightly gendered, 'Privatperson'. Ich sehe nicht ein, wieso ich mir von der Vergangenheit, die dies Wort so schnöde pervertiert hat, diktieren lassen sollte, wann und wie ich es verwende, jawohl! So wie die Bezeichung 'Nazi' ja ursprünglich bloß die Koseform von Ignaz war und daher völlig wertfrei und harmlos und…
Spaß beiseite: Der Move hat natürlich schon seine Logik. Nachdem der Erfolg der AfD die NPD fast vollständig aus der parteipolitischen Landschaft subtrahiert hat, liegt vor allem im Osten eine Menge Wählerpotenzial brach, das erschlossen werden will. Da darf man keine Angst vor braunen Flecken haben. Mit den Worten fängt es immer an. Petry Heil!

Und weil es immer noch unappetitlicher geht, gibt es auch diesen Monat wieder eine ehrenhafte Erwähnung. Ein Zufallsfund in einer besonders gründlich durchgebratenen Ecke des Weltnetzes:

Nur Deutsche unter den Opfern - 
Thomas Goodrichs Buch "Höllensturm. Die Vernichtung Deutschlands 1944-1947"
Dieses Buch, heißt es, sei Pflichtlektüre für jeden Deutschen. Ups, Moment, das Ausweisdokument gecheckt - yup, man meint mich! Es werde mir die Augen öffnen. Soso. Meinen Blick auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts völlig verändern. Aha. Lange geheimgehaltene Wahrheiten kämen endlich ans Licht. Uiuiui! Begeisterte und erschütterte Leser bekennen, sie hätten das Buch immer wieder aus der Hand legen müssen, weil die Lektüre so traumatisch gewesen sei, sie so aufgewühlt gewesen seien von dem, was sie hätten lesen müssen. Puh!
Lassen wir doch mal einen weniger begeisterten Leser** zu Wort kommen. Seiner Meinung nach handelt es sich um "Pflichtlektüre für Holocaustleugner, Verschwörungstheoretiker, Aluhutträger, Geschichtsrevionisten und all diejenigen, die gerne das Wort 'Schaf' benutzen, um die allgemeine Bevölkerung zu beschreiben und sich selbst für erleuchtete Intelligenzbestien halten, die dank einiger Youtubevideos und 'Internetrecherche' nun den freundlichen händereibenden Händlern, die anscheinend die Welt immer noch kontrollieren, so auf die Schliche gekommen sind. Vermutlich glauben diese Menschen auch noch, dass die Bundesrepublik Deutschland kein legitimer Staat ist und [murmeln] irgendwas von Haager Landkriegsordnung vor sich hin [...] (neben ihren anderen, täglich verwendeten Buzzwords wie Kalergi oder Kulturmarxismus)..." -- Womit alles Wesentliche so ziemlich gesagt sein dürfte.
Grottenschlecht übersetzt sein und vor Rechtschreibfehlern nur so strotzen soll dies revisionistische, antisemitische, untergangspornografische Machwerk auch noch. Ich werde es nicht lesen. Nicht zuletzt, weil ich ein Problem mit angeblichen Pflichtlektüren habe. Wenn die Fachwelt kollektiv in die Knie sinkt ob dieses wissenschaftlichen Durchbruchs, kann ich das ja immer noch nachholen.




3 Kommentare :

  1. Der bei amazon angebotene "Blick ins Buch" lohnt sich. Man kann sich ganz schnell davon überzeugen, dass die Rezension von "Arun" passt.

    Es fängt mit einer im wesentlichen der Nazipropaganda folgenden grotesk übertriebenen Schilderung der Vorfälle von Nemmersdorf und wird gleich im Anschluss stramm judenfeindlich ("Als der ökonomische Kampf weiterging, engagierten sich die jüdischen Journalisten, Schriftsteller, Stückeschreiber und Filmproduzenten auf ihre eigene charakteristische Weise. [...] erreichte der Krieg von Worten pathologische Dimensionen. Während sich Gerüchte von "bestialischen" Nazi kontrollierten [sic!] Judenverfolgungen verbreiteten, wurde die Propaganda Kampagne [sic!] gegen Hitler und den "Faschismus" in zunehmendem Maße zu einem fanatischen Schrei nach Extermination alles Deutschen. Bei Keinem war der Haß [sic!] stärker, als bei den amerikanischen Juden.")

    Ich habe mir noch ein paar Absätze danach angetan, und es sieht tatsächlich aus wie revisionistische, judenhasserische Kackscheiße, die dazu noch mäßig gut übersetzt und nicht einmal korrekturgelesen wurde (er schreibt etwa von den "Tageszeitungen Prawda und Izvestia" - entweder sollte man die Duden-Transkription nehmen: Prawda und Iswestija, oder die wissenschaftliche Transliteration: Pravda und Izvestija).

    Bezeichnend auch die Reaktionen, die "Arun" auf seine Rezension erhält. Dumpf und dunkel geht es da zu...

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    1. Danke, dass du reingeschaut hast, muss ich es nicht mehr tun. Und die Kommentare zur Rezension sind wirklich mal finster. Mir fällt nicht ein, wie man Leute, die dermaßen in einer eigenen Welt leben, noch erreichen kann. Übrigens, der Schinken steht auf der Bestsellerliste in der Kategorie 'Fachbücher -> Geschichtswissenschaft' [sic!] auf Platz 45! Man fasst es nicht...

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    2. War mir kein Vergnügen...

      Das Interesse an revisionistischer Literatur scheint groß zu sein. Die holen sich das alle von Amazon, und die Verkaufszahlen sorgen dann für die Platzierung. Gruselig.

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