Samstag, 17. Dezember 2016

Ronny des Monats - Dezember 2016


Zu früh gefreut! Oder vergebens gebangt, je nach dem. Allen, die gehofft oder befürchtet haben, diesen Monat werde der allmonatliche Ronny nicht verliehen, sei gesagt: Auch Weihnachtszeit ist Ronny-Zeit. Ich bin halt nur eine Woche ins Hintertreffen geraten wegen viel um die Ohren. Groß zum Recherchieren gekommen bin ich auch nicht. Brauchts aber gar nicht. Drei der fünf Preisträger waren nach zehn Minuten Suche gefunden. Wir haben eben 2016.

Ladies and Gentlemen, die Top 5 des Monats Dezember:


Platz 5: Das Dresden Nordrhein-Westfalens
Am Freitag, 16.12. haben Rechtsextreme den Turm der Dortmunder Reinoldikirche besetzt und Pyrotechnik gezündet. Währenddessen verteilten Gesinnungsgenossen Flugblätter an Passanten. Die Pfarrerin beendete den Spuk, indem sie die Glocken der Kirche läutete. Die Feuerwehr musste der Polizei Zutritt verschaffen, indem sie eine historische Tür zerstörte. Ja, tut man denn so was im christlichen Abendland? Es kam übrigens nur zu vorübergehenden Festnahmen, Haftbefehle wurden keine erlassen. Wird man denen wenigstens die Kosten für die Einsätze von Polizei und Feuerwehr sowie für die Restaurierung der Tür in Rechnung stellen oder wäre das, mimimimimi, auch zu hart?

Platz 4: Der obligatorische Ausfall bei der 'Wir sind doch nicht rechts!'-Partei
Natürlich ist es legitim, Reinhard Heydrich toll zu finden. War ja auch ein echter Prachtarier mit seinem schlanken Wuchs, dem semmelblonden Haar und dem entschlossenen Blick aus stahlblauem Auge. Leider hat der Mann, sagen wir, in Puncto Genozid das eine oder andere auf dem Kerbholz, weswegen er, sagen wir, als Idol nicht völlig unproblematisch ist. Man könnte es auch anders formulieren und sagen, dass keine Handgranate je einen Richtigeren getroffen hat. Bernd Pachal von der AfD Marzahn-Hellersdorf findet hingegen, man werde ja wohl noch sagen dürfen, dass Heydrich in der damaligen Tschechoslowakei "kluge Politik" gemacht habe und nach anfänglicher Skepsis allgemein beliebt gewesen sei und tat dies auch bei Facebook kund (wo auch sonst?). Wirklich interessante Informationen wie die, welche Substanzen man konsumieren, was für Bücher man gelesen, was für Freunde man haben muss, um so einen grandiosen Schwachsinn zu faseln, bleibt Pachal leider schuldig.

Platz 3: Homosexualität ist auch keine Lösung
Bedaure, aber die Annahme, dass Menschen, die zu einer mehr oder minder diskriminierten Minderheit gehören, aufgrund diese bloßen Tatsache zwangsläufig toleranter, offenherziger, progressiver seien, ist leider nicht selten ein Trugschluss. Arschgeigen gibt es halt überall. Es kommt auch durchaus vor, dass Unterdrückte versuchen, sich Privilegien und Vorteile durch Anpassung bzw. Überanpassung an ihre Unterdrücker zu sichern. Und so engagiert sich selbstverständlich auch eine junge lesbische Frau in der AfD.

Platz 2: Die nicht existierende rechte Szene von Sömmerda
Eine rechte Szene gebe es nicht in der Stadt, hat zumindest Ralf Haubold (Linke) gesagt, seines Zeichens Bürgermeister des thüringischen Sömmerda. Vielleicht hätte dem Mann jemand sagen sollen, dass das keine Schande wäre, da es inzwischen in so ziemlich jeder Stadt ab einer gewissen Größe eine rechte Szene gibt. Oder dass so eine Aussage im Lichte von Ereignissen wie diesem oder diesem ein klein wenig erklärungsbedürftig sein könnte. Vielleicht waren das ja auch gar keine echten Sömmerdaer, sondern bloß Zugezogene, welche von außerhalb. Die sind ja sonst auch an allem schuld.


Meine Damen und Herren, der Ronny des Monats Dezember:

Platz 1: Die Geschichtsvergessenen von der CDU

Normalerweise bin ich bereit und in der Lage, für Menschen, die klar und ehrlich eine Haltung vertreten, auch wenn diese ums Verrecken nicht meine ist, zumindest Reste an Verständnis und Respekt aufzubringen. Ich kann Rassisten nicht ab und die Wahrscheinlichkeit, dass einer mein Freund wird, ist gering. Diese verlogenen "Ich bin kein Nazi/Rassist, aber [beliebigen faschistischen/rassistischen Dreck einsetzen]"-Typen sind jedoch eine Umdrehung ekelhafter. Zyniker, sagte einst Frédéric Beigbeder, seien enttäuschte Romantiker. Ein so schöner wie richtiger Satz. Habe ich mir gemerkt. Wenn dem so ist, dann ist die CDU die deutsche Partei mit der höchsten Dichte an Ex-Romantikern. Zynisch handelt nämlich auch, wer wirklich grundlegende Werte verrät und mit Füßen tritt, um irgendeinen Vorteil - in diesem Fall einen politischen - daraus zu schlagen. Etwa den, dass politisch Verfolgte trotz allem immer noch das Recht auf Asyl haben.

Aus Regierungskreisen verlautete nun, die Abschiebung von 34 abgelehnten Asylbewerbern nach Afghanistan sei schon okay, weil in Afghanistan zwar schon irgendwie Krieg herrsche, es aber auch sichere Regionen gebe. Das Lustige ist nun, dass man mit dieser Begründung die Nummer mit dem Asyl gleich ganz bleiben lassen kann. Sichere Ecken gab und gibt es schließlich immer irgendwo. Im ethnisch gesäuberten Ex-Jugoslawien wie in Ruanda. Sogar in Aleppo soll sich's hier und da einigermaßen aushalten lassen. NS-Deutschland? Ich bitte Sie! Marcel Reich-Ranicki und Hänschen Rosenthal haben doch auch überlebt. Geht also, wenn man nur will! Klar, ein Quäntchen Glück gehört immer dazu, aber so ein bisschen Shoah hat noch keinen umgebracht.

Es wird gedeutelt, die Union wolle mit solchen Aktionen Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln nehmen. Pardon, aber wie heftig kann man bitteschön vor den Schrank laufen? Ist das noch Lernresistenz oder tut das schon weh? Das Beispiel Österreich hat doch gerade eben gezeigt, dass man Rechten sehr wohl die Stirn bieten kann, ohne sich bei ihnen anzubiedern. Vielleicht sogar besser. Wieso nämlich sollte ein AfD-Wähler einen soften Abklatsch wählen, wenn er das Original haben kann? Nein, es ist keine Lernresistenz, es geht darum, dass ein Haufen konservativ sich schimpfender Herrenreiter offenbar die ganze windelweiche Humanitätsduselei satt hat. Schlechte Nachrichten für alle Gläubigen: Es gibt wohl keinen Gott. Gäbe es nämlich einen, dann müsste jeden aus diesem Verein, der noch Worte wie 'Menschlichkeit' oder 'christlich' im Munde führt, augenblicklich der Blitz beim Scheißen treffen.

Apropos: Gab es nicht mal Zeiten, in denen man die bis 1993 vergleichsweise offene deutsche Asylgesetzgebung wegen eben jener Vergangenheit für eine besondere Verpflichtung hielt? Nur so ein Gedanke.


Und auch im Dezember gibt es einen Ehrenronny. Der geht, wie schon letzten Monat, wieder ins Ausland, nämlich nach Russland:

Das Leben ist schön, Eistanz nicht immer.
Bei allem Respekt vor der Athletik und der sportlichen Leistung der Athleten, hat die Welt des Eiskunstlaufs sich mir nie wirklich erschlossen. Werde ich irgendwie nicht, hihi!, warm mit. Ich bin auch nicht prinzipiell gegen Eiskunstlauf bzw. Eistanz, im Gegenteil. So erinnere ich mich gern, wie fasziniert sogar ich war, als Marina Klimowa und Sergej Ponomarenko bei den Olympischen Winterspielen 1992 fünf Minuten purer Magie aufs Eis zauberten. Kitsch? Mag sein, aber dann war's verdammt guter. Meist ist der ganze Zirkus mir aber mindestens einen Tick zu flittrig und zu oberflächlich und ich denke: schade um so viel Talent und harte Arbeit.

Zur Verteidigung des Eiskunstlaufbetriebes sollte man vielleicht erwähnen, dass Tatjana Nawka, ehemalige Olympiasiegerin im Eistanz und jetzt Ehefrau von Putins Pressesprecher, das nur noch hobbymäßig betreibt. Mit ihrem Partner, dem Schauspieler Andrej Burkowski, ist sie bei einer Promi-Eiskunstlaufshow im russischen Fernsehen aufgetreten. Die beiden hatten einen Song aus dem Film 'Das Leben ist schön' gewählt und traten stilecht in gestreiften KZ-Häftlingsuniformen auf, wozu sie, wie sich's gehört in der Branche, strahlend lächelten. Am Schluss des Auftritts waren Gewehrschüsse zu hören. Auf Kritik reagierte Nawka, indem sie bei Instagram erklärte, dieser Auftritt zähle zu ihren "liebsten Programmen". Mit Blick auf die NS-Herrschaft fügte sie hinzu, "unsere Kinder sollten diese schreckliche Zeit kennen und sich daran erinnern".

Ach sooo, verstehe, die Nummer diente allein der Aufklärung! Wie konnte ich auch etwas anderes glauben, Dummerchen, ich? Etwa, dass es darum gegangen sei, mittels billigster Geschmacklosigkeit maximale Aufmerksamkeit zu erlangen und die Latte im faschistischen Geschmackslimbo ein weiteres desensibilierendes Stück tiefer zu hängen. Die abstruse Erklärung der Eisprinzessin erinnert jedenfalls ein wenig an diese Versuche, Landserhefte und brutale Kriegsfilme zu legitimieren, indem man betont, es ginge keineswegs um Gewaltverherrlichung oder gar darum, die Gelüste von abgestumpften und verrohten Gewaltvoyeuren zu bedienen, sondern lediglich darum, "den ganzen Schrecken des Krieges in seiner vollen Härte" zu zeigen oder so. Ist zumindest ähnlich verlogen.



1 Kommentar :

  1. Zustimmung zu Punkt drei.Leider ist das immer noch eine fast subversive Aussage, obwohl die meisten Rechtspopulisten Europas schon seit 20 Jahren keine anti-homosexuellen Ressentiments mehr haben, erst in jüngerer Zeit gibt es da einen gewissen rechtskonservativen Rollback.
    Haider hatte nie Probleme, auch mal in einschlägigen Szenetreffs aufzutauchen, die AfD hat noch einige mehr wie Höcke oder die Programmchefin.
    Pim Fortuyn war der Vorgänger Wilders` in Holland, ein Lebemann, der offen schwul lebte.
    Das ist einer dieser Punkte, die nicht nur den Eindruck erwecken, daß die RP an so manchen Punkten schneller denken und sogar progressiver sind (oder zu sein scheinen) als diejenigen, die sich für die Vertreter des Fortschrittlichen halten.

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