Donnerstag, 31. August 2017

Mehr als Aschenputtel


Vor 20 Jahren, am 31. August 1997, verstarb die ehemalige Prinzessin Diana bei einem Autounfall. Das ist politisch relevanter als es scheint.

Selbstverständlich weiß ich, wo ich war und was ich tat, als die Nachricht vom Tode der damaligen Ex-Prinzessin Diana mich ereilte. Es war ein Samstagabend, ich saß daheim auf der Couch und hatte eine Bierflasche in der Hand. Ich war relativ früh von einem mäßig unterhaltsamem Spieleabend (ich kenne eigentlich keine anderen) heimgekehrt und wollte mir zur Wiederholung des 'Aktuellen Sport-Studio' noch ein oder zwei Kaltgetränke geben, als es passierte: "Die in Paris verunglückte Prinzessin Diana ist den Folgen ihrer Verletzungen erlegen. Mehr in Kürze" - so in etwa hieß es in der Einblendung. Meine Reaktion: Aha. Tragisch. Alt ist sie nicht geworden. Friede ihrer Seele. Immerhin, für die Hinterbliebenen wird wohl irgendwie gesorgt sein. Damit war der Fall für mich so weit erledigt.

Daher traf mich das, was danach losging, auch so unvorbereitet. Was geht denn hier ab?, fragte ich mich im Laufe der folgenden Tage mehr als einmal, angesichts des Blumenozeans vor dem Kensington Palace. Drehen denn jetzt alle durch? Wieso? Nun ja, an den Lebensleistungen der Verstorbenen konnte es nicht gelegen haben, denn die waren, bei allem Respekt, nicht eben herausragend. Ihr soziales Engagement und das gegen Landminen waren gewiss löblich und mögen sicher von ehrlichen humanitären Motiven getragen gewesen sein, sie aber deswegen zu einer Heiligen stilisieren zu wollen, scheint mir denn doch arg dick aufgetragen. Zumal die Familie des finalen Mannes an ihrer Seite einem gepflegten Waffengeschäft nie abgeneigt gewesen sein soll.

Auch die Kritik, die auf die Königsfamilie gekübelt wurde angesichts deren reservierter Reaktion auf das Ableben der ehemaligen Schwiegertochter verstand ich nicht recht, obwohl ich weiß Gott kein Fan des Ladens bin. Formell agierte man völlig korrekt. Diana war auf eigenen Wunsch kein Mitglied der königlichen Familie mehr, wo also lag das Problem? Die Stiff upper lip der Briten ist so legendär wie die Beispiele dafür zahlreich. So soll die BBC, die 1939 ihr reguläres Programm unterbrochen und auf Kriegsprogramm umgestellt hatte, am 9. Mai 1945 angeblich eben jenes reguläre Programm wieder aufgenommen haben mit den Worten: "Wir bitten, die Unterbrechung zu entschuldigen." 1997 sah es so aus, als hätte es diese Zeiten nie gegeben. Fast ein ganzes Volk versank in einem Meer aus Tränen. Und die Nicht-Reaktion der königlichen Familie, die zu anderen Zeiten vielleicht als stoisch und unerschütterlich gepriesen worden wäre, galt nunmehr als Beweis, dass die Verblichene recht hatte: Elizabeth II. ist kein Mensch, sondern ein gefühlloser Eisklotz, ein Monarchieroboter.

(TOM Touché vom 16.9.1997 - via taz.de)

Man kann es machen wie die Autorin Bidisha und Dianas Tod feministisch deuten als Warnung an alle Frauen, was ihnen blüht, wenn sie es wagen, die ihnen zugedachte Rolle zu verlassen. Das ist aber aus mehreren Gründen problematisch. Nicht nur, aber vor allem, weil dem der moralinsaure Märchenglaube, ein Unfalltod sei eine gerechte oder ungerechte Strafe für irgendein bei irgendeiner Peergroup erwünschtes bzw. unerwünschtes Verhalten, zugrunde liegt. Man könnte das auch abtun als bloße Episode. Das Schicksal einer weltweit sehr populären Frau, mit der sich viele identifizierten, rührte halt all jene zutiefst an, die sich auf irgendeine Weise in ihr wiederfanden. Eine ganz normale menschliche Regung eben. Ich glaube bis heute, da steckte mehr dahinter, und zwar etwas, das bis heute nachwirkt und uns erst heute richtig auf die Füße fällt.

Nach allem, was man weiß, sind Prinzessin Diana und ihr Begleiter Dodi Al-Fayed ums Leben gekommen, weil ihr betrunkener Chauffeur sich zu einer Verfolgungsjagd mit einer Horde Paparazzi auf Motorrädern verleiten ließ und dabei die Kontrolle über das Fahrzeug verlor. Wäre er nicht wie ein Henker gefahren, das schlimmste, das hätte passieren können, wäre vermutlich gewesen, dass es ein paar unscharfe Fotos mehr gegeben hätte von einer Frau, die eh schon x-tausendmal fotografiert worden war, und auf die es daher wohl auch nicht mehr angekommen wäre. Alles Weitere ist und bleibt Spekulation, so plausibel es im Einzelnen auch erscheinen mag.

Natürlich ist Diana Frances Spencer übel mitgespielt worden. Die Geschichte geht so: Junge Frau aus behütetem adligen Hause, die aber zutiefst bürgerlichen Vorstellungen von Ehe und Familie anhängt, merkt nicht oder will nicht merken, dass sie aus rein dynastischen Gründen verkuppelt wird mit einem Thronfolger, der nichts weiter an ihr findet und lieber mit der anderweitig verheirateten Frau zusammen wäre, die er wirklich liebt. Sie bekommt lieblos zwei Kinder gemacht und hat damit ihre Rolle, der 'Firma' zu (mindestens) einen männlichen Thronfolger zu verhelfen, so weit erledigt, wodurch den Rest ihres Lebens bloß noch rein repräsentative Aufgaben ihrer harren. Als sie spitzkriegt, dass der Herr Gemahl regelmäßig auswärts isst, zahlt sie mit gleicher Münze zurück und spannt dabei die von ihr so gehasste Boulevardpresse durchaus geschickt für ihren Rachefeldzug ein.

Nun ist eine Heirat in Adelskreisen niemals reine Privatsache und muss erst recht keine Liebesheirat sein, wie sie sich das möglicherweise gedacht hatte. Bis dorthin konnte man ihr bzw. ihrem näheren Umfeld allenfalls vorwerfen, sich nicht im Klaren gewesen zu sein darüber bzw. sie offenbar nicht darüber in Kenntnis gesetzt zu haben. Auf die Idee, dass sie sich vielleicht auch zu bereitwillig etwas hat vormachen lassen und eventuell Warnungen ignoriert zu haben, schien sie nicht zu kommen. Wie pflegt jeder erfahrene Familientherapeut zu sagen: Es braucht immer zwei zum Tangotanzen.

Eine zentrale Rolle spielte übrigens auch der frischgebackene Premierminister Tony Blair. Im Gegensatz zu den Royals, die, wie gesagt, formell zwar richtig handelten, aber dennoch alles falsch machten, wussten Blair und seine Spindoktoren um Alastair Campbell, wie man zeitgemäß kommuniziert mit dem Volke. Mit seiner gefühligen Ansprache, in der er Diana den Titel 'Prinzessin des Volkes' anpappte und indem er unverhohlen Druck auf das Königshaus ausübte, verdammt noch mal über seinen Schatten zu springen, inszenierte Blair sich als denjenigen, der das Volk verstand (ein Kommentator verglich ihn mit dem Boyfriend eines verliebten pubertierenden Mädchens, der sie im Gegensatz zu den doofen, begriffsstutzigen Eltern als einzige versteht). Nebenbei katapultierte er seine Beliebtheitswerte damit in von keinem Premierminister außer Churchill jemals erreichte Höhen.

Möglich, dass Blair die angeschlagene britische Monarchie damals sogar rettete, indem er den Diskurs emotionalisierte, die Aufmerksamkeit auf sich zog und den bedrängten Royals damit ein wenig Luft verschaffte. Ein Risiko, weil emotional aufgeladene Rhetorik oft die anspricht, die sich ausgeschlossen fühlen und sie weiter mobilisiert. Im Nachhinein wird immer klarer, dass das, was sich da entlud, nicht nur Ausdruck einer Sehnsucht war nach mehr Authentizität und Empathie in der Politik, sondern eine Menge verriet über eine schleichende Entfremdung, einen Knacks zwischen Volk und denen da oben, nicht nur in Großbritannien.

1991 war Oliver Stones Film 'JFK - Tatort Dallas' in die Kinos gekommen. Anlässlich Dianas Tod wurde wohl zum ersten Mal in großem Maßstab, auch jenseits sinistrer Nerd-Zirkel heftig gemunkelt, was seitdem Routine ist: War es am Ende Mord? Wem war sie lästig geworden, gefährlich gar? Wer hatte ein Interesse, sie zu beseitigen? Wie haben die das angestellt?

Adelsklatsch hat mich von jeher kalt gelassen, außer wenn er unfreiwillig komisch wird. Aber jene verrückten Wochen Ende August, Anfang September 1997 waren weit mehr als nur das böse Ende einer Aschenputtelgeschichte, sondern ein erstes Zeichen dafür, in welche Richtung der politische Diskurs sich bewegt hatte und im folgenden sich bewegen sollte.




3 Kommentare :

  1. Frauen welche in ein Königshaus einheiraten wissen,Beine breit=Kinder gebären ist ihr Hauptjob.Eine Prostituierte macht dasselbe nur wir Sie klugerweise nicht schwanger.

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  2. Woher weiß eigentlich jeder, wo er da war? Ich weiß nur, dass ich eine Woche vorher aus einem England-Urlaub zurückgekommen war und heilfroh gewesen bin, diese Scheiße nicht vor Ort erlebt zu haben.

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    1. Keine Ahnung. Aus dem Stand hätte ich den Zeitpunkt nicht einmal auf fünf Jahre genau nennen können. Ich erinnere mich nur an die Umstände ihres Ablebens, weil das in allen Medien ausführlich breitgetreten wurde, und daran, dass anschließend alle monatelang völlig gaga waren (Elton John, Candle in the Wind und so).

      Wo ich war und was ich machte, als mich die Nachricht erreichte - kein Schimmer. Nicht mal wo ich zu der Zeit wohnte hätte ich ohne die Zeitangabe sagen können, so egal war mir das ganze.

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