Freitag, 17. November 2017

Tesla-Terror


Obwohl zeitweiser Autofahrer, hasse ich die Gurkerei meistens. Sicher, in einem netten Spaßwagen, vielleicht einem offenen Roadster, bei entsprechendem Wetter, die passende Musik dazu, über kurvige münsterländische Land- oder gebirgige Bergstraßen zu gondeln, dem könnte ich schon was abgewinnen. Die tagtägliche Karrerei aber, die vor allem darin besteht, sich über verstopfte Straßen quälen und die automobile Inkompetenz sowie das fehlende Sozialverhalten von geschätzt 30 Prozent imbeziler Mitverkehrsteilnehmer ertragen zu müssen, ist nichts weniger als nervig. Warum tue ich mir das noch an? Nun, weil ich manchmal doch ein Auto brauche, das Fahrrad nicht alle Probleme löst, Car Sharing in meiner Gegend nicht nennenswert vertreten ist und man sich als nicht allzu dolle Verdienender zwischen Dauerkarte für Öffis und Auto entscheiden muss. Leider.

Daher bin ich ein großer Freund alternativer Verkehrskonzepte. Das genannte Car Sharing, im Ballungsraum mit Elektroautos, könnte ein Teil sein. Ein großzügig ausgebauter, am besten kostenloser, mindestens jedoch nach sozialen Aspekten ausgerichteter öffentlicher Nahverkehr ein weiterer. Natürlich ist mir bewusst, dass Autos mit Verbrennungsmotor vor allem in dünn besiedelten Gegenden bis auf weiteres wohl noch gebraucht werden. Man möge mich bloß verschonen mit dem großen Freiheitsversprechen, denn davon ist dort, wo's dicht besiedelt ist, nämlich nicht mehr viel übrig. Viele scheinen das nicht recht wahrhaben und das zu kompensieren zu wollen, indem sie sich alle paar Jahre einen noch fetteren Blechpanzer kaufen. In dem reden sie sich dann ein, sie seien was Besonderes, weil sie in ihren SUVs höher sitzen und von noch mehr Blitzi-blinki-Spielereien umgeben sind. Nun gut, jeder wie er mag, ich bin kein Missionar.

Vollends unverständlich ist mir allerdings das quasireligiöse Geschwummse, das um die Firma Tesla gemacht wird. Geht Ihnen das applemäßige Tesla-Getue auch so auf den Sack? Ja gut, die Teile sehen halbwegs schick aus. Auch ich habe früher Autoquartett gespielt. Auch muss man Golden Boy Elon Musk zugute halten, mit den Tesla-Modellen Elektroautos 'sexy' gemacht und sie aus der Nische brotkastiger oder auf knuffig gemachter Vernunftkisten für Ökobewegte herausgeholt zu haben, das war es aber auch schon. Wo an der ganzen Sache der große Fortschritt sein soll, erschließt sich mir ansonsten nicht. Auch Tesla bedeutet keine Abkehr vom Prinzip des Individualverkehrs und steht bloß für das öde, althergebrachte Dickerschnellertiefer-mehr-PS, nur halt mit Elektromotor. Der hat zwar keinen Auspuff, braucht aber Akkus, die nicht gerade Biomüll sind. Und der Strom, mit dem die Akkus geladen werden, kommt meines Wissens nach auch nicht bloß aus der Steckdose.

Ja, sicher, natürlich, wir haben unendliches Vertrauen in die Zukunft, die Akkus werden immer besser, kleiner, leistungsfähiger, billiger, effizienter und umweltfreundlicher werden. Mag alles sein, bin kein Inscheniör. Prinzipiell fortschrittsfeindlich bin ich auch nicht. Es dürfte halt nur wenig gewonnen sein, wenn es angesichts stetig wachsender Weltbevölkerung die Zukunft des Straßenverkehrs sein soll, dass fürderhin massenweise Elektroautos statt Verbrenner die ohnehin überfüllten Straßen verstopfen. Mit weniger Emissionen, sicher, trotzdem, Revolution geht anders.

Überhaupt fragt sich, inwieweit jener Teil der Journaille, der jedes neue Teil von Tesla zuverlässig bejubelt, es auf dem Schirm hat, dass der ganze Spuk auch nichts anderes sein könnte als eine Spekulationsblase. Die exakt so lange funktioniert, wie es den zum Messias aufgepumpten Musk gelingt, die Erwartungen an ihn und seinen Laden und damit den Aktienkurs in immer höhere Höhen zu pushen. Und wenn die Großanleger irgendwann auf dem Höhepunkt des Hypes ihre Anteile rechtzeitig mit Gewinn abstoßen, werden alle anderen in die Röhre gucken, die dem magischen Elon seine Kultkarren abgekauft haben. Das scheint mir bei weitem realistischer als die ganzen Heilserwartungen, die da andauernd lanciert werden.

Im Unterschied zu vielen Kulturpessimisten setze ich in dieser Sache übrigens großes Vertrauen in die Jugend. Zu meinen Jugendzeiten war Das Eigene AutoTM für viele meines Alters beinahe ein Fetisch. Wer nicht zur Uni ging und als Azubi es nicht fertigbrachte, am 18. Geburtstag mit dem eigenem Auto zur Arbeit zu kommen, war in vielen, vornehmlich männlich dominierten Branchen bei den Kollegen untendurch und durfte sich auf eine Karriere als Mobbingopfer freuen. Das scheint mir inzwischen weitgehend überwunden. Es ist nur meine Beobachtung, aber die eigene Karre scheint für viele Jüngere immer unwichtiger zu werden und längst von anderen Dingen abgelöst zu sein. Wenn das so ist, wäre das eine gute Nachricht.



1 Kommentar :

  1. "von geschätzt 30 Prozent imbeziler Mitverkehrsteilnehmer ertragen zu müssen, "

    :-) Endlich mal eine realistische Zahl...

    AntwortenLöschen

Mit dem Absenden eines Kommentars stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zu. Zu statistischen Zwecken und um Missbrauch zu verhindern, speichert diese Webseite Name, E-Mail, Kommentar sowie IP-Adresse und Timestamp des Kommentars. Der Kommentar lässt sich später jederzeit wieder löschen. Näheres dazu ist unter 'Datenschutzerklärung' nachzulesen. Darüber hinaus gelten die Datenschutzbestimmungen von Google LLC.