Dienstag, 5. Dezember 2017

Schmähkritik des Tages (13)


Heute: Vincent Klink über den Zustand der Gastronomie

"Siebzig Prozent der Gastronomie-Azubis halten die Lehre nicht durch. Die Ausbildungszeit gilt als hart. Sie wird aber meist so empfunden, weil größtenteils langweiliger Mist gekocht wird. Meiner Ansicht nach sind die Gründe nicht bei einer schlaffen Jugend zu suchen, sondern es liegt an den schlechten Betrieben, welche in Deutschland die absolute Mehrheit einnehmen. Gräbt man noch tiefer, schlägt man aber beim Verbraucher auf, dem es nicht billig genug sein kann, der seinen Bauch als Mülldeponie akzeptiert und der sich nicht um gastronomische Mitarbeiter und um Lebensmittelqualität schert.

Die Gastronomie von der Basis ab bis zum Sternerestaurant, verdient zu wenig um genügend würdevolle Arbeitsplätz anzubieten. Ich habe schon immer bestmöglich gekocht und dafür die entsprechenden hohen Preise genommen. Seit 1974 gilt meine Arbeit bei Vielen als überteuert. Mit solchen Fehlurteilen kann ich gut leben, denn sie kommen immer aus der Geiz-ist Geil-Ecke. Ich wünsche mir für meine Kollegen mehr Mut, zur Not auch die Nerven, wenn die Stammkundschaft wegen Preiserhöhung wegbleibt. Wenn die Qualität stimmt, kommt die schlaue Kundschaft wieder. Der Wirt und Koch muss sich allerdings auch richtig einschätzen, muss wissen wo er beruflich steht. Hohe Preise verlangen, dafür billige Ware verwenden und dazu ausgemergeltes Personal auf die Gäste loslassen, das funktioniert garantiert nicht." (Vincents Tagebuch, November 2017)


Anmerkung: Vincent Klinks schriftliche Einlassungen lohnen die Lektüre eigentlich immer. Egal, ob in seinem Online-Tagebuch oder seinen diversen anderen Veröffentlichungen wie dem gemeinsam mit Wiglaf Droste herausgegebenen Periodikum 'Häuptling eigener Herd'. Der Mann kann nicht nur kochen, sondern versteht auch eine Menge vom Schreiben, von der Musik und vom Leben. So ist es mir sehr sympathisch, dass er sich seit vielen Jahren mit einem Michelin-Stern begnüngt, weil weitere Sterne zu viele Verrenkungen bedeuten würden. Ich habe mir einst geschworen, sollte ich mir jemals ein Essen in einem Sternelokal plus Übernachtung gönnen, dann würde mein erster Weg mich nach Stuttgart in die Wielandshöhe führen.

Natürlich kann man kritisieren, ein Essen im Sternelokal könne sich nicht jeder leisten. Das mag sein, obwohl man sich zuweilen wundert, was etwa beim Mittagstisch, soweit im Angebot, preislich so alles geht. Ich verstehe aber nicht, was daran verwerflich sein soll, wenn ein Koch wie Klink, der sein Handwerk versteht, ordentliche Produkte verarbeitet, wenn immer möglich aus Bioproduktion, der seine Angestellten ordentlich bezahlt, sie keine endlosen Überstunden kloppen lässt und sie auch sonst nicht bis aufs Blut ausquetscht, für all das einen sauber kalkulierten Preis aufruft. Gutes, solides Handwerk war schon immer teurer als Industrie und Supermarkt.

Ferner kann man einwenden, Sternerestaurants seien vor allem eine Bühne, auf der Reiche und sich wichtig Vorkommende durch möglichst ostentatives Edelschnabulieren plus Drüberreden ihre Liquidität und ihre Wichtigkeit demonstrierten. Mag auch sein, das. Was geht's mich an? Erstens ist Leuten, die allein aus Gründen sozialer Abgrenzung horrende Beträge für hochgejazzten Chichimampf hinblättern, obwohl ein Schnitzel ihnen vielleicht lieber wäre, eh nicht zu helfen. Zweitens geht es diesen Leuten ja nicht ums Essen, sie täten halt was anderes, sobald Edelrestaurants nicht mehr recht zum angeben taugen sollten. Und drittens bekommen heute längst nicht mehr nur Nobeladressen Michelin-Sterne.

Zumal ich andere Phänomene aus der Welt der Gourmandise deutlich fragwürdiger finde. Die Klosterladen-Mafia etwa. Diese esoterisch angehauchten Spiritual-Shops, deren Geschäftsmodell offenbar darin besteht, arglosen Menschen Produkte mit Hildegard-von-Bingen-Aufkleber aufzuschwatzen und dafür ohne rot zu werden Mondpreise zu kassieren. Von wegen guter Zweck und uraltes Wissen.

Wenn etwa die Abtei Mariawald bei Aachen für eine 840g-Dose ihrer berühmten, ursprünglich nur vor Ort als karges Pilgermahl gereichten Erbsensuppe im klostereigenen Online-Shop stolze 5,50 Euro verlangt (was einem Kilopreis von 6,65 Euro entspricht), dann finde ich das schon arg happig für eine Dosensuppe. Es liegt mir fern, den frommen Trappistenbrüdern Halsabschneiderei zu unterstellen, aber ein Blick auf die Zutatenliste offenbart nichts, aus dem sich ein Wareneinsatz von 1,50 bis 2,00 Euro pro Kilo fertige Suppe ergäbe. Zumal da fleißig mit E-Nummern und Geschmacksverstärkern hantiert wird. Bei Manufactum, jenem Gemischtwarenladen der Besserverdienenden und mutigen Akif-Pirinçci-Verlagshaus, knallen sie noch einmal 2,40 Euronen oben drauf. Bei solchen Margen feuert auch ein Alain Ducasse vor Neid den Löffel in die Ecke.

Apropos Essen: Wer auf die Schnelle einen schlagenden Beweis benötigt für die Richtigkeit der alten Weisheit, nach der viele Köche den Brei verderben, vor allem, wenn sie sich für Chefköche halten, kann das mit einem Besuch bei chefkoch.de rasch erledigen. Was einmal als sympathisches Mitmach-Projekt begonnen haben mag, scheint mir längst bloß noch ein grotesker, unübersichtlicher Wust vorwiegend unappetitlichen Gewurschtels zu sein von Leuten, die sich entweder für begnadete Köche halten, aber keine Kritik vertragen können, oder von Muttis, die in einer Tour damit angeben, wie 'superlecker' (drunter läuft da gar nichts) das von ihnen Zusammengerührte dem 'Göga'* und der Family gemundet habe. (Ich frage mich eh schon länger, wieso chefkoch.de nicht schon in goega.de umbenannt wurde.)

Das alles ginge ja noch, wenn das Chefgekoche wenigstens irgendwie nützlich wäre. Ist es aber nicht. Was habe ich davon, wenn ich eine Anregung suche oder ein Rezept für ein halbwegs klassisches Gericht und mich erst einmal durch Abertausende superambitionierte und krampfhaft kreative Rezepte klicken muss? Ehrlich, es gibt zig serösere und vor allem übersichtlichere Quellen, sich online oder offline diesbezüglich zu informieren. (Es ist erstaunlich, aus wie vielen Verlegenheiten einen bereits das bewährte Dr. Oetker-Schulkochbuch zu helfen vermag.) So bleibt mir nur mehr ein Verdacht: Bei chefkoch.de geht es weniger ums Kochen, sondern vor allem übers Reden darüber.

Wem übrigens mein Verdikt über das vorwiegend unappetitliche Gewurschtel etwas hart vorkam, sei hiermit auf den Blog Worst Of Chefkoch verwiesen. Den Link sollten Sie übrigens nur anklicken, wenn sie keine Magen- und/oder Darmbeschwerden haben, ausgeschlafen, nicht allzu gut gelaunt, weder verkatert noch schwanger sind und keine Diabetes haben. Sie wurden gewarnt.


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*chefkoch.de-eigenes Kürzel für 'Göttergatte'. Ja, Sie haben richtig gelesen.





4 Kommentare :

  1. Auch ohne aktuell an solchen Ausnahmebefindlichkeiten zu leiden – diese Chefkoch-Mischwurst ist botulismusverdächtig.

    P.S.: Papa isst die Pfanne leer hieß bei uns in den 1960ern Schlangenfraß und war um Klassen appetitlicher und sogar äußerst genießbar!

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    1. Vor allem wurde damit nicht angegeben wie ein Sack Seife.

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  2. Ein Massenportal, das von allen Usern, die Lust drauf haben, mit Inhalten bestückt wird, wird IMMER jede Menge Schrott beinhalten - ist ja klar, wenn keine Redaktion irgendwelche Kriterien aufstellt.

    Dennoch hat sowas seine Berechtigung, weil man dort mitbekommt, was so ganz real im richtigen Leben alles gekocht wird - und wie. Wogegen in Koch-Magazinen und Blogs alles immer schick und edel aussieht, gerne viele, auch exotische Zutaten verwendet werden, und das Ganze eben dem Geschmack der Herausgeber oder den Anforderungen des "Kooperationspartners" entspricht.

    Ein klassisches deutsches Gericht findet man auf Chefkoch.de in allersimpelster wie auch in sehr elaborierter Form. Die Fotos und Bewertungen mit Sternchen geben schon eine Orientierung! Zudem kann man dort die vielen regionalen Unterschiede sehen - auch manchmal ganz interessant!

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    1. Hatte heute einen Arzttermin und blätterte die aktuelle
      Ausgabe von e & t durch, die dort auslag. Nun ja, gewiss
      sehr delikat und edel (vor Allem die Weihnachtsmenüs samt eigens dafür angeschafftem Edelgedeck samt Zubehör) – aber wer nicht über ein Monatsnettoeinkommen im mindestens hohen vierstelligen Bereich verfügt – der muss draußen bleiben. Eine weitere Parade obszöner Wohlstandsrepräsentation, in einem Land, wo H IV-Familien nicht einmal Geld für den Weihnachtsbaum aufbringen können
      (es sei denn, sie wilderten einen – und richteten Weihnachtsbescherung und -menü durch serielle Ladendiebstähle aus ;) …

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