Dienstag, 2. Januar 2018

Geht ja gut los


Da habe ich gedacht, ich könnte mir zum Start des Jahres gleich eine bequeme Nummer abholen. Arbeit sparen. YouTube-Video von Brookers Jahresrückblick hier einbauen und fertig ist der Lack. Ein wenig recherchieren im voraus hätte vielleicht helfen können:
Soso. Kann also keine 400 Sachen auf einmal machen. Der feine Herr! Und was wird jetzt aus uns?

Muss man also selber ran. Hilft ja nix.

Na, haben Sie's gestern auch gesehen? Die große Wachablösung? Jenes Match, von dem wir dereinst noch unseren Kindern und Enkeln an verregneten Winterabenden erzählen werden (so es sie qua Klimawandel noch geben wird)? Wir werden uns fragen: Was hast du gemacht an jenem denkwürdigen Abend, da der große Phil Taylor von Ben Cross, der locker sein Sohn sein könnte, nach eigenem Bekunden mit 2:7 den Hintern versohlt bekam? War das spannend? War DAS spannend? Geht so. Ziemlich einseitige Partei, will mir scheinen. Die Kassen derjenigen, die entsprechende Ausrüstung und Zubehör verkaufen indes, sie werden klingeln.

Dabei will ich Darts überhaupt nicht schlechtreden und erst recht nicht meckern. Selbstverständlich ist das ein Sport. Ein Präzisionssport genauer gesagt, wie Kegeln oder Boule. (Es sei daran erinnert, dass auch Schach als Sport geführt wird.) Zum Darten braucht's Nervenstärke, endloses Üben, überragende Auge-Hand-Koordination, plus einer gewissen Kondition und Fähigkeiten im Kopfrechnen. Mir dünkt, entsprechende Vorbehalte haben auch etwas zu tun mit dem eher proletarischen Herkommen der Pfeilewerferei. Bis in die Achtziger war es durchaus üblich, dass die Teilnehmer großer Turnieren während ihrer Matches diverse Pints leerten. Erst Eric Bristow, der als Erster kommod vom Darten leben konnte und später zu Taylors Förderer wurde, verzichtete komplett darauf.

Ferner mag die Tatsache, dass das Publikum von jeher sich keinerlei Zwang auferlegt, sondern lautstark zecht und feiert, für gewissen Dünkel sorgen. Ähnlich erging es lange dem Fußball, der hierzulande vom turnenden Bürgertum und vom traditionell pferdesportelnden Adel als tumbes, barbarisches Getrete und Geraufe abgetan wurde. Wer könnte in diesen Zeiten etwas einzuwenden haben gegen einen Sport, bei dem bodenständige, nahbare Typen wie Taylor und Cross die Szene beherrschen, denen man ansieht, dass sie einer ungesunden Mahlzeit und ein paar Bieren nicht aus dem Weg gehen? Noch beherrschen, muss es heißen. Mit weiter sprudelnden Preis- und Sponsorengeldern nämlich wird bald die nächste Welle der Professionalisierung einsetzen. Dann werden bald die stromlinienförmigen, seit früher Kindheit in Dart-Internaten und -Akademien rundum gecoachten, ernährungsoptimierten, meditierenden, sportelnden Jungspunde übernehmen, die mental top eingestellt, ihre Leistung abrufen. Und im wuseliglauten Ally Pally wird Alkoholverbot herrschen und um Ruhe gebeten werden.

Es ist ja verständlich, dass Journalisten und alle Enthusiasten, deren Steckenpferd und Leidenschaft Darts von jeher ist, sich freuen, dass der einstigen, als reines Kneipenspiel belächelten Randsportart endlich die gebührende Aufmerksamkeit entgegengebracht wird und sie ein wenig euphorisch sind darob. Ist nur menschlich, das. Sie sollten sich nur nicht zu früh freuen, denn der Andrang wird nicht nachhaltig sein, wie Erfahrung zeigt. Die Zeichen stehen auf Strohfeuer. Denn gar lustig ist wieder einmal das lemminghafte Gebaren der Trendhinterherhechler, die sich jetzt alle artig Dartscheiben, Wurfpfeile sowie Taylor-Trikots kaufen und daheim die Raufasertapete perforieren werden wie nicht gescheit. Man wird sich in der Stammkneipe ducken müssen, weil spitze Wurfgeschosse durch die Gegend fliegen.

Denn so haben sie's damals gemacht, als ein 17jähriger Blondschopf aus Leimen das Turnier von Wimbledon gewann, der einstige Chefärztesport Tennis zum Massenspaß wurde, unter jedem zweiten Christbaum Schläger und Schuhe lagen und die Vereine Wartelisten anlegen mussten. So war es, als Jan Ullrich die Tour de France gewann. Da zwängten die Deutschen zu Hekatomben sich in wurstpellige Radlerhosen, feuerten ihre fast neuwertigen Mountainbikes in die Ecke und rissen den Fahrradhändlern der Nation die Rennradbestände aus den Händen. So war es, als dank der Arbeit von Eurosport Snooker plötzlich in aller Munde war. Und so war es auch, als Pokern vor einigen Jahren total angesagt war, Pokertische plötzlich zum heißesten Scheiß unter der Sonne wurden und zeitweise nicht lieferbar waren.

Und so wird es auch beim Darten sein, jede Wette. Dabei verhält es sich mit Trendsportarten wie mit Fernsehserien. Wer schlau ist, handelt von jeher antizyklisch. Wenn sich nach einiger Zeit kaum noch jemand dafür interessiert, bekommt man den Kram für fast nix hinterhergeworfen. Der bei weitem unangenehmste Nebeneffekt ist eh, dass jetzt wieder Typen, die drei Tage vorher nicht einmal wussten, wie man Double Out schreibt geschweige denn, was das ist, sich zu großen Experten aufschwingen und mit Fachbegriffen um sich werfen, als hätten sie im Leben nie etwas anderes gemacht.





2 Kommentare :

  1. Na, - Dart kann wirklich Spaß machen. Besonders wenn man dabei an sich selbst und mehr noch an den Profis entdeckt, dass die zielsichere Feinmotorik und Körperbeherrschung genauso eine Mär ist, wie das entsprechende Pfeil-und-Bogen-Robin-Hood-Zeugs. Bei manchen, ist es sogar der Alkoholpegel der sie besser macht. Aber der Umgang einer seltsamen Mischung aus erreichbar unbewusster Treffsicherheit und tatsächlicher Kontrolle ist fast unbedeutet zur seltsamen Mischung aus Leuten, wovon ein Teil einfach nur Spaß und Freude am Spiel dabei hat und den spätestens dann verliert, wenn wieder die Lüdden kommen, die um Geld spielen wollen. Eigentlich ein echter Kneipenspooort, der Menschen verbinden kann, - bis sie wieder anfangen sich gegenseitig abzuzocken. Schade.

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  2. Mein magischer Moment: In der Dorfkneipe von Schweppenhausen treffe ich mit allen drei Pfeilen das Doppel-Bull. Ich habe 150 Punkte gebraucht und ich habe sie geholt. Mehr geht nicht. Phil Taylor hat es nie gewagt, mich herauszufordern ...

    Es gab allerdings auch Tage, da habe ich noch nicht mal den Automat getroffen.

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