Freitag, 9. Februar 2018

Das kleine Grokodil


"Außenpolitische Stabilität wird innenpolitisch mit der endgültigen Aushöhlung der Volksparteien erkauft. Wer noch Kritik an der 'Groko' loswerden möchte, der sollte das bald tun: Die aktuelle wird vermutlich die letzte sein, die noch eine eigene Mehrheit hat." (Richard Volkmann)

Ex-Kanzlerkandidat und Ex-100-Prozent-Parteivorsitzender Machtin Chulz hat es doch noch um Haaresbreite verbockt, sich echte Meriten zu erwerben. Er hatte eine echte Chance, "Großes für den Glaubwürdigkeitsverlust von Politikern" (Bettina Gaus) zu leisten. Das hätte er zweifellos auch getan, wenn er tatsächlich nach der x-ten Kehrtwende binnen eines Jahres noch das Amt des Außenministers angetreten hätte. Tut er nun nicht. Warum ist mir übrigens egal. Sorgen um ihn wird man sich wohl nicht machen müssen. Unter denen, die nun zu Minister/innen aufsteigen, werden schon welche sein, die ihren Platz auf der Landesliste für ihn freimachen und ihm dadurch zu einem Bundestagsmandat verhelfen werden.

Schulz hat also mehrere rhetorische 180-Grad-Kehren hingelegt, richtig. Nur ihm zuvörderst das zum Vorwurf zu machen, ist billig. Denn hey, war das je anders? Konrad Adenauer machte zeitlebens keinen Hehl aus seiner kernrheinischen Maxime "Wat kümmert misch mein Jeschwätz von jestern?" Damit hat er es nicht nur zu einer sehr langen Kanzlerschaft gebracht, sondern pflegt auch heute noch bei diversen Umfragen nach den größten Deutschen aller Zeiten regelmäßig auf vordere Plätze gevotet zu werden. Schulzens Fehler war wohl unter anderem, sich festzulegen und weniger wolkig zu formulieren als Angela die Bleierne, die in diesen Disziplinen Unschlagbare, in verbaler Hinsicht ein menschgewordener Wackelpudding.

Überdies ist der deutsche Wähler eh ein arg schizoides Wesen mit nicht leicht auszudeutendem Willen. Zwar moppert er in einer Tour, und das ja nicht mal zu Unrecht, ihn dürstet’s nach Umbruch, nach Politikwechsel und mehr Gerechtigkeit. Sobald er aber die Chance bekommt, so was mal herbeizuführen, votiert er regelmäßig dagegen und für weiter so. Abgesehen von jener heldenhaften Minderheit natürlich, die zum Teil ihren Unmut kundtat, indem sie die Gerechtigkeitsliga von der AfD (eine rechtsextreme, in Teilen rechtsradikale Partei, deren Mitglieder gern zur Weinerlichkeit neigen, wenn sie kritisiert werden*).

Man mag auch nicht wirklich in der Haut der zum Votum über den Koalitionsvertrag aufgeforderten Genossen stecken. Einerseits, das muss man sagen, ist es der Parteispitze bei den Verhandlungen gelungen, die CDU zu schrumpfen wie nie zu vor und deutlich mehr herauszuholen als man erwarten durfte. Weil die Obergenossen geschickt operierten mit Merkels maßloser Konfliktscheu, die sie eine Minderheitsregierung fürchten lässt wie der Teufel das sprichwörtliche Weihwasser, und dem Hinweis auf den Druck der eigenen Basis. Allerdings beschert eine Zustimmung zum Koalitionsvertrag den Genossen Andrea Nahles als Vorsitzende, eine laute, kindische rhetorische Dampframme mit hohem Fremdschampotenzial und dem diplomatischen Geschick eines Presslufthammers.

Sparen wir uns also so längliche wie überflüssige, da müßige Reflexionen darüber, dass es mit dieser Koalition wieder einmal keinen echten Politikwechsel geben wird. Was wäre auch zu erwarten gewesen? Dass es weiter Waffenexporte geben wird, ist so klar wie dass das System Hartz IV bestehen bleiben wird, wenn auch eventuell mit etwas Weißer Salbe drauf, dass weiterhin nur das geschieht, was das Kapital duldet, Deutschland natürlich in der NATO bleibt, sich an den Privilegien der Reichen nichts ändern wird und vieles mehr. Man kann sich freilich auch ganz klein und mucksch machen und sagen, wenn man sich ansieht, was die sonst so töffelige SPD der weitgehend nackigen CDU an Zugeständnissen aus den Rippen geleiert hat, dann würde man lieber nicht wissen, was passiert wäre, wenn Lindner keinen Rückzieher gemacht hätte.

Kann man alles tun. Eins lässt sich jedenfalls jetzt schon mit ziemlicher Sicherheit sagen: Wenn es in den nächsten dreieinhalb nicht gelingen sollte, dem deutschen Wähler mehrheitlich und glaubhaft zu vermitteln, es bewege sich tatsächlich etwas zu seinen Gunsten - wie und warum sollte es? -, dann wird, so kein Wunder geschieht, die nächste Regierung mit einiger Wahrscheinlichkeit gebildet werden aus CDU, FDP und AfD (eine rechtsextreme, in Teilen rechtsradikale Partei, deren Mitglieder gern zur Weinerlichkeit neigen, wenn sie kritisiert werden*). Für die Zeit nach Merkel stehen bereits Fachkräfte wie Jens Spahn bereit und auch Christian Lindner hat durchblicken lassen, mit Positionen rechts der CDU kein Problem zu haben. Dann können wir noch einmal über das Thema reden, dass Wahlen nichts ändern.


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* Ein obligatorischer Zusatz, den Stefan Sasse sich ausgedacht hat und den ich gelegentlich übernehmen werde.




4 Kommentare :

  1. Meine Vermutung: Rheinmetall, Krauss Maffey und Co. haben dafür gesorgt, dass ein bewährete Waffenschieben mit Goldmedaille und CETA-Mann wieder das Außenamt leitet.

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    1. Kann sein, wäre plausibel, aber zu beweisen. Sonst: Verschwörungstheorie.

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  2. Und jetzt kommt noch die SPD-Basis und beweint - äääh bewinkt die neuerliche Wende zur abgelehnten Groko, hüstelhüstel.

    Was für ein Schmierentheater, nur um wieder die richtigen Falschen an den Fresstrog zu bringen und dabei wird alles ignoriert von AfD bis Wählerwillen. Am ENde steht dann wieder das grosse Heulen und Zähneklappern, wenn´s mal wieder schief gegangen ist...

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  3. Der große Skandal dahinter ist jedoch, daß Martin Schulz und seine Genossen als Wegbereiter für einen institutionellen Rechtsextremismus auf Bundesebene in die deutsche Geschichte eingehen werden.

    Es existiert keine Rechtsquelle in Gestalt eines Gesetzes, einer Rechtsverordnung oder Geschäftsordnungsnorm des Bundestages, die die Besetzung der Bundestagsausschüsse regelt. Es ist -so das Ergebnis meiner Recherche- nur eine Tradition, z. B. den Vorsitz des Innenausschusses mit einem Kandidaten der größten Oppositionspartei zu besetzen. Die CDU hat schün früh signalisiert, daß sie mit dieser Tradition nicht brechen wird.

    Da eine GroKo noch nicht existiert, ist nach dem Wahlergebnis vom 24. September 2017 immer noch die SPD die größte Oppositionspartei, wenngleich auch ihre außerparlamentarischen Aktivitäten darauf hinweisen, daß sie schon jetzt bereit ist, die damit verbundenen Privilegien an die AfD abzutreten. Durch ihren faktischen Verzicht auf ihre Rolle als größte Oppositionspartei ist nun die AfD an der Reihe, die für dieses Geschenk sicher dankbar ist. Und die Medien spielen mit – tun so, als sei bereits alles in (legalen) trockenen Tüchern.

    Im Ergebnis werden nun 3 Ausschüsse von Vorsitzenden der AfD geleitet, zusäzlich hat die AfD ein Mitglied im Geheimdienst-Kontrollgremium, was der eigentlich größte Skandal sein dürfte.

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