Samstag, 17. März 2018

Schmähkritik des Tages (16)


Heute: Jens-Christian Rabe über das neue Albung der Band Frei.Wild

"Ja, es ist wieder einmal so weit: Es gibt mit »Rivalen und Rebellen« [...] ein neues, zwölftes Album der Südtiroler Dampfstrahl-Punkrock-Band Frei.Wild, die gerne mit allerlei Völkisch-chauvinistisch-nationalistischem herumzündelt, aber dann noch nicht rechts sein will, sondern einfach dagegen. Also gegen den Mainstream und seine »Systemmarionetten«, die die Band und ihre Anhänger angeblich nicht so sein lassen wollen, wie sie am Ende aber doch sind. Das hässliche Hölzchen, über das die Freunde und Feinde diesmal springen dürfen, heißt »Geartete Künste hatten wir schon« und ist der Soundtrack zur Metapolitik der Neuen Rechten, bei der es im Kern ja nie um die Sachen selbst geht, sondern immer nur darum, dass alle anderen ewig »im Gleichstrom« schwimmen und die »wahren Rebellen« nur sie selbst seien. Musik zur Zeit in ihrer gruseligsten Form, die in den deutschen Mainstream-Pop-Charts ganz weit oben landen wird, sehr wahrscheinlich sogar auf dem ersten Platz, wie seit 2012 allein drei der vier letzten Alben der Band." (Süddeutsche Zeitung, 16.3.2018)

Anmerkung: Die Geschichte massenhaft jugendkompatibler Musik als Begleiterscheinung entsprechender Jugendkulturen ist eine Geschichte stetiger Weltuntergänge. Weil junge Menschen einen feinen Riecher haben, womit sie die Vorgängergeneration zum Händeringen kriegen. Wo gerade noch gepflegte Popmusik und nostalgisch-pseudoaufsässige Rockmusik gewesen war, zu der auch die ein Stück weit sich rebellisch fühlenden Eltern mal voll abgingen, so weit altersbedingt noch möglich, musste in den frühen Neunzigern der Schrecken über den quietschbunten Prilblumen- und Umz!-umz!-umz!-Horror der Techno-/Rave-Szene verdaut werden.

Vor etwa einem Vierteljahrhundert dann schwappte amerikanischer Gangsta-Rap in den hiesigen Mainstream und damit massenhaft in die Kinder- und Jugendzimmer der entsprechenden Alterskohorten. Die Kids kleideten sich albern, behängten sich mit gewollt billigem Blingbling und stammelten unverständliches Zeug. Vor allem schienen sie einen Dreck auf alles zu geben, was der mittelschichtigen Reihenhausgesellschaft um sie heilig war. Statt dessen machten sie - ladies first - auf Bitches, Hoes bzw. auf brandgefährliche, drogenvertickende, rumballernde Zuhälter und träumten von einem total unachtsamen Protz-Lifestyle. Als dann noch deutschsprachige Hipphopper nicht mehr frechbraven Fanta-4-Rap, sondern böse, kriminelle Amimusik auf deutsch machten, war es endgültig zu spät und die Reaktion von Teilen der bürgerlichen Presse erinnerte an Zeiten, in denen vor der Vergiftung unserer Jugend durch langhaarige Negermusik gewarnt wurde.

Der Weltuntergang ist meines Wissens bislang ausgeblieben. Jetzt haben wir halt einen Haufen brave Bürger triggernder Südtiroler, die daherkommen wie eine Kreuzung aus stiernackigem Moppeddömmel und scharf gescheiteltem Gauleiter. Klar, man kann einwenden, dass Frei.Wild kein reines Jugendphänomen seien. So what? Die musikalischen Schlichtgestalten von den Böhsen Onkelz (die übrigens zum Entsetzen des Feuilletons 1993 erstmals Nummer Eins waren und wirklich eine einschlägige Vergangenheit hatten) werden auch durch alle Altersklassen gehört und hinterlassen zunehmend eine Lücke, die irgendwie gefüllt werden will. 




5 Kommentare :

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