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Sonntag, 8. Februar 2015
Hattrick in Meckpomm
Seien Sie bloß vorsichtig! Sie alle. Rufen Sie diese Seite bitte nicht auf, wenn Sie nicht genau wissen, was Sie tun. Hier werden nämlich manchmal Dinge veröffentlicht, die einem woanders in den Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz bringen können.
In Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel, jenem Bundesland, das nicht nur den längsten Namen von allen hat, sondern auch dafür bekannt ist, neben schönen Ecken an der Küste ziemlich viel Gegend mit derart niedriger Menschenbesatzdichte zu haben, dass saufen dort zur Wissenschaft wird. Jetzt hat das sympathische Ländchen an der Ostseeküste eine weitere Attraktion zu bieten: Nirgendwo anders ist es einfacher, in den wachsamen Blick der Verfassungsschützer zu geraten.
Die Deutschpunk-Band Feine Sahne Fischfilet (FSF) hat es geschafft, nach 2011 und 2012 zum dritten Mal in Folge im Bericht des Landesverfassungsschutzes vorzukommen und als politische Vereinigung geführt zu werden. Musikalisch ist FSF eigentlich nicht so meins, aber was es zu hören gibt, ist durchaus nett und für die Szene keineswegs ungewöhnlich. Außerdem ist der Name mir als Freund guten Essens sympathisch. Sie sind Antifaschisten, wofür es, wie man so hört, in ihren heimatlichen Gefilden durchaus gute Gründe gibt. Gerade dort soll das braune Pack sich ja vermehren wie die Karnickel.
Unterzieht man sich der Mühe, in den Berichten nachzulesen, was diese Schlimmfinger so Übles auf dem Kerbholz haben, dann wundert man sich, wie in Deutschland jemals etwas wie 'Ton Steine Scherben' möglich sein konnte, ohne dass die Truppe sofort hopsgenommen wurde. In der Tat räumt 'Feine Sahne Fischfilet' ein, früher Aussagen gemacht und Texte geschrieben zu haben, die sie heute bereuen und von denen sie sich selbstverständlich distanzieren. Aber so was ist in Deutschland für eine Band doch eigentlich noch nie ein Problem gewesen, oder?
Langsam aber sicher komme ich ja in ein Alter, in dem mann nachts schon mal raus muss und bin daher vielleicht nicht mehr ganz auf dem Laufenden über das, was die jungen Leute heute so reden und treiben. Aber zu meiner Zeit hingen an ziemlich vielen Orten, an denen Jugendliche sich trafen, ein paar rum, die überall Anarchy-Zeichen hinterließen und irgendwas von Deutschland, verrecke! faselten, ohne dass das jemanden groß interessiert oder gar gestört hätte. So lange solche Leute ihren Reden keine Taten folgen ließen, was normalerweise der Fall war, wurde das abgebucht unter alterstypische Flausen im Kopf.
Der Gipfel der Dreistigkeit jedoch kommt noch, denn: "Letztlich nutzt die Gruppe ihre musikalische Bekanntheit dafür, Fans zu beeinflussen und szenerelevanten Veranstaltungen einen breiteren Zulauf zu verschaffen." Nein, wirklich? Sie wagen es, ihre Fans zu beeinflussen und Aufmerksamkeit für andere Veranstaltungen zu generieren? Da hört sich doch alles auf! Diese hinterhältigen Schweine aber auch! Aber was soll man auch erwarten von einer Truppe, die derart offen zur Gewalt aufruft:
"Wenn irgendein Nazi, der sich bewusst für ein menschenverachtendes Weltbild entschieden hat und deren Ideologie im Endeffekt immer Gewalt gegen die ‚Schwachen‘ der Gesellschaft bedeutet, eine auf die Fresse bekommt, werde ich mich nicht hinstellen und sagen, 'Das ist aber schlimm'." (Verfassungsschutzbericht 2012, S. 59)
Ja ja, die Unfähigkeit zu trauern. Es ist ein Elend. Meinetwegen kann man so gandhimäßig drauf sein, eine solche Aussage problematisch zu finden, aber wo da genau ein offener Aufruf zur Gewalt versteckt ist, erschließt sich mir denn doch nicht so ganz. Jetzt mal Spaß beiseite, obwohl die zitierten Berichte sehr wohl dazu einladen.
Ich kann ja irgendwie verstehen, dass Verfassungsschützer ein Auge haben auf Leute, die hier und da verkünden, dieser Staat gehöre abgeschafft und hochwichtige Berichte darüber verbrutzeln. Ist ihr Job, da kriegen die Geld für. Man kann aber schon fragen, ob und inwieweit es verhältnismäßig ist, einer sechsköpfigen Band, die gerade dabei ist, eine gewisse überregionale Bekanntheit zu erlangen, zum dritten Mal in Folge ein eigenes Kapitel im Verfassungsschutzbericht zu widmen, das mehr als zwei Prozent des Gesamttextes ausmacht. Zumal man noch bedenken sollte, dass Musikbands tendenziell keine Geheimorganisationen sind, ja, dass es ja gerade der Trick bei einer Band ist, eher im Lichte der Öffentlichkeit zu agieren denn im Verborgenen.
Man kann also leicht in fröhliches Herumspekulieren geraten darüber, was wohl die Gründe sein könnten, warum man sich beim Dienst so sehr auf diese Band kapriziert. Ich bin zu insgesamt fünf Schlüssen gekommen:
Erstens: In Mecklenburg-Vorpommern ist tatsächlich so wenig los, dass man eine Deutschpunk-Band, die sich nicht mehr und nicht weniger als branchentypisch gibt, zur ernsten Bedrohung für die innere Sicherheit und die der Bevölkerung aufblasen muss.
Zweitens: Jemand in dieser Behörde trägt da eine persönliche Sache aus.
Drittens: Beim Verfassungsschutz des Landes Mecklenburg-Vorpommern sitzen in Wahrheit große Fans von FSF. So viel kostenlose Publicity und so viel Credibility bei den Fans ist sonst mit Geld nicht zu bezahlen.
Viertens: Im Bericht von 2012 werden FSF zitiert mit: "Für staatstragenden Antifaschismus stehen wir natürlich nicht." Und nun ist man beim Amt bitter enttäuscht, dass die Jungs nicht mitmachen wollen, wenn graue Menschen in grauen Sachen graue Reden halten: "Menschenverachtende Ideologie, "aus der Geschichte lernen", "gerade wir als Deutsche", "weltoffen", "Vielfalt", "Bullshit Bingo!".
Fünftens und letztens: Die Schlapphüte von Schwerin bewegen sich in einer gewissen Tradition im deutschen Staatswesen, die sich seit den 1920ern durchaus mit Zahlen belegen lässt: Die Neigung, einerseits alles, was auch nur entfernt nach etwas zu weit links aussieht, zur existenziellen Bedrohung aufzublasen und mit ganzer Härte des Gesetzes zu reagieren, Gewalt von rechts hingegen zu bloßen Dummejungenstreichen zu verharmlosen, auch dann, wenn sie tödlich endet.
Ich will das alles auch gar nicht zu sehr bewerten. Vielleicht fehlen mir ja streng geheime Hintergrundinformationen, wie sie nur Geheimdienste haben. Zwei Dinge weiß ich aber genau: Dass 'Feine Sahne Fischfilet' sich in nichts unterscheiden von etlichen anderen Bands, die aber deutlich weniger im Fokus der Dienste sind. Und dass mir irgendwie weniger unwohl wäre, wenn Rechtsrock-Bands vom platten Land mit ähnlicher Akribie beobachtet würden.
5 Kommentare:
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"Vielleicht fehlen mir ja streng geheime Hintergrundinformationen, wie sie nur Geheimdienste haben."
AntwortenLöschenBei diesem Satz wird mir ja echt mulmig, denn dieser Gedanke ist ja schon zum Rettungsanker dieser Tage geworden. Egal ob es um Punkbands in MeckPomm oder Atomfabriken in Syrien geht, immer und immer wieder hauen Geheimdienste Dinge raus, die bei näherer Betrachtung keinerlei Sinn ergeben. Und immer wieder denkt man sich, diese Geheimdienste, die haben bestimmt noch viel mehr Insiderinformationen, die sie uns nicht sagen können, mit denen das alles aber dann doch einen Sinn ergibt. Vertrauen wir ihnen mal. Womöglich haben sie die aber gar nicht, erzählen tatsächlich nur Bockmist und verstecken ihre Ahnungslosigkeit und Manipulation nur hinter einer Aura aus Top Secret und Professionalität...
Die haben sicher noch ein paar hochkarätige Satellitenbilder im Ärmel...
LöschenBestimmt! Das Praktische an Satelliten ist ja, irgendwann müssen die wohl oder übel auch mal die vorpommer'sche Einöde überfliegen, kann man gar nix machen. Und bevor man die Kameras gar nicht erst einschaltet…? Man kann sich also durchaus auf die verschwommenen Google-Earth-Bilder freuen mit den bekannten Pfeilchen drin: "<- Stage", "<- Possible support vehicle", "<- Terrorist Fish Filet (??)"
Löschen:D
Satelliten gingen ja noch (ich möchte ja nicht wissen, wie viele Spanner wohl bei den Stellen sitzen, wo man Zugriff auf das Material hat). So lange keine mit Hellfire-Raketen bewaffneten Drohnen folgen...
LöschenSehe ich auch so. Allerdings gehen bewaffnete Drohnen sicher beim besten Willen nicht mehr als Insiderinformation durch...
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