Montag, 13. April 2015

Aus der Welt der Wirtschaft


Endlich mal eine gute Nachricht für die noch junge Branche der Mindestlohn-Panikmacher. Bislang wollte ja auch nach 100 Tagen Mindestlohn keine ihrer Schreckensvisionen so recht eintreffen und von großen Jobverlusten ist bislang nicht viel zu spüren. Vielleicht zahlen viele Leute sogar brav etwas mehr für den Haarschnitt oder akzeptieren moderate Preiserhöhungen im Restaurant, wenn sie nicht das Gefühl haben, dreist über den Leisten gezogen zu werden. Jetzt aber könnte es doch noch knüppeldicke kommen, denn: Der Spargel wird teurer! Und da muss der Spaß sich doch endlich mal aufhören. Denn frischer Spargel aus der Region während der Saison hat in Deutschland mittlerweile fast schon Menschenrechtsrang.

Wird der konventionell angebaute nämlich teurer (denen, die demeterbiolandmäßig gestreichelten kaufen, ist das weitgehend egal), dann ist das eine ähnliche Katastrophe, als kostete die Maß auf dem Oktoberfest jetzt 20 Euro oder als würde man einem sächsischen Pegida-Mitorganisator einfach so ein Asylbewerberheim aufs Nachbargrundstück setzen. Überlegen wir doch mal: Was für einen Sinn sollte es denn sonst haben, Rumänien und Bulgarien in die EU aufzunehmen, dann aber per Mindestlohn zu verhindern, dass die von dort importierten Arbeitssklaven auch angemessene Löhne bekommen? Man stelle sich vor, am Ende kommen noch die Zerleger in den Fleischfabriken auf den Trichter, 8,50 € haben zu wollen. Pro Stunde!

Wie gut, dass ich mir kaum was aus Spargel mache.

Ähnliche Unbill wie der Mindestlohn sollte, wir erinnern uns, auch der vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) mit schönster Regelmäßigkeit prognostizierte Fachkräftemangel über Die Deutsche WirtschaftTM bringen. 220.000 Absolventen sollten schon 2014 allein in MINT-Fächern fehlen, so wurde 2009 vom IW geweissagt. Vor dem geistigen Auge erschienen schon honorige Firmenchefs, die verzweifelt die Fußgängerzonen und Arbeitsagenturen des Landes abklapperten und Plakate hochhielten: 'SUCHE INGENIEURE U. TECHNIKER - ZAHLE JEDES GEHALT!'

Nachdem solche herzzerreißenden Szenen so weit ausgeblieben sind und die Schwarzmalerei vom Fachkräftemangel schon bald, nachdem sie lanciert wurde, von halbwegs unabhängigen Quellen schon seit Jahren als billige Propagandamasche entlarvt  worden ist, sind jetzt endlich auch die Investigativfüchse aus Hamburg auf den Trichter gekommen, dass da was nicht so ganz stimmen kann. Außerdem wäre, wenn an dem Gesetz von Angebot und Nachfrage was dran ist und der Bedarf tatsächlich so hoch gewesen wäre, eine Entwicklung bei den Gehältern sichtbar sein müssen.

Warum immer noch auf der Nummer herumgeritten wird (nachdem die letzte Prognose ihm gerade mit Pauken und Trompeten um die Ohren geflogen ist, legt das IW gleich mal nach und prophezeit für das Jahr 2029 einen noch viel dramatischeren Fachkräftemangel), ist eigentlich logisch: Löhne unter Druck halten. Mit diesem Alarmismus animiert man junge Leute, ein naturwissenschaftlich-technisches Fach zu studieren und schafft so künstlich ein Überangebot an potenziellen Arbeitskräften, womit sich dann die Löhne und Gehälter weiterhin niedrig halten lassen.

Es ist doch immer wieder faszinierend. In so ziemlich allen wissenschaftlichen Disziplinen machte sich sehr schnell unmöglich und wäre bald untendurch, wer alle Nase lang wilde Prognosen und Spökenkiekereien raushauen würde, die sich regelmäßig als haltlos erweisen. Nur die Zunft der Ökonomen scheint da die große Ausnahme zu sein, und zwar durchweg. Wir reden hier ja nicht nur von Auftragsschreiberlingen, die gefinkelte Gutachten für Propagandakampagnen verzapfen. Nein, auch die Orakeleien der so genannten Wirtschaftsweisen, die einmal im Jahr der Bundesregierung die Karten legen, sollen, einer unbestätigten Legende zufolge, noch nicht ein einziges Mal gestimmt haben. Doch Obacht:

"Den Fachkräftemangel pauschal zur Schimäre zu erklären, wäre überzogen. Industrie und mittelständische Technikfirmen plagen reale Nachwuchssorgen - jedenfalls in manchen Branchen und Regionen."

Nun ja, mag sein, aber war das nicht irgendwie schon immer so? Ich kann mich dunkel an Zeiten erinnern, in denen man etwa bei BMW ganz wild war auf Arbeitskräfte aus dem Ruhrgebiet und sie mit entsprechenden Kampagnen abzuwerben versuchte. Ein wenig früher, vor meiner Zeit, suchte die Montanindustrie noch händeringend Arbeitskräfte. So wurden Tag für Tag jede Menge Männer aus dem Münsterland, die in ihren Dörfern keine Arbeit hatten, mit Bussen und Sonderzügen ins Revier gekarrt.

Übrigens, liebe Industrie und mittelständische Technikfirmen (was immer das ist)! Gegen "reale Nachwuchssorgen" (was sind denn irreale?) gibt es ein altbewährtes Hausmittel. Man nennt es: Ausbilden. Da nich' für.


3 Kommentare:

  1. Also, das mit den realen Nachwuchssorgen gibt es schon. Und Ausbilden ist gut und schön, aber anscheinend finden die Unternehmer in manchen Branchen kaum Schulabgänger, die zu so einer Ausbildung fähig oder willens sind. In dem Zusammenhang wird gern das Bäckerhandwerk angeführt (unmögliche Arbeitszeiten), auch Metzger und Kellner sollen nachwuchsmäßig schlecht dastehen.

    Und schlage jetzt niemand vor, den Auszubildenden (und hinterher den Gesellen) bessere Arbeitsbedingungen oder gar höhere Löhne anzubieten, das geht ja, wie Du ausgeführt hast, gar nicht. Jammern ist wahrscheinlich einfacher.

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    1. Woran das wohl liegt. Ich tippe mal, die Jugendlichen sind nicht so doof, wie sie vom Establishment gern gemacht werden und wissen ziemlich genau, welche Sitten größtenteils in der Gastronomie bei welcher Bezahlung herrschen und dass es mit der Handwerkerromantik bei Bäckern und Metzgern außer ein paar Bio-Traditions-Premium-Anbietern bald vielerorts endgültig vorbei sein dürfte. Die kriegen auch mit, dass das meiste an Fleisch/Wurstwaren und immer mehr Backwaren über die SB-Theken der Discounter läuft...

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    2. Immer dieser *hüstel* Zynismus...

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