Samstag, 20. August 2016

Verschleierter Autoritarismus


Vor einigen Jahren unterhielt ich mich mich einer freundlichen, perfekt integrierten jungen Frau aus dem Libanon über das von einigen muslimischen Frauen getragene Kopftuch, vulgo: Hijab. Sie selbst trug keines, meinte aber, wenn sie dereinst heirate, dann würde sie selbstverständlich sofort das Kopftuch anlegen, sollte ihr Mann das von ihr verlangen. Keine Ahnung, inwieweit so eine Aussage repräsentativ ist, aber wenn das der Fall sein sollte, dann illustriert sie sehr schön, dass es bei Fragen um Hijab/Niqab/Tschador/Burka etc. vielleicht weniger um Religionspraxis geht, sondern eher um religiös verbrämte Kontrolle weiblicher Sexualität. Patriarchat in hart.

Keine Frage, gläubisch motivierte, geschlechtsspezifische Totalvermummung, vulgo: Burka et al., kann eine Provokation sein, auch und vielleicht gerade für Linke. Wirft das doch die fiese Frage auf, wie viel Freiheit zur Unfreiheit eine Gesellschaft zu tolerieren bereit ist. Die betreffenden Frauen werden ja, wann immer man sie darauf anspricht, so sie überhaupt etwas sagen, mit der Zuverlässigkeit von Schweizer Uhrwerken sagen, sie hätten sich aus völlig freien Stücken für ihre Vollverspoilerung entschieden, niemand habe sie dazu gezwungen. Im Gegenteil, sich den gierigen Blicken der Männer zu entziehen, bedeute für sie ein Stück Freiheit. Und dann steht man blöd da und guckt sparsam als liberaler, aufgeklärter Westler, der doch angetreten ist, die Rechte jedes und jeder einzelnen auf freie Entscheidung zu verteidigen.

Die gute Nachricht ist aber, dass es sich dabei keineswegs um ein Massen-, sondern allenfalls um ein Randphänomen handelt. Es sieht schlichtweg nicht danach aus, dass an den maßlosen Untergangsvisionen diverser Besorgter etwas dran ist und in absehbarer Zeit Frauen in Tschador und Burka in Kohortenstärke unsere Innenstädte entern könnten.

Die meisten Vollverschleierten, insgesamt waren es vielleicht zehn, habe ich in Europa während der letzten Jahre an zwei Orten gesehen: In einem erheblich muslimisch geprägten Viertel im Norden Londons und in Salzburg. Ja, richtig gelesen, im feinen Salzburg. Und zwar nicht im Problemviertel, sondern downtown, wo's exklusiv und teuer ist. Dort steigen inzwischen viele schwer reiche Familien aus dem nahen und mittleren Osten ab, unter anderem, um sich in einer der zahlreichen diskreten Privatkliniken der Gegend behandeln zu lassen. Und dann geht’s zum shoppen. Unter den Gewändern blitzten teils sauteure Schuhe hervor und an den Händen der Damen funkelte massivgüldenes Geschmeide mit dicken Klunkern. Ich könnte wetten, dass wer da Verbote fordert, sich anhören muss, das sei vielleicht ein ungewohnter Anblick, aber man könne doch bittschön derart zahlungskräftige Kundschaft nicht verprellen und somit Kaufkraft vergraulen, man müsse auch an die Arbeitsplätze denken. Es ist halt alles immer auch ein Klassenphänomen.

Die momentanen Forderungen der Unionsritter nach einem Verbot von Burkas sind ja unter anderem deshalb so lustig, weil es immer wieder herzig ist, wie noch die Stockkonservativsten schlagartig zu glühenden Feministen mutieren, wenn's gerade opportun ist. Natürlich sind sie bei der CDU nicht gar so doof und wissen, dass solcherlei Vermummung bei der geltenden Rechtslage nur schwer zu verbieten sein wird. Man weiß, dass ein Burkaverbot ein Eingriff in die Religionsfreiheit wäre, der höchstwahrscheinlich vom Verfassungsgericht gleich wieder kassiert würde. Sie wissen natürlich, "sie müssten […] auch in schmutzige Nischen des Christentums leuchten, in denen das Bibelzitat, die Frau sei dem Manne untertan, wörtlich genommen wird." (Ulrich Schulte) Und wer so genannte 'Burkinis' in Schwimmbädern aus hygienischen Gründen verbieten will, muss dann eben auch den Arsch in der Hose haben, Triathleten ihre Ganzkörperkondome zu untersagen, möchte man ergänzen.

Sagen wir's doch offen: Diese Vorschläge werden einzig und allein deswegen aufs Tapet gehoben, weil die Union durch die AfD, die seit Monaten mit der Bangemachplatte vom Islam in Endlosschleife auf Tour ist, von rechts unter Druck geraten ist und ihr wieder einmal nichts besseres einfällt, als deren Spielchen mitzuspielen. Nicht zuletzt, weil immer mehr besorgte Michel zunehmend auf strengen Staat und auf Verbote abzufahren scheinen. So lange sie immer nur schön die anderen treffen, versteht sich. Und weil das möglicherweise nicht wenigen in der politischen Klasse gar nicht mal unwillkommen ist.

Also konstruiert man Situationen und Gefährdungen, in denen ein Verbot Sinn machen könnte. Beim Autofahren etwa. Oder wenn eine Burkaträgerin im öffentlichen Dienst arbeiten will. Dumm nur, dass in Milieus, in denen Frauen Burkas übergezogen werden bzw. sie sich diese freiwillig überziehen, meines Wissens nach meist auch die Ansicht vorherrscht, dass Frauen überhaupt nicht Auto fahren und auch keiner Erwerbsarbeit nachgehen dürfen. Zumal sich eh die Frage stellt, was ein Verbot bringen würde. Die Betreffenden "mit Geldstrafen zu belegen, gibt ihnen weder ihre Persönlichkeit zurück, noch fördert es ihre Integration. Am ehesten dienen ihnen die Bußgelder als Beweis ihrer Standfestigkeit. Und vielleicht verschafft eine Bestrafung Teilen der Mehrheitsgesellschaft Befriedigung." (Robert Treichler, der mir die wunderbare Überschrift 'Schleiertänze' weggeschnappt hat.)

Genau da scheint der Hase im Pfeffer zu liegen. Weit beunruhigender als ein paar Verschleierte erscheint mir die immer stärker grassierende Staatsgläubigkeit. Dass schon der Gedanke, mündige Bürger könnten ihre Dinge im Rahmen der Gesetze auch mal ganz ohne Gängelung von oben regeln, kaum noch auftaucht im Diskurs. Dieser fiese Trend, wegen jeder kleinsten Behelligung von Papa Staat zu verlangen, gefälligst stante pede Gesetze zu erlassen. Ich weiß nicht, wie das heute ist, aber wer früher in Schule und Kindergarten andauernd zum Lehrer bzw. zu den Erzieherinnen rannte, petzte und nach Strafe für den Übeltäter rief, war ziemlich schnell unten durch. Wer so was nötig hatte, demonstrierte nämlich keineswegs Stärke oder gar Selbstbewusstsein, sondern Unsicherheit und Feigheit. Und so was riechen Schlägertypen wie der Schweißhund die Blutspur. Im Erwachsenenalter scheinen das viele höchst erfolgreich verdrängt zu haben.

Nein, man muss keineswegs alles mitmachen und der Möglichkeiten sind viele. Ich finde es zum Beispiel sehr wohl inakzeptabel, wenn, wie jüngst geschehen, ein Imam sich aus religiösen Gründen weigert, der Lehrerin seines Sohnes die Hand zu geben, weil sie eine Frau ist. Muss man aber in so einem Fall gleich das ganz große Rad drehen, den Untergang des Abendlandes verkünden und nach dem Staat rufen? Was spricht dagegen, dem frommen Vorbeter mitzuteilen, er habe selbstverständlich weiterhin das Recht, über die schulische Entwicklung seiner Kinder informiert zu werden, möge in Zukunft aber, um nicht unnötig in Verlegenheit zu geraten, von persönlichem Vorsprechen absehen und das nur noch telefonisch oder per Mail erledigen? Wäre das diskrimierend, rassistisch gar? Keine Spur. Wer sich mit seinem Verhalten wissentlich ins Abseits stellt, kann das gern tun, muss dann aber auch mit den Konsequenzen klarkommen. Wo liegt das Problem?



3 Kommentare:

  1. Ganz ehrlich – ich weiß nicht, ob ich dafür oder dagegen sein sollte. Einerseits widert mich der Islam an (von Herzen). Andererseits machst du mit Verboten Dumme nicht klug.

    Ideal wäre, wenn die Moslem-Damen unisono die Dinger abnehmen und in der Luft zerreißen. (Ich darf ja wohl mal träumen.)

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    1. Passend zum Thema: Zehn Noten zur Burka. Habe meine Meinung von „unbestimmt“ auf „bestimmt“ geändert.

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  2. Sehr gut geschriebener Text.

    Die Dinge beim Namen genannt, gesellschaftliche, soziale Strömungen und politische Profiteure fein examiniert.

    Die vorhandene und gelebte, keinesfalls mehr latente, Intoleranz dieser kaputt gemachten "Gesellschaft" bloß gestellt.

    Keine Burkhas mögen, aber auch über den jahrelangen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugedlichen durch Priester schweigen, bzw. diese Verbrechen gar nicht mehr auf dem Schirm habend.

    Die damit verbundene standhafte Weigerung von katholischen Kirchenfürsten, hier mit allem was dazu gehört aufzuarbeiten, als nicht weiter skandalös zu empfinden. Burkhas und Muezzine schon. Zweierlei Maß.

    Ein Ergebnis der gewollten und herbeigeführten Überforderung der Menschen.

    Gelenkte Feindbilder, die von den wahren Tätern erfolgeich ablenkt.

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