Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
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Samstag, 18. März 2017
Ist Heidis nomen omen?
Gleichermaßen faszinierend wie erschreckend, wie einen so ein Smartphone, dessen Display vorgestern morgen spontan und sehr überraschend entschied, den Dienst zu quittieren und die schnelle Anschaffung, vor allem aber das Einrichten eines neuen Geräts einen in Beschlag nehmen können. Erst recht, wenn man wie ich in grenzenloser Starrköpfigkeit entschieden hat, dass Google nicht allzuviele Daten bekommen sollte. Ich sag mal so: Es geht, das Migrieren. Vieles ist von Hand machbar. Aber man muss sich schon arg reinfuchsen und sollte sich nichts weiter vornehmen. Migrieren aber ist das Stichwort. Eigentlich wollte ich schon vorgestern etwas zu Frau Hetzer geschrieben haben. Komme aus genannten Gründen aber erst heute dazu.
Wir wollen nicht unfair sein. Möglicherweise ist die rüstige 79jährige, die gerade von einer Weltumrundung in einem Oldtimer zurück gekehrt ist, ja gar keine Rassistin, obwohl sie da redete wie eine. Ich will ich da nichts unterstellen. Und, ja, ich will ihr zugestehen, dass sie im Morgenmagazin deshalb meinte, in Südafrika klauten die Schwarzen alles, was nicht niet- und nagelfest sei, weil vielleicht der Schreck bei noch nachwirkte, dass ihr dort sowohl das Navi als auch ein Schmuckanhänger gestohlen wurden. Letzterer wurde ihr angeblich auf offener Straße vom Hals gerissen. Aus Erfahrung weiß ich, was für Gedanken man kriegen kann, wenn einem mehrfach Dinge gestohlen werden, an denen man hängt.
Ich mag das daher, wie gesagt, nicht beurteilen. Es gibt Schlimmeres, als wenn eine Oma, die sich einen Herzenswunsch erfüllt hat und gerade von einer langen, strapaziösen Reise zurück ist, so redet, gar keine Frage. Peinlich und ermüdend, beim kleinsten verbalen Ausrutscher reflexhaft hochzugehen wie ein HB-Männchen und "Rassismus! Rassismus!" zu blöken und auf Weltuntergang zu machen. Wir reden alle zuweilen Müll und haben in der Regel das Glück, dass gerade keine Kamera in der Nähe ist. Wenn, ja wenn Hetzers Gerede nicht so wie Arsch auf Eimer zu diesem Wird-man-ja-wohl-sagen-Diskurs passen würde, den wir seit einiger Zeit zu ertragen haben. Ihre Bemerkung von der ortstypischen Neigung zu Klauen, die ihr dort begegnet sei, erinnerte mich aber an etwas.
"Ein echter deutscher Mann mag keine Franzen leiden, / Doch ihre Weine trinkt er gern." (J.W. Goethe, Faust I)
Erinnern Sie sich noch? Bis in die Achtziger, Neunziger, vor der AsylantenflutTM, da musste man sich ja vor den Italienern in Acht nehmen. Die klauten wie die Raben und machten sich an blonde Deutsche Fräuleins heran. Das war quasi Common sense. Kulminiert ist das im Film 'Man spricht deutsh', in dem Gerhard Polt alias Erwin Löffler kennerisch anmerkte, der Italiener, das sei eben a ganz a andere Rass'.
Für Italien galt damals: Holzauge sei wachsam. Als ich in den Achtzigern und frühen Neunzigern ein paar Mal in Rom war, wurde ich vorher von Leuten, die sich auskannten gründlich gebrieft. Taschendiebe und Kriminalität überall. Je weiter südlich, desto schlimmer. Rom sei ein übles Pflaster, hieß es, die Steigerung sei Neapel, die Krönung Palermo. Keine Umhängetaschen oder Brustbeutel, immer nur kleine Bargeldbeträge einstecken, Ausweis nur als Kopie, das Original an einem sicheren Ort. Und in der Tat, als wir damals durchs abendliche Rom streiften, da wurde ich als behütetes Provinzkind zum ersten mal mit Dingen konfrontiert, die ich in dieser Offenheit nur aus dem Fernsehen, dem damals noch regelmäßig gelesenen 'Spiegel' und von Hörensagen kannte.
Ich wurde Zeuge, wie auf der Piazza Navona ein Rollerfahrer einer Frau die Handtasche entriss. Wie in einer stillen Ecke neben der Spanischen Treppe eine junge, zerstört aussehende Frau, vielleicht Junkie, von einem brutalen Kerl angegangen wurde und wie ich dieses unbedingte Gefühl hatte, dass es gesünder war, das geflissentlich zu ignorieren. Ich sah aus der Nähe, live und in Farbe, wie wenig zimperlich Carabinieri bei einer Razzia sein können. Zum ersten Mal nahm ich auch bewusst Armut wahr. Die gottverlassenen, heruntergekommenen Dörfer, durch die wir auf dem Weg nach Pompeji fuhren. Und richtige Slums. Menschen, die neben der Stadtautobahn in Provisorien aus Wellblech und Brettern kampierten. Im Dreck lebten. Nicht ein paar, sondern viele hundert mochten es gewesen sein. Ein fieser Verdacht keimte seinerzeit in mir auf. Könnte es sein, so dachte ich, dass Kriminalität nicht ethnisch bedingt, sondern eine Frage von Armut und Reichtum ist?
Nein, so erklärten mir damals erwachsen und vernünftig sich schimpfende Leute, wenn, dann sei er an der Armut selber schuld, der Itacker, man müsse sich doch nur einmal ansehen, was für ein selbst verschuldetes wirtschaftliches Chaos dort am Start sei. Haha, allein, die Autos, die die bauten! Und die Inflatiooon! Und die Korruptiooon! Alles kein Vergleich mit der von überkorrekten teutonischen Superarbeitern und Organisationsgenies bevölkerten deutschen Superwirtschaft. Da hatter keine Chance, der Italiener mit seinem notorischen Hang zum Dolce Vita (und zur Feigheit, wie schon Opa aus dem Krieg zu berichten wusste), so isser halt.
'Identitär', so nennen zeitgemäße Rassisten sich heute. Sie haben nämlich begriffen, dass von Rasse zu bramabasieren einen als Diskussionspartner eher unsexy macht und schwafeln statt dessen lieber, unverfänglicher klingend, von kultureller Prägung. Die einen ein für allemal mit einem bestimmten, unveränderbaren Mindset chippt. Einmal Muslim, immer Muslim, einmal Schwatter, immer Schwatter mit allem was dazu gehört, machste nix. Daher sollen alle lieber dort bleiben, wo sie angeblich hingehören und nicht hier angeschissen kommen, von wegen inkompatibel. Soso. Seltsam nur, dass mir scheinen will, als habe der Italiener seine Weltmarktführerschaft im Bereich organisierte Kriminalität zwar behalten, sie in den Disziplinen Kleinkriminalität und Blondinenbegrapschen in letzter Zeit aber an Nordafrikaner und Levantiner abgeben müssen.
Also, ist nomen omen und Heidi eine Hetzerin? Keine Ahnung. Eines aber scheint sicher: Ändern tut sich nicht allzu viel. Nur verschieben. Und von den Eigenschaften, die den Beigetretenen aus Fünfneuland damals zugeschrieben wurden, habe ich noch gar nicht angefangen. Da konnte jeder Italiener mal glatt einpacken.
1 Kommentar:
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Mir aus meinem schmutzigen Herzen und meiner noch schmutzigeren Seele geschrieben.
AntwortenLöschenIch habe mehr als 30 Jahre in Afrika, Lateinamerika und Asien beruflich verbracht und ganz sicher nicht als "Manager" eines dt. Konzerns. Seit 2004 lebe ich in SO-Asien.
Überall habe ich dieses "identitäre", damals rassistische Geschwaller mit anhören müssen. Ob von Auslandsdeutschen, Menschen aus anderen Nationen, oder von einheimischen "Eliten", nämlich immer von all denjenigen, die für die Armut und Kriminalität führend mitverantwortlich sind und waren.
Neoliberal habe ich in den 80ern zum ersten Mal in Lateinamerika erlebt. Das heißt dort nur anders. In Afrika und Asien auch.
Für mich ist es nicht mehr rätselhaft, warum humane und empathische (gewiss nicht "linke") Blogs so wenig Menschen erreichen.
Die, Achtung: Marketing-Schwurbel, "Zielgruppe" empathischer, humaner und denkender Menschen ist viel zu gering.
Ihr guter Text bietet viele Ansätze zum Nachdenken über den alltäglichen Rassismus, vor allem über den kleinbürgerlichen (kleingeistigen) Rassismus.