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Sonntag, 30. April 2017
Gehackte Trecker
Oder: Wie man Bauern in die Illegalität treibt
Morgen ist Tag der Arbeit. Wozu selbstverständlich auch Landarbeit zählt. Um zu ermessen, wie revolutionär sich in westlichen Ländern die Lebensumstände während der letzten beiden Jahrhunderte verändert haben, braucht man sich nur ein paar Zahlen anzusehen, die die Landwirtschaft betreffen. Um 1900 erzeugte ein durchschnittlicher landwirtschaftlicher Betrieb ausreichend Lebensmittel, um vier weitere Personen zu ernähren. 1950 ernährte ein Landwirt zehn, 2011 sind es 131. Arbeiteten vor 100 Jahren 38 Prozent der deutschen Bevölkerung in der Landwirtschaft, sind es in den 2010er Jahren gerade noch zwei Prozent. Wurden um 1900 von einem Hektar 18,5 Dezitonnen Weizen geerntet, ist der Ertrag zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit knapp 75 Dezitonnen etwa viermal so hoch. Aufgrund von Motorisierung, Mechanisierung, verbesserter Düngung, Einsatz von arbeitssparenden, hocheffizienten Produktionsmitteln, Optimierung von Fütterung u.a.
Daher gehört auch das idyllische Bild vom braven Landmann, der auf seinem getreuen Trecker geruhsam tuckernd seine Scholle bestellt, weitgehend der Vergangenheit an. Landwirtschaft ist heute vornehmlich Industrie. Wenn von heutigen Landmaschinen die Rede ist, geht es "... um High-Tech-Fahrzeuge, um Traktoren mit bis zu 27 Tonnen Eigengewicht, die es ermöglichen, in kurzer Zeit riesige Flächen mit höchster Präzision zu bearbeiten, es geht um moderne Mähdrescher, die pro Minute eine Tonne Getreide ernten. Um Kartoffelroder und Rübenmäuse, die so schwer sein können wie Leopardpanzer und vollgestopft sind mit Elektronik wie das Cockpit eines Flugzeugs. Während der Erntezeit fahren diese Kolosse in den wichtigsten Anbauregionen der Welt Tag und Nacht im Dauereinsatz." (Udo Pollmer)
"Ja, aber dann bist du ja ganz allein hier. Was machst du denn den ganzen Tag?" -- "Trecker fahrn!" (Otto Waalkes)
Nun ist Hightech in der Landwirtschaft nichts grundsätzlich Schlechtes. Wie auch Industrie nichts per se Böses sein muss. Industrielle Landwirtschaft hat dazu geführt, dass wir uns heute in unseren Breiten um unsere Nahrungsmittelversorgung kaum noch Sorgen machen müssen. Das Dumme ist nun: Hightech bedeutet immer auch Digitalisierung. Und Digitalisierung bedeutet heutzutage fast immer: Datenabgriff zu Nutz und Frommen des Herstellers und nicht selten zum Nachteil des Käufers. Der in Zeiten eines gaga laufenden Spätkapitalismus vielerorts längst zum bloßen Nutzungsberechtigten degradiert wurde. Und weil das so ist, kämpfen inzwischen Farmer in den USA um das Recht, ihre eigenen Fahrzeuge und Maschinen reparieren zu dürfen. Sofern sie nicht illegale Hackersoftware einsetzen. Ein schöner Blick in die Zukunft, was uns Nichtbauern in ein paar Jahren im Automobilbereich blühen dürfte. Näheres dazu kann man in diesem empfehlenswerten Artikel nachlesen.
Schönen ersten Mai!
3 Kommentare:
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Wahnsinn. Wäre nie drauf gekommen, aber es leuchtet natürlich ein. Dagegen ist ja das Hacken von Rinderherden harmloser Tüddelkram...
AntwortenLöschenUps, auch interessant - da kriegt 'Gehacktes' doch gleich eine neue Bedeutung...
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