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Mittwoch, 26. April 2017
Musikalische Jubiläen - 2017 Edition
Einmal meinte ich zu einem entsprechend veranlagten Kommilitonen, Plakate wie das mit der 'Cool Water'-Werbung von Davidoff fände ich aggressiv schwul. Er revanchierte sich, indem er meinte, als zu nicht zu meinem Unvergüngen etwas von Fury In The Slaughterhouse im Radio lief, diese Musik sei aggressiv hetero. Nun gut, so richtig traf mich das nicht, denn ich war nie wirklich ein Fan der Hannoveraner Truppe, obwohl ich sie immer irgendwie gemocht habe. Mir imponierte, als ich sie als frischgebackener Abiturient auf einem Open-Air-Konzert sah, wie professionell sie trotz ihres ebenfalls recht jugendlichen Alters zu Werke gingen. Mit Stümperei zu kokettieren, weil man ja, hihi, noch ganz am Anfang stünde, wie es damals durchaus vorkam, war ihres nicht. Bei ihnen saß jeder Einsatz präzise, knallte jedes Break auf den Punkt. Zahlendes Publikum hat ordentliche Arbeit verdient und wer's nicht hinbekommt, der muss halt zurück in den Probenraum, so schien ihr Credo zu lauten.
Obwohl, in einem Punkt, hatte der Mitstudent natürlich schon recht. Fury In The Slaughterhouse waren nie auch nur ein bisschen glamorös oder ansatzweise over the top. (Ist es zu sehr Klischee zu sagen: kein Wunder, dass er ihnen nichts abgewinnen konnte?) Definitiv nicht langweilig, aber immer solide, verlässlich wie Frikadellen mit selbst gemachtem Kartoffelsalat. Konsens, das beherrschten sie wie kaum eine andere Band.
Wenn man nämlich Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger irgendwo in Nordwestdeutschland lebte, waren Fury maximaler musikalischer Konsens, 'Time To Wonder' einer dieser Songs, bei dem auf Partys mit Tanzgelegenheit ausnahmslos alle auf die Tanzfläche drängten und gnadenlos abgingen. Egal, wer man war, Männlein, Weiblein, homo, hetero oder was auch immer, wie man rumlief, auf was für Musik man sonst stand, ob aufgebreztelte Schickis, Gothics, Dancefloortussis in Neonschlauchkleidern, Rocker, Metaller oder prinzipiell nicht tanzende Kampftrinker in Karohemden – wenn dieser Song gespielt wurde, hielt es keinen mehr und allen war egal, wie man aussah dabei. Sechs Minuten seliges Fallenlassen und kollektives Glück, Abwesenheit jeglichen Getues. Es kam vor, dass die Nummer drei Mal hintereinander gespielt wurde, am Ende alle klatschnass waren und die Feuchtigkeit an den Wänden heruntertropfte. Kitsch? Egal, einen Song der so unterschiedliche Leute so packt, muss man erstmal hinbekommen.
Fury habe ich seitdem noch einmal gesehen, zufällig wieder bei einem Open Air. 2008 gaben sie kurz vor ihrer Auflösung auf dem Waltroper Parkfest ihr drittletztes Konzert vor den beiden Abschiedskonzerten im heimatlichen Hannover. Herzwärmend. Dieses Jahr sind sie anlässlich des 30jährigen Bandjubiläums wieder einmal auf Tour, was aber keine Reunion auf Dauer werden soll. Ist okay für mich. Alles hat seine Zeit. Weil man als Nicht-Fan ja in der Regel nicht so der Albenkäufer und erst recht nicht der Komplettist ist, immerhin Gelegenheit, mir die schöne Best-Of-Compilation auf 3 CDs zuzulegen. Was soll ich sagen, 'Time To Wonder' vermag bei angemessener Lautstärke im Auto immer noch eine Wirkung zu entfalten. Das war aber nicht das einzige Comeback dieses Jahr.
Drei Bands fallen mir spontan ein, in deren Namen irgendwie Obst vorkommt. Von denen sind mir nach Tangerine Dream und The Cranberries Bananarama am drittliebsten. Und die Cranberries mit ihrem zu Tode genudelten 'Zombie' fand ich schon arg nervig. Das war, ich muss es zugeben, nicht immer so. Lag nicht allein daran, dass Tangerine Dream mir Anfang der Achtziger unbekannt waren. Ich bin mir bis heute sicher, dass die aus meiner Klasse, auf die ich eine Zeitlang ziemlich abfuhr (sie aber leider nicht auf mich), eine Zeitlang versuchte, Stil und Aussehen der Dunkelhaarigen von Bananarama zu kopieren bzw. sich davon hatte inspirieren lassen. Das mochte der Grund gewesen sein, dass ich mal zwei Mal hinguckte, wenn Videos von ihnen auf 'Formel 1' liefen und ich gern die Aufnahmetaste drückte, wenn sie vor Nena bei Mal Sondock liefen. Ich glaube, ich besaß sogar, uiuiui, die Single von 'Robert de Niro's Waiting'.
Klar, musikalisch war das, sagen wir, alles so angelegt, dass es weder bei der Produktion noch bei der Rezeption einen durchschnittlich begabten Menschen überforderte. Gesungen wurde innerhalb eines überschaubaren Tonumfangs, Mehrstimmigkeit fand so wenig statt wie die Anzahl der verwendeten Harmonien kaum je fünf überstieg, und dann handelte es sich um eher bewährte Konstellationen wie A-Dur/G-Dur/D-dur/e-moll. Wenn sie in irgendeiner Fernsehsendung auftraten, dann konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es mit ihrem Rhythmusgefühl auch nicht zum Besten stand. Sie wirkten ein wenig, als habe ihnen kurz zuvor jemand gesagt: So, Mädels, erst auftreten, dann Party, verstanden? Und jetzt raus auf die Bühne, sonst nehme ich euch den Eimer mit dem Conditioner weg.
Das ging und geht aber auch alles völlig in Ordnung. Musik muss einen irgendwie berühren, und Komplexität bzw. Virtuosität ist längst nicht alles. Obwohl absolut kein Rock 'n Roll, sprach die verstrubbelte Scheißegal-Haltung der drei mich halt auf irgendeine Weise an, und ein Song wie 'Cruel Summer' kann noch heute gute Laune machen. Dass dann aber auch so ernste Themen wie Straßenkriminalität, Drogentote oder Vergewaltigung in exakt den gleichen, lustigen Gutelaune-Pop verpackt wurden, fand ich schon damals, aller pubertären Schwärmerei zum Trotze, sehr bald, mit abklingender Pubertät nämlich, ein wenig zu Achtziger. Und dabei waren die noch nicht einmal annähernd herum.
Ich denke, im Fall dieses Comebacks werde ich mich so gerade beherrschen können. Aber man muss den drei Damen lassen, dass sie sehr gut gealtert sind.
4 Kommentare:
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Dieses Cover ist auch nicht schlecht.
AntwortenLöschenHm, kontrovers. Um ehrlich zu sein, war dieses Stock-Aitken-Waterman-Geratter damals ein echtes Feindbild für mich...
LöschenIch habe vielleicht nicht gerade auf eine Comeback der drei Damen gewartet, aber ich wäre durchaus geneigt einen ihrer Auftritte zu besuchen sofern das Ticket nicht vollkommen überteuert ist - siehe z.B. die im Winter anstehende Tour von Yello.
AntwortenLöschenLetztes Jahr habe ich sowohl The Human League als auch die Pet Shop Boys live sehen können und ich muss sagen: ich liebe eine gute Pop-Performance. Die Songs so zu spielen, dass man sie sofort aus vollem Halse mitsingen kann, dies mit einer gelungen Choreographie zu verbinden und das alles auch noch lebendig wirken zu lassen ist nicht jedem gegeben. Und einfach nur seinen Text runter nölen wie Bob Dylan ist in diesem Genre einfach nicht drin.
Kein Problem für mich, ich schrub schließlich, s.o., dass Komplexität für mich keineswegs alles ist. Wünsche viel Spaß, ist aber nur in UK zu sehen und wohl nicht ganz billig.
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