Freitag, 19. Januar 2018

Unter der Sonne nichts Neues


Momentan ist man nicht sicher, was schlimmer ist: Der Eiertanz, den die Spezialdemokratie seit der Bundestagswahl veranstaltet, oder dessen mediale Aufarbeitung. Himmel, Himmel, Himmel, was ist nur mit der SPD los, wird da mit Stauneaugen und offenen Mundes gebarmt. Schau sich einer diese Zerrissenheit an! Mei oh mei, wo kommt die denn auf einmal her? Dabei müsste eigentlich jedem mit einem Rest nichtverschüttetem Zehnteklassewissen Geschichte im Brägen doch sonnenklar sein, dass das, was die SPD da seit einiger Zeit aufführt, nichts anderes ist als gelebte Normalität seit 1914. Man ist mehrheitlich eine kleinbürgerliche Partei, die mit dem Kapital gemeinsame Sache macht und sich einen linken Flügel hält, der ein wenig stören darf, aber nicht zu sehr. Die Jusos dürfen sich bisschen ausprobieren und sich die Hörner abstoßen, für Höheres kommt nur infrage, wer irgendwann vernünftigTM wird. So wie Andrea Nahles.

Der linke Flügel erneuert sich alle paar Jahrzehnte und wenn's zu dolle kracht, der Frust über das Gebaren der roten Schlipsträger zu groß wird (Kriegskredite, NATO-Doppelbeschluss, Agenda 2010), dann wandern einige woandershin ab (USPD/KPD, Grüne, Die Linke). Andere bleiben, wie sie sagen, nach gewaltigen inneren Kämpfen in der Partei und schreiben in der bürgerlichen Presse - den 'Vorwärts' liest ja keiner mehr - tiefgründige Analysen über deren desolaten Zustand. Auch das war noch nie wirklich anders.

Was heutzutage definitiv anders ist, sind die Rahmenbedingungen, unter denen das stattfindet. Der konservative Gegner wird nicht mehr von frömmelnden Muckern beherrscht, sondern lässt über die Ehe für alle mit sich reden und hat die Wehrpflicht abgeschafft. Außerdem, und das ist weit wichtiger, war die SPD immer Kind der Industrialisierung und hatte ihre beste Zeit in der alten Bundesrepublik während des Kalten Krieges. Sozialdemokratie, das hieß nie: Produktionsmittel in Arbeiterhand, sondern: Produktionsmittel ruhig in Kapitalistenhand, das aber bitte recht freundlich, wenn's nicht zu viele Umstände macht. Auch das hat sich inzwischen weitgehend erledigt. Dummerweise heißt es längst nicht mehr: Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will, sondern: Wenn ihr alle Räder still stehen lasst, dann holen wir uns die ausfallenden Kapazitäten eben anderswo und der Mann der Arbeit guckt sparsam, bätschi! Globalisierung in a nutshell. Nicht dafür.

Anders gesagt: Die SPD ist eigentlich so wie immer, nur die Zeiten haben sich schon lange geändert. Was also soll die Aufregung?




3 Kommentare:

  1. Wohl war, man sollte der Sterbenden einen friedlichen Tod im Hospiz gönnen. Alles andere ist Voyeurismus. Aber die Sozen hatten von jeher einen großen Überfluss an falschen Freunden und einen echten Mangel an richtigen Feinden. Und selbst auf dem Sterbebett wird die SPD von diesen falschen Freunden mit idiotischen Ratschlägen zugeschissen. Auf Zeit-Online gibts dafür sogar eine Rubrik: "Idee für die Sozialdemokratie". Deprimierend!
    Deswegen ein kleiner unsentimentaler Nachruf auf die zukünftige Tote: "Sozen, 160 Jahre Politik gemacht und das Schicksal der Arbeiter mit mehr Freizeit und mehr Geld erleichtert, aber blöderweise nicht einmal darüber nachgedacht, dass Arbeiter etwas Besseres mit ihrem Leben anzufangen wissen, als 8 Stunden am Tag, 45 Jahre lang am Fließband zu stehen. Ihr habt den Menschen, die zur Arbeit gezwungen sind, ihre Hölle gemütlich eingerichtet. Aber Hölle bleibt Hölle, da hilft kein Plasmafernseher. Deswegen: danke für nichts und möget ihr in eben jener Hölle schmoren!"

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  2. Eines muss man der roten Diva, deren Ruhm längst verblichen ist, schon lassen: Sie weiß, ihre Launen in der Öffentlichkeit zu inszenieren und zu zelebrieren. Aber sie wird sich natürlich auch ein drittes Mal von Merkel ins Hexenhäuschen locken lassen. Schließlich gehören die gut 600 Delegierten zum bezahlten Kern des Unternehmens und Rebellion ist nun mal nicht Teil des Markenkerns.

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  3. Passt der Vorstand nicht zur Basis, oder passt die Basis nicht zum Vorstand?

    600 Delegierte (Hr. Bonetti beschrieb das Auswahlverfahren) werden es passend machen. Siehe CETA-Beschluss.

    Der DGB-Vorstand hat sich erwartungsgemäß auch wieder einspannen lassen. Und Glück-auf-Franze, der ewige Agendalakai hat schon mahnend schreiben lassen

    Wenn man von spd und gewerkschaften spricht, dann sollte man, um der Klarheit der eigenen Aussage willen unbedingt spezifizieren, wen man meint: die bockige Basis, bockige Jungsozen/Junggewerkschafter oder willige Vorstände.

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