Samstag, 28. April 2018

Geht nicht gibt's nicht


"Gegen eine Dummheit, die gerade in Mode ist, kommt keine Klugheit auf." (Theodor Fontane)

Es mag ein Klischee sein, aber wenn Amerikaner etwas in die Finger kriegen, dann machen sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Riesengeschäft daraus. Nicht etwa eine kleine Butze, die bescheidenen Wohlstand abwirft, nein, es muss immer gleich mindestens die Weltherrschaft sein. Als drei Amis vor ein paar Jahrzehnten herausfanden, dass Kaffee nicht zwingend eine geschmacksarme Plörre sein muss, kam Starbucks in die Welt. Und sodomisierte selbige flächendeckend mit von ausgebeuteten Hilfskräften gebrautem, in eimerartigen Einweggebinden gereichten aromatisiertem Einheitsgebräu. Hat natürlich nicht nur Nachteile. Als ich vor Jahren einmal mit einer alten, unter Laktoseintoleranz leidenden Studienfreundin flanierte und uns nach einem Kaffee war, da war die örtliche Filiale der Kaffeesiederkette die einzig gangbare Alternative. Die führte nämlich als einzige Soja- und Mandelmilch. Solange der Laden den gleichen Steuersatz löhnen würde wie der Familienbetrieb nebenan, wäre auch alles in Ordnung.

In jüngster Zeit haben Unternehmen wie Airbnb und Uber Freundschaftsdienste kapitalisiert. Haben aus "Komm, steig' ein, ich nehm' dich mit.", oder "Ihr könnt ein paar Tage meine Wohnung haben, ich bin nicht da.", ein Geschäft gemacht, das mächtigen Flurschaden anrichtet. Sharing Economy heißt das. Das bedeutet: Sieht auf den ersten Blick aus wie eine charmante Idee, macht einige wenige schwerreich und bringt dafür viele andere um ihre Existenz. 'Disruptiv' heißt das dann wiederum und wird vornehmlich von denen cool gefunden, die nicht von den Folgen betroffen sind. Wer es wagt, Kritik zu üben, wird als gestriger Bedenkenträger geschmäht, der Menschen - Schrecken aller Schrecken! - vorschreiben will, mehr für etwas zu zahlen als unbedingt nötig, ihnen den kleinen Spaß nicht gönnt. Nanny State. Buuuh! Dummerweise steckt, wie es Edith Kresta richtig anmerkt, auch in vielen Linken ein Schnäppchenjäger.

Möglich wurde Starbucks als globales Phänomen unter anderem, weil es uncool wurde, seinen Kaffee genüsslich im Café oder in einer Bar aus der Tasse einzunehmen. Den Koffeinspender unterwegs aus dem Kübel to go zu süffeln wurde zum quasi unverzichtbaren Attribut des modernen, permanent auf Hochtouren laufenden Leistungsmenschen, der vor lauter Beschäftigtsein keine Zeit mehr hat für Kaffeepausen. Auch das Reisen ist in Teilen starbuckisiert worden. Für viele ist es geradezu zum Imperativ geworden, dauernd durch die Weltgeschichte zu jetten, mögen Freizeit und Einkommen auch immer karger werden. Aber bitte nicht einfach mit dem Partybomber nach Malle/Antalya/Tunesien, zwei Wochen tagsüber am Strand braten und abends/nachts einen draufmachen - das gilt inzwischen nur noch geeignet für stumpfe feierwütige Honks. Außerdem hat diese hergebrachte Art des Tourismus bekanntlich zahlreiche schöne Küstengegenden in Betonwüsten verwandelt. Igitt.

Mithilfe der Kombination aus Billigflug und vermeintlicher Airbnb-Privatbutze dagegen lässt sich sehr schön das Bewusstsein kultivieren, kein x-beliebiger Tourist zu sein. Man kann sich dem als in Bettenburgen kaserniertes Herdentier empfundenen 08/15-Pauschaltouristen überlegen fühlen, da man ja total individuell und quasi 'privat' unterwegs ist. Man will schließlich nicht im Touristenghetto vegetieren, sondern ist irre interessiert an Land und Leuten, möchte die örtliche Kultur ganz hautnah erleben. Für Airbnb-Reisende werden schließlich keine Strände zubetoniert. Und ein Schnäppchen hat man auch gemacht. Fast fühlt sich's an wie damals, als man per Mitfahrzentrale und auf den Sofas wildfremder Leute die Welt eroberte.

Inzwischen erscheinen klassische Pauschaltouristen paradoxerweise als das deutlich kleinere Übel, so lange sie weitgehend innerhalb ihrer Strand-, Bade- und Partymeilen bleiben. Mögen wegen Airbnb keine Strände zubetoniert werden, sind schöne Landschaften und Städte bzw. die Wohnungen darin, längst zur puren Ressource geworden, die knallhart zu Geld gemacht wird. Wer in einer wohnt, darf sich darauf gefasst machen, bald Airbnb-Kunden Platz machen zu dürfen, so noch nicht geschehen. Wer glaubt, Vermieter würden irgendwo freiwillig auf die vier- bis fünffachen Einnahmen verzichten, die sich an einigen besonders begehrten Hotspots angeblich erzielen lassen, wenn man nicht mehr an herkömmliche Langzeitmieter vermietet, glaubt auch an den Weihnachtsmann.

Noch scheinen die Dämme zu halten, die viele Kommunen inzwischen gegen Uber errichtet haben und in vielen beliebten Reisezielen wächst der Widerstand gegen die Airbnb-Invasionen. Auf Mallorca haben sie sich jetzt entschieden, die "Freiheit, immer mehr Wohnungen in bester Lage zur Cash-Cow umzugestalten" (Kresta) zu beschneiden. Die Mallorquiner deswegen als tumbe, antimoderne Heimattümler zu diskreditieren, weil Verreisen für eine bestimmte Klientel jetzt etwas unbequemer wird, ist in etwa so klug wie sich fast alles von amazon et al. liefern zu lassen und sich dann darüber zu beschweren, dass in der Innenstadt die Geschäfte dichtmachen. Wenngleich alle Erfahrung sagt, dass sich etwas technisch Machbares nie wirklich verhindern lässt, so lassen die Folgen sich sehr wohl gestalten, mit Widerstand und mit Gesetzen. Geht nicht? Die Geschichte der ersten industriellen Revolution lehrt was anderes. Geht nicht gibt’s nicht.




1 Kommentar:

  1. Tja, AirBnB ist meiner Meinung nach ein äußerst zweischneidiges Thema. Da sind einerseits die (illegalen) Exzesse an angesagten Orten, wo nicht nur Wohnraum zweckentfremdet wird, sondern auch Vorschriften wie Brandschutz etc. unterlaufen werden. Außerdem werden reguläre Arbeitsverhältnisse in Hotels etc. zerstört und "Kavaliersdelikte" wie Steuerhinterziehung kommen noch oben drauf.
    Daneben gibt es aber auch viele Leute, die dort einfach regulär ihre Ferienhäuser vermarkten.
    Und....es gibt tatsächlich auch AirBnB im Sinne der ursprünglichen Idee. Da pennt man dann eine Nacht im Gäste- oder Kinderzimmer. Und das ist extrem verlockend, weil nicht nur preisgünstig, sondern tatsächlich mit Anschluss an Land und Leute. Besonders, wenn man alleine unterwegs ist, bieten sich oft höchst verblüffende und interessante Einblicke in die Lebensrealitäten fremder Menschen. Extrem hilfreich, um die Schubladen des eigenen Denkens nach ranzigen und fauligen Inhalten zu durchsuchen, die schon längst in den Mülleimer gehören.
    Aber dafür muss man Reiseführer genau andersrum lesen. Die angeblichen "Must have" Attraktionen sind exakt die Orte, die man großräumig meiden muss.
    Habe ich jetzt auf die Pauschaltouristen herab geschaut? Vielleicht, aber ich kann es nicht ändern. Und mir ist auch klar, dass die sogenannten "alternativ" Reisenden die schlimmsten Verwüstungen überhaupt anrichten, denn sie locken das Betongeld und die Urlauberströme in immer neue Gegenden und zerstören exakt das, was sie suchen.

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