Dienstag, 26. Juni 2018

Schmähkritik des Tages (19)


Heute: Ilja Behnisch über den Island-Hype bei der WM

"Es ist schick, die Wikinger aus dem Huh super zu finden. Seit der Europameisterschaft vor zwei Jahren hält die Island-Euphorie nun schon an. Die tollen Nordlichter zeigen es den großen Nationen aber eben auch mal so richtig. Ein Land mit der Einwohnerzahl Bielefelds. Und dabei sind sie noch so freundlich. Und der Trainer ist doch Zahnarzt. Und sie haben ein Feen-Ministerium. Und überhaupt sind ja 20 Prozent aller Isländer in Russland bei der WM. Lauter großartige, ganz unbedingt sympathische Geschichten aus der Fußball-Diaspora.



Leider nur ist längst passiert, was passieren musste. Was immer passiert, wenn etwas recht unerwartet und viel zu euphorisch beginnt. [...] Der Hype frisst seine Kinder, die da Begeisterung und Sympathie heißen. Das ist nicht schlimm, nervt nur trotzdem schon jetzt kolossal.

Weil es nicht mehr nur Schwärmerei darüber ist, wie toll sie doch sind, diese Isländer. Weil die Schwärmerei zum Geschäftsmodell geworden ist. Und plötzlich imitieren sie selbst auf Dorfplätzen, die mit Island so viel zu tun haben wie Bon Jovi mit Bob Dylan, das ewige Huh. Plötzlich verkleiden sich Comedians, deren letzter guter Gag war, sich selbst Comedian zu nennen, als Wikinger. Plötzlich prügelt sich auch die letzte Tröte der Kapelle ein -son an den eigenen Namen. Und wirklich schlimm: Plötzlich spielen sie auch noch alle Fußball wie die Isländer.

Deren Spielweise, bei aller Begeisterung für den Siegeszug dieses famosen Underdogs, ja vor allem eines ist: furchtbar unansehnlich. Auch wenn es eine erstaunliche Leistung ist, dass das Konzept »Alle Mann hinten rein, lang nach vorn und dann mal schauen, was geht« in der allgemeinen Wahrnehmung als »Die kämpfen so toll« aufgenommen wird, bleibt es am Ende doch ein »Alle Mann hinten rein, lang nach vorn und dann mal schauen, was geht«." (11Freunde, 22.6.2018)


Anmerkung: Nachdem die Engländer bei der EM 2016 gegen Island ausgeschieden waren, kommentierte der große Gary Lineker das mit den Worten, man sei gegen die Mannschaft eines Landes ausgeschieden, in dem es mehr aktive Vulkane als aktive Fußballer gäbe. (Weiterhin meinte er übrigens: "Scheint so, als würden wir unbedingt in jeder Hinsicht raus aus Europa wollen.") Aktuell spielen nur Hallfreðsson (Udinese Calcio) und Sigurðsson (FC Everton) bei größeren Erstligaclubs. Mehr David gegen Goliath geht kaum bei einem großen Turnier. Natürlich ist es schade um dieses isländische Team, das mit einer Leistung, mit der es sich nicht verstecken muss, nach der Vorrunde nach Hause muss.

Andererseits bringt das Betonanrühren der Isländer den Fußball weder sportlich noch taktisch weiter. Und auch der Huh!-Kult, der am heftigsten von Nicht-Isländern betrieben wird, die was vom Underdog-Charme der Insulaner abgreifen wollen, nervt, wie Herr Behnisch zu recht meint, schon gewaltig.




15 Kommentare:

  1. Isländer haben Mundgeruch, schlagen ihre Frauen und haben ein Gletscherproblem. Meine Meinung.

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  2. 11 Fussball-Millionäre dürft ihr sein, dann dürft ihr alles haben: Fussgeruch , die doppelte Staatsbürgerschaft, und sogar eine anderen Teint (allerdings nicht zu auffällig).

    Im Prinzip geht doch alles durch, wenn es nur, auch kurzfristig, den Kit für eine nationalen Identität herstellen kann.

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  3. 2:0 verloren!

    Und worauf darf ich mich jetzt einstellen? Alles wird durch den Dreck gezogen, was vorher im Überschwang der nationalen Grossartigkeit und nationalen Gefühle noch nicht einmal gedacht werden durfte?

    Dieses Bedürfnis alles in Grund und Boden zu treten, wenn es die Erwartungen nicht erfullt, das scheint mir ein deutsches Phänomen zu sein.

    Wie mit der deutschen Kanzlerin: Erst überschwenglich gefeiert, ohne kritische Distanz,so wird jetzt an ihrer Destruktion gearbeitet, ebenfalls ohne einen Hauch von kritischer Distanz.



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    1. Och, als Fußball- (nicht Deutschland-) Fan bin ich nicht unfroh. Das Ergebnis geht auch in dieser Höhe in Ordnung. Was Die MannschaftTM gezeigt hat, reicht halt nicht für einen amtierenden Weltmeister, der seinen Titel verteidigen will.
      Und jene deprimierten Schland-Zombies, die jetzt alles in die Tonne treten wollen, haben die Chance zu lernen, gute Verlierer zu sein. Von jeher ein wichtiger Teil des Spiels.

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    2. Ich geniesse jetzt einfach erst mal den Einbruch und Schmerz der Ledernationalen …
      ……………………………………...
      BREAKING NEWS!! "Seehofer, Gauland, Soeder, etc.-Treffen mit Kim Jong Un- zu Gespraechen ueber Angriff auf Sued-Korea …. "

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    3. @Troptard:
      Alles durch den Dreck zu ziehen ist eines, aber berechtigte Kritik anzuführen (Vorsicht: Grauton) ist dann doch einmal ganz was anderes.
      Wir sind verdient gegen Südkorea(!) in der Vorrunde ausgeschieden.
      Es geht bei dem Desaster unseres Russlandsauftrittes doch nicht (immer) um Häme oder Schadenfreude. Es geht auch(!) um den Auftritt dieser Nationalmannschaft. Der dann auch noch Weltmeister ist/war.

      Aber das Ausscheiden hat vielleicht mehr Vorteile als Nachteile:
      - Endlich mal wieder ein Anlass zu ein wenig mehr Bescheidenheit und Demut.
      - Endlich wird für dumpfnationale Doitsche mal wieder doitlich, nein, deutlich, dass die Deutschen nicht die Siegerrasse sind, sondern Looser.
      - Kein Autokorso mit enervierendem Hupkonzert in schwarz-rot-goldenen Farben. Schon ein Wert in sich!

      0:2 gegen Südkorea, also.

      Mann, ich muss lachen!


      -

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    4. @ Duderich,

      ich ahne, wir werden uns da nicht verstehen. Was soll das sein "berechtigte Kritik". Kritik bedarf für mich keinerlei Berechtigung. Entweder sie ist Kritik oder sie ist keine Kritik.

      Keine Kritik ist sie für mich, wenn sie nicht fähig ist, ihre eigenen Setzungen zu hinterfragen, wenn alle möglichen Experten die der deutsche Fussball so aufzubringen hat, immer wieder ausgeplaudert haben, warum die deutsche Nationalmannschaft auch dieses mal wieder Weltmeister werden wird und garniert mit Sprüchen wie: keiner traut sich gegen uns zu spielen.

      Und da ist es im Nachhinein auch nur ein Abwatschen, das Auftreten der deutschen Mannschaft zu kritisieren ( haben die Ballet getanzt?).

      Und auch die Bescheidenheit und Demut( warum ausgerechnet Demut) wird sich garantiert nicht einstellen. Ich denke das sind Eigenschaften, die passen einfach nicht ins deutsche Bewusstsein.

      Wenn der Duderich da anderer Meinung ist,gerne Beispiele dafür.

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    5. Ich meinte "berechtigte Kritik" als Gegenpol zu "alles in Grund und Boden treten".
      Was von beiden wäre es denn, wenn ich sagte, dass die Deutschen scheiße gespielt haben und berechtigterweise gegen Südkorea(!) ausgeschieden sind?

      Und ja, die Fallhöhe ist/war hoch, aber ich empfinde es auch nicht als dramatisch.
      Die Erde dreht sich weiter. It's just a game.

      Aber es soll "nur ein Abwatschen" sein, die deutsche Mannschaft zu kritisieren?
      Nur weil die DFB-Mannschaft vorher hochgejazzt wurde?
      Taugt für mich nicht als Begründung für ein generelles Kritikverbot, bzw. der Verdachtsäußerung man wollte alles in Grund und Boden treten.
      Wo fängt das "Abwatschen" an, bzw. wo hört es auf?

      Zu den Fragen bzgl. Bescheidenheit und Demut:
      Als spontanes Beispiel für (deutsche) Bescheidenheit und Demut fällt mir Brandt's Kniefall ein.
      Und nur weil das deutsche Bewusstsein inzwischen neoliberal perforiert ist, und eine Kanzlerin hat, die 'marktkonforme Demokratie' propagiert, lasse ich mir nicht weismachen, dass Brandts Kniefall 'undeutsch' gewesen sei.

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    6. "Ich geniesse jetzt einfach erst mal den Einbruch und Schmerz der Ledernationalen …
      ……………………………………..."

      Remember … Leder..ball, (extrem praezise) Luftpumpe … verdient ausgeschieden … gegen Schweden hat man nicht gewonnen, die Schweden wollten 1:8 verlieren und dann ein vezweifeltes 0:2 gegen S-Korea … das 0:1 gegen Mexico konnte noch passieren/noch nicht ganz aufgewaermt… gegen Korea weis man inzwischen, dass Mexico sich abgeschossen hat … man muss also nur irgendwie gewinnen … und das klappt halt nicht …

      Ich schau schon seit einem viertel Jahrhundert ueberhaupt kein Fussball ;-) und davor auch nicht mehr, aber einer der wenigen Gruende, warum Costa Rica heute nicht zumindest 3:0 gegen die Schweiz nach den ersten 20 Minuten fuehrte, lag an schweizer Keepers Fingerspitzen und Latte .. und dann springt ihm der letzte Ball vom Hinterkopf ins Tor … da fuehl ich mit auch wenn ich durchweg fuer die Ticos cheere und es eh fuer die Schweizer reicht. … Sports eben … sowie die Freude der S-Koreaner heute ihre Weltmeisterschaft gegen den amtierenden Weltmeister gewonnen zu haben.


      Priceless!

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    7. 'undeutsch' im Sinne von:
      "die passen einfach nicht ins deutsche Bewusstsein."

      'undeutsch' ist natürlich selbst ein Unwort.
      Was ist deutsch?

      Ich hoffe, mehr als Rassismus.

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    8. In der Vorrunde rauszufliegen ist durchaus traurig, aber alles hat auch sein Gutes – eine Chance weniger für Burying (das untendrunterdurchmogeln halb legaler Regierungsentscheidungen unter der der kritischen Öffentlichkeit).

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  4. "Kein Autokorso mit enervierendem Hupkonzert in schwarz-rot-goldenen Farben. Schon ein Wert in sich!"

    Wie wahr, wie wahr. Aber das Problem ist: irgendwer fährt ja immer und hupt stundenlang. Ich bin schon immer froh, wenn jemand gewinnt, der möglichst in der Mehrzahl auf einem anderen Kontinent lebt. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie es ist, halbwegs ausgeschlafen zu sein.

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    1. "Ich bin schon immer froh, wenn jemand gewinnt, der möglichst in der Mehrzahl auf einem anderen Kontinent lebt."

      Dann hoffen wir mal auf Russland, Mexiko, ...)
      Den Russen würde ich ihr eigenes 'Sommermärchen' gönnen, Putinversteher, der ich bin. ;-)

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