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Dienstag, 22. Januar 2019
Alles esoterischer Quark?
Ein Gastbeitrag von Gerhard Keller
Fasten? Anti Aging? Nahrungsverzicht? Entschlackungskur? Alles esoterischer Quark? Autophagie? Zellrecycling? Kannte ich bisher überhaupt nicht. Nie gehört. Erst in den letzten Jahrzehnten hat die Wissenschaft das Fasten aus der eher esoterischen Ecke in seröse schulmedizinische Forschung überführt. Der Zellbiologe Yoshinori Ōsumi hat im Jahr 2016 den Medizin-Nobelpreis für die Erforschung der Wirkung der Aphagie auf den menschlichen Organismus bekommen. Geehrt wird seine Arbeit zu Abbauprozessen in Zellen. Warum sind die so wichtig?
Seit der Existenz des Homo sapiens war der Ernährungsstatus des Menschen evolutionsbiologisch durch den permanenten Wechsel auf Hunger- und Überflussperioden geprägt. Dauernden Überfluss und ständige Verfügbarkeit bei Lebensmitteln kennen wir auf großen Teilen der Nordhalbkugel erst seit rund 60 Jahren. Bezogen auf einen 24-Stunden-Tag genießen wir diesen Luxus also erst seit den letzten 3 Sekunden der Menschheitsgeschichte. Nicht immer zu unserem Besten. So führt etwa die populäre Empfehlung von Ernährungspäpsten, fünf kleinere Mahlzeiten am Tag zu sich zu nehmen dazu, dass der Insulinspiegel permanent hoch gehalten wird. Evolutionär gesehen ist das nicht unproblematisch.
Autophagen sind sozusagen die Sondermüllabfuhr für das Zellsystem. Aktiviert werden sie immer dann, wenn dem Körper ein Mangelzustand signalisiert wird. Diesen kann man durch Fasten herstellen und durch Kaffeekonsum (schwarz, ohne Zucker) und körperliche Bewegung bzw. Sport noch beschleunigen. Studien haben gezeigt, dass für die Aktivierung ein Verzichtszeitraum von mindestens 16 Stunden erforderlich ist. Man spricht hier vom 16/8-Stunden-Fasten-Prinzip des intermittierenden Fastens, auch Intervallfasten genannt. 16 Stunden lang nichts essen, nur Wasser, Kaffee oder Tee sind erlaubt. Während der verbleibenden 8 Stunden darf dann gegessen werden. Am besten ist, wenn die 16-Stunden-Phase die Schlafphase mit einschließt.
Mein Selbstversuch läuft erst seit 3 Tagen. Ich muss gestehen, es ist alles andere als leicht, morgens auf das Frühstück zu verzichten. Erst um 12 Uhr mittags gibt es Marmeladenbrötchen und abends um 18 Uhr die letzte Mahlzeit des Tages. Effekte sollen erst nach 2 Wochen bemerkbar sein. Ich muss aber gestehen, dass ich die Gewohnheit hatte, aus Langeweile tagsüber immer wieder mal nach einem Keks oder einem Stück Schokolade zu greifen ("Was macht Ihr Zucker?" - "Oooch, der zuckt schon lange nicht mehr!"). Berufstätigen hingegen dürfte das Intervallfasten leichter fallen.
Risiken gibt es aber auch. Bei fortgeschrittenen Tumoren und Essstörungen ist von Aphagie abzuraten. Auch bei radikalem Gewichtsverlust durch Fasten in Verbindung mit Ausdauersport ohne Kohlehydratzufuhr werden die im subkutanen Bauchfett eingelagerten Schadstoffe mit ungewissen Folgen wieder an den Organismus abgegeben.
Weiterführende Informationen:
Medizinnobelpreis für den Entdecker der Autophagozytose (Ärzteblatt)
Gesund durch Fasten bei Scobel (3sat)
Dies ist ein Gastbeitrag von Gerhard Keller alias altautonomer. Es handelt sich um einen reinen Erfahrungsbericht, dessen Inhalt ich mangels Fachwissen nicht beurteilen kann. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass dieser Beitrag kein medizinischer Fachartikel ist, die Lektüre also in keiner Weise den Besuch bei einem Arzt ersetzt. Wir dürfen gespannt sein, wie der Selbstversuch weiter verläuft. Eine kontroverse Diskussion ist jedenfalls ausdrücklich erwünscht. --S.R.
5 Kommentare:
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Zwar bin ich schon gespannt auf den weiteren Verlauf des Experiments, aber auch skeptisch. Man sagt, wer tatsächlich eine todsichere Methode zur nachhaltigen (!) Gewichtsabnahme gefunden hat, sollte sich für Dezember nichts vornehmen - Nobelpreis sicher. Ōsumi hat den Nobelpreis, mal sehen. Generell gibt es viele Möglichkeiten, an Gewicht zu verlieren, und jede neue Methode verspricht endlich die Ultimative zu sein. Leider lässt der Stoffwechsel sich nach meinen Informationen, selbst wenn man seine Ernährung komplett umstellt, bei 90 über Prozent der Betroffenen nicht auf Dauer austricksen.
AntwortenLöschenHallo Altauto,
AntwortenLöschenwas jetzt so kursiert, inzwischen auch in den Qual.medien ist dieses Intervallfasten. Und da kann ich tatsächlich etwas zu beitragen, weil sich das bei mir durch Gewohnheit eingespielt hat.
Ich nehme am Tag zwei Mahlzeiten: eine gegen Mittag und dann eine gegen Abend und das bereits seit vielen Jahren. Frühstück ist mir inzwischen unbekannt. Hungergefühle zwischendurch habe ich selten.
Wie ist es dazu gekommen, dass ich mir das Frühstück im Laufe der Jahre abgewöhnt habe: Meine Herzkrankheit und der Beruf.
Mit dem morgentlichen Bluthochdruck, der Medikamenteneinnahme und dennoch fit zur Arbeit zu erscheinen verging mir immer mehr der Appetit.
Mein Gewicht interessiert mich eigentlich nicht, weil es , wenn ich mich mal wiege nur geringe Abweichungen gibt.
Ob es daran liegt, dass ich ein sog. überwiegender Rohköstler bin, mag ich nicht behaupten und soll auch keine Empfehlung sein (Fragen sie ihren Arzt oder Apotheker).
Noch ein Spruch den ich bestätigen kann: "Die schlimmsten Feinde der Frauen sind Waage und Spiegel."
Ich selbst schaue mich nur beim Rasieren an und finde mich immer noch ganz akzeptabel .
Die Gewichtsreduktion ist nicht der Kern meines Textes, sondern die Autophagozyose. Voraussetzung für ihre Aktivierung ist der Mangel an Nährstoffen.
AntwortenLöschenMehr dazu bei Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Autophagozytose#Inhibierung
@ Hallo altautonomer,
AntwortenLöschendas Thema ist natürlich für den Laien aus der wissenschaftlichen Perspektive ziemlich komplex und mir erscheint die Verbindung zu den heutigen Krankheitsbildern, wie so häufig, dann doch deutlich spekulativ zu sein.
Ohne jetzt ins Detail gehen zu wollen, weil mir dazu auch das notwendige Wissen fehlt, so gab es und gibt es wohl jetzt noch in einigen Religionen diese Zeiten des Nahrungsverzichtes zur innerlichen Reinigung und auch ziemlich genaue Ernährungsregeln, welche Tiere für den Verzehr als rein oder unrein gelten.
Das Fasten selbst ist ja nicht unbedingt etwas, was in Eigenregie und ohne kompetente Begleitung durchgeführt werden sollte und unter dem Aspekt der Gewichtsabnahme vollkommen verfehlt ist.
Das Intervallfasten hat für mich dann keinen Effekt, wenn die Ernährung dazu nicht stimmig ist. Ich bin immer noch der Meinung, dass eine weitgehend vegetarische Ernährung mit überwiegenden Anteil an Frischkost, also wenig Verkochtes, eine super Basis ist.
Um das noch einmal klar zu stellen: Ich bin kein Dogmatiker was die Ernährung betrifft. Da bin ich vollkommen bürgerlicher Liberaler: "Chacun à son Gout!"
Sorry, altautonomer, das mit dem Abnehmen war definitiv voreilig. Wäre aber interessant, das mal ärztlich zu begleiten und z.B. mal zu sehen, ob irgendwelche Blutwerte sich in positivere Richtungen entwickeln.
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