Freitag, 22. November 2019

Gesprächsangebot abgelehnt


"Aber weil jede ältere Generation neu darin ist, alt zu sein, denkt jede von ihnen, als sei es das erste Mal: Mit der Jugend geht's echt abwärts." (Matthias Lohre)

Es macht mich durchaus ein bisschen stolz, dass meine Erzeuger offenbar irgendwann verstanden haben, dass die Welt sich weitergedreht hat. Dass sie begriffen haben, dass ihre Maßstäbe und ihr Erfahrungshorizont nicht allgemeingültig sind. Sie bemühen sich fast immer zu verstehen, anstatt vorschnell zu urteilen. Vielleicht hilft es ihnen, dass sie dank frühen Einzahlens in die Rentenversicherung und guter Gesundheit ihren Lebensabend dafür nutzen können, auf Reisen ihren Horizont zu erweitern, anstatt ihn zu verengen.

Das dünkt mir keineswegs selbstverständlich. Fortschreitendes Alter bekommt nämlich längst nicht allen Menschen so gut. Überwiegend, man muss es sagen, trifft es ältere Männer. Von denen scheint ein nicht eben geringer Teil ihr fortschreitendes Alter vor allem als Lizenz zum ungebremsten Dünnpfifflabern zu betrachten. Fußend auf dem unerschütterlichen Glauben, zu allem Substanzielles beizutragen zu haben und jedem hergelaufenen Experten dank YouTube-Universität und 'Selberdenken' weit voraus zu sein.

Sehr beliebt auch: Jüngeren Leuten Vorträge darüber halten, wie schwer man‘s damals hatte und wie sie gefälligst ihr Leben zu leben haben.

"Wir sind damals 38 Kilometer durch Eis und Hagel zur Schule gelaufen und hatten auch kein Handy."
"In der mittleren Kreidezeit, wo ich aufgewachsen bin, gab es sowas noch nicht…"
"Lernt erstmal was Ordentliches."
"Geht erstmal zur Schule."
"Es herrscht Schulpflicht!"
"Leistet erstmal was."
"Werdet erstmal erwachsen."
"Wenn ihr mal so alt und weise seid wie ich, werdet ihr merken, dass das nicht geht."
"Lasst das mal die Profis machen."
"Ihr könnt nur Greta und Rezo liken und sonst nix."


Vor allem die Generation der so genannten Baby Boomer (Geburtsjahrgänge von Mitte der 1940er bis Mitte/Ende der 1960er) tut sich mit so was hervor. Studieren lässt sich das an dem Umgang älterer Generationen mit Phänomenen wie 'Fridays for Future'. Der reicht, quer durch‘s politische Spektrum, von autoritärem Gehabe bis zu zynisch-pseudoabgeklärtem Besserwissen. (Eine Steigerung sind die, die heute darauf beharren, angesichts 'Fridays for Future' gefälligst die Schulpflicht durchzusetzen, selber aber nach dem dritten Bier damit angeben, ihre halbe Schulzeit geschwänzt zu haben.)

Das ist umso pikanter, als dass die heute um die 60jährigen und drüber in (West-)Deutschland mit am wenigsten um etwas kämpfen mussten im Leben, sondern in erster Linie profitierten von dem, was andere unter den Rahmenbedingungen des Kalten Krieges bereits durchgesetzt hatten, vor allem Bildungsreform, betriebliche Mitbestimmung und Ausbau des öffentlichen Dienstes.

Nachfolgende Generationen, angefangen bei der 'Generation X' (zu der ich demographisch zu zählen bin), kennen derart sichere Verhältnisse nur mehr als stetig knapper werdende Ressource, wenn nicht gar bloß noch aus Erzählungen. Viele haben immer nur die Erfahrung gemacht, und machen sie noch heute, dass es für die meisten immer beträchtlicherer Anstrengungen bedarf, einen Lebensstandard ähnlich dem der Eltern zu erreichen. Wenn es nicht gleich völlig illusorisch ist. Und da sind schlaue Ratschläge von Älteren, es doch einfach so zu machen wie man selbst damals, eher minder hilfreich. So in der Liga von: Wer mangels Einkommen im Alter von seiner Rente nicht wird leben können, soll doch einfach in Aktien investieren.

Jetzt haben junge Leute die wohl beste Antwort gefunden für eitles, gedankenfreies paternalistisches Gebrabbel von welchen im Alter ihrer Großeltern, die ihnen mal eben die Welt erklären wollen. Sie drehen sich einfach weg und sagen: Ok Boomer. Denn sie haben etwas begriffen:

"Die schlimmste Kritik, die größte öffentliche Desavouierung einer Haltung, die heutzutage jemand erfahren kann, ist nicht Protest (Siebziger) und ausgestellte Antipose (Achtziger) oder spaßhedonistisches Überhören (Neunziger), es ist die sarkastisch gemeinte Anteilnahmslosigkeit von jemandem, der sich gar nicht erst auf eine energieraubende Diskussion einlassen will." (Samira El Ouassil)

Sie haben verstanden, dass die wichtigeren Gespräche und Diskussionen auch die sein können die man gar nicht erst führt. Und exakt diejenigen, die noch eine Nanosekunde zuvor absolut kein Problem darin sahen, jeden einzelnen ihrer Sätze zu beginnen mit "Die Jugend von heute..." und sich einen drauf runterholten, wie antiautoritär sie damals doch waren, sind auf einmal völlig pikiert. So von wegen Pauschalisierung und Altersdiskriminierung und so.

Und merken nicht, wie verdammt gut sie es noch getroffen haben mit diesen jungen Leuten. Denn die haben noch was begriffen: Dass offener Kampf gegen die alten Säcke nicht lohnt, da sie demographiebedingt eh überall in der Mehrzahl sind. Das mag nicht viel sein. Aber ein ganzer Abgrund mehr als der doofe, ironisch verbrämte Konsumerismus früherer junger Generationen.




3 Kommentare:

  1. "Wenn du nachgibst, lässt du die Energie des Gegners ins Leere laufen", heißt es in den Lebensprinzipien der Shaolin-Mönche. "Don't feed the troll", sagt man heutzutage im Internet. Es spart jede Menge Lebenszeit, wenn man auf das Gekläffe am Wegesrand nicht eingeht.

    Allerdings empfinde ich als Angehöriger der Generation X eine narzisstische Kränkung, weil die Millenials und Boomer über unsere Köpfe hinweg streiten. Hey, wir haben dieses Land wieder aufgebaut, nach der gescheiterten Einheit und dem Verlust des Fußball-WM-Titels 1994!

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    1. Ich befinde mich noch im inneren Konflikt, ob ich mich nun zur Generation X oder Golf zählen soll.

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  2. Generation Minigolf. Und wenn ich mir meinen Rentenbescheid anschaue, ab 2033 Generation Flaschenpfand.

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