Irgendwie kennt man sich ja gar nicht mehr aus. Das Händeschütteln zum Beispiel ist ja angeblich einer der Inbegriffe hiesiger Leitkultur (Thomas De Maizière 2017: "Wir geben uns die Hand."), in Dänemark wird nur noch eingebürgert, wer brav Händchen schüttelt. Und nu? Corona. Hat sich was. Berühren von Figüren mit den Pfoten ist verboten, lautet nunmehr die Devise. Geht nun das Abendland unter? Was soll nur werden ohne Händeschütteln?
Oder Griechenland. In den Augen von nicht wenigen aus dem, sagen wir, rechten Spektrum waren die Griechen vor zirka fünf Jahren ja der Inbegriff des Schmarotzertums. Haben sich von Hacht Achbeitenden Deutschen den Müßiggang finanzieren lassen, die faulen "Pleite-Griechen" (ein Narrativ, das der AfD mit zum Durchbruch verholfen hat), und sollten gefälligst sehen, wie sie selbst aus dem Schlamassel kommen. Jetzt ist das wieder anders. Jetzt überschlagen sich Ronny und Konsorten förmlich mit Jubel und Solidaritätsadressen für die tapferen Hellenen. Ganz so, als seien die Perserkriege nicht ca. 2.500 Jahre her und der eingeölte Leonidas stünde wieder mit seinen 300 eingeölten, halbnackten, dicht aneinander geschmiegten Spartanern bei den Thermopylen Schmiere. Was soll's, kohärente Argumentation war noch nie eine Stärke der rechtsradikalen Parteien, wie Franziska Schindler so richtig anmerkte.
Spaß beiseite. Es ist deprimierend, miterleben zu müssen, wie das inhumane Gehetze des verrohten Bürgertums, wiewohl Minderheitenmeinung, aus Feigheit und Liebedienerei zur Staatsdoktrin wird und jene, die sich für klitzekleine zivilisatorische Mindeststandards einsetzen, mehr und mehr in die Rolle von obstinaten Querulanten gedrängt werden. Nein, an dem, was gerade an der griechisch-türkischen Grenze passiert, ist rein gar nichts erfreulich und erst recht nichts lustig. Außer einem: Wie diese notorisch größenwahnsinnigen 'Identitären', die sich immer noch zu Rettern Europas aufplustern, abermals mit der harten Realität konfrontiert wurden. Schmerzhaft mussten sie erfahren, dass man sie auf Lesbos keineswegs als Helden und Retter bejubelte, sondern ihnen vielmehr auf die Mütze gab. Manche lernen‘s eben nicht anders.
Es gibt übrigens noch eine gute Nachricht: Sachsen-Anhalt hat jetzt eine antifaschistische Verfassung. Ein Anfang, nicht mehr.
Die Top 5 für März:
Platz 5: Närrisches Gruselkabinett
Karneval, so geht die Schnurre, sei eine im Prinzip völlig harmlose Sache, bei der Otto Normalbürger halt einmal im Jahr tüchtig die Sau rausließe und gut. Wie falsch, ja gefährlich naiv das mitunter ist, illustrieren die Beispiele, die Samira El Ouassil auf der dunklen Seite der Jeckerei zusammengetragen hat:
Aalst.
Schwulenverbrennung in Kroatien.
Holocaust-Parade in Spanien.
Identitäre beim Karneval in Schirgiswalde/Sachsen.
Reizende Idee in Erfurt.
Für die einen sind es lustige Kostüme…
... aber wenn einer wirklich dunkelhäutig ist...
"Karneval sollte in der besten aller Welten antihierarchischer Punk sein, aber deutscher Karneval ist wie ein kollektiv inszenierter Til Schweiger-Film: Er ist die Behauptung von kulturell wertvollem Klamauk, weil er ja so tolle Besucherzahlen hat." (Samira El Ouassil)
Es bleibt dabei, ich traue dem Braten nicht. Denn dies ist definitiv nicht die beste aller Welten.
Platz 4: Dass nicht sein kann…
Nazis und Rechte behaupten ja gern, Linke und überhaupt der Mainstream seien realitätsblind und verschlössen die Augen vor den wahren Problemen. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Wenn das so ist, dann haben sie da Erfahrung. In der DDR durften nämlich sie nicht sein. Nicht wirklich neu, das, kann man aber mal dran erinnern.
Platz 3: Einzelmeinungen aus der 'bürgerlichen Mitte'
Herwig und Monica Bahner sind Stadtratskandidaten für die FDP in Fürstenfeldbruck und fallen immer wieder auf, indem sie immer wieder Beiträge mit rechtsextremem, mutmaßlich volkeverhetzendem Inhalt auf Facebook gepostet und auch entsprechende Flyer in der Fußgängerzone verteilt hätten. Verena Koscica, stellvertretende FDP-Ortsvorsitzende meinte dazu, das seien Einzelmeinungen und nicht Meinung der FDP Fürstenfeldbruck. Sie sähe die Position der Bahners sehr kritisch, sowohl die Wortwahl, als auch Inhalte seien ihr fern. Aha. Nur für den Fall, dass jemand den Volksgenossen Kemmerich für Zufall gehalten hat.
Übrigens: Bei der Ausländerbehörde Ludwigshafen soll der Amtschimmel, wie zu hören, ist, ein paar bräunliche Flecken auf dem Fell haben und des Öfteren auch rassistisch gewiehert haben. Nun ja, deutsche Behörden und die Freundlichkeit, ein ewiges Thema, wie es scheint...
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Platz 2: Die Messermänner von Aachen
Fremdländische Messermänner, die in Horden hier einfallen, um harmlose Teuschte meuchlings zu messern gehören ja zu den Lieblingspopanzen gewisser Kreise. Dumm nur, wenn sich dann rausstellt, dass es auch ziemlich deutsche Messermänner gibt, die einfach so auf Frauen losgehen. Und sich dabei blutige Nasen geholt haben.
Platz 1 und Ronny des Monats geht an:
Tim K. für seinen Sieg für die Freiheit (des Musculus urethralis)
Sie wissen nicht, wer Tim K. ist? Ein paar Fakten:
"Tim K. [...] sieht aus wie jemand, der es nicht in eine richtige Rockergruppe geschafft hat und sich mit Vorliebe auf RTL2 als cholerischer Life-Coach versuchen würde. Er trägt gerne Kutten mit 1-%-Aufnähern. Seine ursprüngliche, eher unbekannte Gruppierung »Brothers MC Germany« wirft ihm jedoch vor, Biker-Kameraden durch zwielichtige Geschäftsmodelle über den Tisch gezogen zu haben.
Als Profisportler gescheitert, wollte er auch mal zum SEK, brach aber die Ausbildung ab und wurde stattdessen Kreispolizist in Lippe. Ideologisch bewegt er sich irgendwo zwischen Pegida und mittelalterlichen Germanen-Schaustellern.
Doch der in der Vergangenheit bereits wegen Förderung der Prostitution angeklagte und wegen Körperverletzung verurteilte K. hat nun endlich seine Berufung gefunden: Er ist YouTuber geworden." (Juri Sternburg)
Als solcher hat er eine stattliche Anzahl teilenthirnter Follower, die jede seiner überwiegend dümmlichen Tiraden, die argumentativ kaum je hinausreichen über "Merkel ist doof/krank/eine Verbrecherin/Volksverräterin, in Deutschland herrscht Bürgerkrieg - das ist FAKT!1!!11!", frenetisch feiern. Und Nichtmitfeiernden gern mal Gewalt androhen. Was im übrigen nur folgerichtig, ja, systemimmanent ist:
"Wie argumentationslos Rechtsradikale sind erkennt man daran, dass sie ihre Agenda mit Gewalt durchsetzen wollen und müssen. Jeder mit einem Funken Verstand und Empathie erkennt gleich, dass die Forderungen dieser Menschen Blödsinn sind." (Chris)
Eine weitere Lieblingsfeindin von ihm ist Sawsan Chebli, ihres Zeichens 'Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in der Berliner Senatskanzlei'. Letztens bezeichete er sie als "Muslimische Sprechpuppe". Und weil Frau Chebli gegen Beleidigungen juristisch vorzugehen pflegt, landete die Sache bei Gericht. Und endete mit einem Freispruch. Das feierte Tim K. als großen Sieg für die Meinungsfreiheit. Was ihn offenbar so gefreut hat (Facebook!), dass er an eine alte deutsche Tradition angeknüpft hat. Vielleicht hatte sich aber auch zur Feier des Tages nur hier eingekleidet.
Und der Ehrenronny, die Honourable mention des Monats geht dieses Mal an:
Naomi Seibt
Sie wissen nicht, wer Naomi Seibt ist? Ein paar Fakten:
- "Die junge Dame ist 19 Jahre alt, wohnt bei ihrer Mutter in Münster und schrieb ein Einser-Abitur. Danach hat sie ein Studium der Volkswirtschaftslehre begonnen, aber schnell wieder aufgegeben. Zu langweilig.
- Vor ein paar Jahren ist sie der AfD-Jugendorganisation beigetreten. Kürzlich sprach sie auf einem Empfang der Partei in Münster.
- In der amerikanischen Hauptstadt hat Seibt gerade bei der 'Conservative Political Action Conference', einem jährlichen Treffen amerikanischer Konservativer, gesprochen. Nach eigenen Angaben hat sie dort binnen zwei Tagen mehr als ein Dutzend Interviews gegeben.
- Seibt bezeichnet sich als "Klima-Realistin" und behauptet, der Einfluss der Menschen auf das Klima sei marginal.
- Rund 2000 Euro im Monat bezahle ihr die amerikanische Klimaleugner-Lobby 'Heartland Institute'". (gwup)
"In einem Spiegel TV-Beitrag wurde gesagt, sie wäre "Einser Abiturientin" und ich frage mich, in welchen Fächern diese "Einser" geschrieben wurden. Naturwissenschaftliche können es sicherlich nicht gewesen sein." (Onkel Michael)
Sagen wir es so: Wenn eine schwedische Schülerin dazu aufruft, in Sachen Klima einfach auf die Wissenschaft zu vertrauen, damit eine weltweite Bewegung lostritt, dann ist sie in der Wahrnehmung gewisser Milieus eine gestörte Göre, die gefälligst Fresse halten und zur Schule gehen soll. Überhaupt sei sie eh bloß von ihren Eltern ferngesteuert und werde ganz gewiss von einschlägigen Lobbyorganisationen fett finanziert. Was sie inhaltlich natürlich komplett diskreditiert.
Wenn aber eine Münsteraner Schülerin auf YouTube wirres Zeug redet und erzählt, das mit dem Klimawandel sei alles ein Hoax, wenn diese Schülerin, deren Mutter Gastautorin beim rechten PiPi-Blog ist (und vermutlich nie irgendeinen Einfluss auf sie ausgeübt hat) und tatsächlich bei einem umstrittenen Thinktank auf der Gehaltsliste steht -- dann ist sie eine kluge und mutige junge Frau, die sich vom linksgrünversifften Mainstream nicht den Mund verbieten lässt und für die Wahrheit kämpft.
Wer nun glaubt, die junge Dame sei nur eine von vielen, die an die Klimalüge glaubt, möge sich da nichts vormachen: Mademoseille gibt sich unschuldig und ahnungslos, pflegt aber durchaus Kontakte in die rechte Szene.
Der Werdegang von Naomi Seibt ist schon echt komisch:
AntwortenLöschenSie erreichte als Achtklässlerin im Jahr 2013 im Münsteraner Regionalwettbewerb von Jugend forscht in der Altersklasse Schüler experimentieren einen ersten Platz im Bereich Physik und zusammen mit einer Klassenkameradin einen zweiten Platz im Bereich Mathematik/Informatik.[2] 2014 gewann sie als Neuntklässlerin in der Altersklasse Schüler experimentieren den Landeswettbewerb von Jugend forscht in Nordrhein-Westfalen im Bereich Chemie.[3] Ihr Abitur legte sie im Jahr 2017 im Alter von sechzehn Jahren mit der Note 1,0 ab.
Stimmte da was mit den Jugend-forscht-Wettbewerben nicht?
Und dann entscheidet sie sich für solche (Schmalspur-)Studienfächer:
Ein Studium der Betriebswirtschaftslehre brach sie ab und begann ein Studium der Psychologie.
um dann schließlich ihre jetzige Bullshit-Tätigkeit auszuüben? Hä?
Zu viel Frühförderung ist, scheint's, auch nicht wirklich der geistigen Gesundheit dienlich.
LöschenDas ist mal wieder ein Edelronny hier. Schon Punkt 4 kann mich als jetziger Wossi begeistern. Naomi habe ich erst durch YT-Kommentare entdeckt. Eigentlich verbietet es sich unter dem Namen überhaupt etwas in die Richtung zu posten. Wie wäre es mit Kevin für den 8spurigen Ausbau der A30? Ich habe indes gelernt, dass manche Menschen ihre Sichtweise noch überdenken. Hier ist dafür Potenzial.
AntwortenLöschen"Zu viel Frühförderung ist, scheint's, auch nicht wirklich der geistigen Gesundheit dienlich."
Es muss ja auch nicht alles früh gefördert werden. Gefordert wäre da ein neuer Anreiz. ;)
Und Danke für das Stenkelfeld. Eine der besten Comedies, die es in D je gab.
AntwortenLöschenWobei die besten diese 'Doku'-Beiträge sind, die enden mit: "Menschen wie du und ich..."
LöschenUnd die Eventbetrachtungen. Als ich meinem damaligen Boss (bekennender Bluesfan) das Stenkelfelder Bluesfestival auf die Ohren gab, war der kurz vorm Ausrasten. Der sah aus, wie ein Schnellkochtopf.
LöschenDas Schützenfest ist ebenfalls ein Klassiker.
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