Dienstag, 13. Oktober 2020

Ich, gehasst

 
FB goes apokolokynthose

Lange nicht mehr feminismuskritisch unterwegs gewesen. Normalerweise halte ich mich da zurück. es steht einem alten Sack einfach besser zu Gesichte, nicht überall immer seinen Senf hinzuzugeben und nicht alles, was so als neueste Kuh mit großen Tamtam durchs Dorf getrieben wird, immer gleich verstehen zu wollen. Nicht alles zum Thema Gender o.ä. ist doof, einiges sogar bedenkenswert. Das unentspannte Getröte, oft aus meiner Alterskohorte, über 'Genderwahn', das dem Objekt des Getrötes qualitativ oft nicht nachsteht finde ich normalerweise zum Fremdschämen. Man lebt auch gut, wenn man mal die Klappe hält.

Bekomme ich aber eine Steilvorlage auf den Fuß gezirkelt wie Pauline Harmages 100seitiges Essay 'Ich hasse Männer', dann triggert‘s auch mich. Nun steht es Madame Harmage natürlich frei, Männer zu hassen (im Original 'déteste', nicht 'hair'), interessant ist, wie sie das begründet. Nehmen wir uns also ein paar, selbstredend voll aus dem Zusammenhang gerissene Kerngedanken Armages vor. (Zitate jeweils, so nicht anders verlinkt, aus Christa Dombrowskis Rezension.)

"Der vom Patriarchat produzierte Standard-Mann ist eine von Privilegien geschützte mediokre Gestalt."

Da ich einer (klein)bürgerlichen Kleinfamilie entstamme, kann ich ersteres nicht leugnen. Jawohl, ich entstamme dem Patriarchat. Das letztere hingegen ist Geschmackssache. Normalerweise komme ich mir nicht rasend interessant oder großartig vor. Eher so unterer Durchschnittstyp. Meine Ansprüche ans Leben waren mal sehr ambitioniert (Künstler, Literat, Starkolumnist, wenig Arbeit, fett Kohle, Party, um die Welt jetten, lotsa sweet girls), sind inzwischen aber eher bescheiden geworden. Wer das medioker findet, soll das meinetwegen tun.

Privilegien? Einerseits: Schwanzträger, Bleichgesicht, Kartoffel, Hete (4 Miese); andererseits: unakademische Herkunft, sichtlicher Hang zu gutem Essen (plus 2). Bleibt minus 2. Bin also privilegiert (wäre ich irgendwie trans, dunkelhäutig, schwul oder ohne deutschen Pass, wäre ichs nicht) und muss vermutlich Fresse halten. Manchmal hat man eben echt Pech im Leben.

"Er saugt die sozialen, kreativen und intellektuellen Energien von Frauen (und anderen Nicht-Männern) ab, im Privatleben, im Beruf und in der Öffentlichkeit."

Privat lebe ich allein und das meist durchaus gern. Daheim habe ich also normalerweise keine Frau zur Hand, deren soziale, kreative und intellektuelle Energien ich absaugen könnte, selbst wenn ich das wollte.

Beruflich bin ich in einer Branche unterwegs, in der Männer und Frauen streng nach Tarif gleich schlecht bezahlt werden (ich beklage mich normalerweise auch nicht darüber - Augen auf bei der Berufswahl! - nur haben mir schon Frauen gesagt, das mache mich als Mann halt auf dem Dating-Markt tendenziell eher unhot). Die meisten meiner direkten Kolleginnen sind Frauen. Ich führe kein Buch darüber, habe aber den Eindruck, weit öfter von Kolleginnen um Rat und Hilfe angegangen zu werden als dass umgekehrt ich das tue. Ist aber kein Problem, ich helfe gern.

Klar, verstehe, ich bin halt der vom Patriarchat produzierte Standard-Mann, der sich 24/7 für die irresupere Krone der Schöpfung hält und urmenschenmäßig auf dümmlichblonde Damsels in Distress anspringt. Aber warum spielen die Kolleginnen dieses Maskuscheißspiel dann mit? Nicht woke genug? Okay, aber wieso ist das mein Problem? Und wie passt das zur These vom Frauenaussaugen?

Öffentlichkeit? Nun ja, wenn das gesamte Verkaufspersonal eines Bekleidungsgeschäfts weiblich ist, wenn ich ein paar neue T-Shirts brauche, alle Beratungsplätze im Bürgerbüro voll durchfeminisiert sind, wenn ich einen neuen Ausweis brauche, was bleibt mir bei allem guten Willen anderes übrig als die kostbaren sozialen, kreativen und intellektuellen Energien einer der Damen zumindest kurz in Anspruch zu nehmen?

(Für Hilfestellung, woran ich andere "Nicht-Männer" im Alltag schnell und zuverlässig erkenne, damit ich mich ihnen gegenüber entsprechend zartfühlend benehmen kann, wäre ich zudem sehr dankbar.)

"Denkfaul, aggressiv, misogyn belastet er das Leben von Frauen."

Nun gut, alle Männer pauschal zu hassenswerten Grottenolmen zu erklären, scheint mir nun auch nicht gerade eine Meisterinnenleistung elaborierten, differenzierten Denkens zu sein, aber wir wollen nicht pingelig sein. Ist wohl auch Geschmackssache. Sollte ich das Leben einer oder mehrerer Frauen trotz gegenteiliger Bemühungen irgendwie belasten, bitte ich um kurzes Feedback, ich werde das sofort abstellen. Ich mag den Gedanken, jemandem zur Last zu fallen, nämlich überhaupt nicht.

"Und in vielen Fällen belästigt er sie auch, übt routinemäßig Gewalt gegen sie aus und tötet sie."

Meine patriarchale Prägung bringt es mit sich, dass ich Frauen zu belästigen hochgradig unzivilisiert finde (noch unzivilisierter als Menschen generell zu belästigen). Ich habe mich wissentlich einmal im Erwachsenenalter einer Frau gegenüber grob übergriffig benommen (ich war sehr betrunken) und mich Tags darauf in aller Form bei ihr entschuldigt, weil mir das ehrlich peinlich war. Gewalt gegen Frauen lehne ich strikt ab. Ich kann und mag auch nicht bestreiten, dass es Kerle gibt, die Frauen routinemäßig Gewalt antun und sie töten. Fun fact: Beides ist streng verboten (nach meinem Dafürhalten übrigens völlig zu recht) und wird mit Knast belegt.

"Jede Frau hat natürlich das Recht, sich nackt zu zeigen, ohne als Schlampe zu gelten. Das war mein Statement zu der Bewegung." (Pauline Harmange)

Keine Ahnung, wie das in Frankreich ist, aber wenn ein Mann sich hier am falschen Ort nackt zeigt, erfüllt das u.U. den Straftatbestand des Exhibitionismus (§ 183 StGB). Der einzige im ganzen deutschen Strafrecht übrigens, der exklusiv bei Männern Anwendung findet.

"Über die Unterwerfung der Frauen unter das Diktat der Heterosexualität:..."

Öhm, könnte es sein, dass es sich bei Heterosexualität nicht allein um ein patriarchales Konstrukt bzw. "Diktat" zur Unterdrückung von Frauen handelt? Sondern, sagen wir, um eine evolutionär verankerte, von vielen Praktizierenden meist als durchaus unterhaltsam empfundene sexuelle Spielart, an der angeblich auch Frauen ihren Spaß haben und die sich deswegen weitgehend als Standard durchgesetzt hat, weil sie bislang nicht unerheblich zum Erhalt der Art beigetragen hat? Just askin'.

Dass darum im Laufe der Jahrtausende vielerorts ein bigotter, moralinsaurer, schuld- und angstbesetzter, oft religiös und moralisch unterfütterter, teils gewaltsamer Komplex entstanden ist aus dem Motiv heraus, weibliche Sexualität einzuhegen (die Mutter steht schließlich immer fest und das Erbe muss in der Familie bleiben), der größtenteils noch heute besteht, ist natürlich korrekt. Aber schon auch durchschaubar inzwischen. Willkommen in der faszinierenden Welt des historischen Materialismus.

"Harmange zieht daraus die quasi logische Konsequenz: Sie bekennt sich zur Misandrie, sie plädiert für die Abschaffung des Mannes als relevantem Faktor feministischem Engagements und für ein gutes Leben als Frau."

Jo. Kann sie doch tun. Wer oder was hindert sie daran, sich fürderhin nur noch mit Frauen und anderen Nichtmännern zu umgeben und Nicht-Nichtmänner nur als schwanzlose Pudel um sich zu dulden, die nix zu melden haben (soll sogar welche geben, die das antörnt)?

Jaja, ich weiß, es sind nicht einzelne Männer persönlich gemeint, sondern Männer an sich und überhaupt. Nur: Welche Möglichkeit hat ein prekär beschäftigter Hilfsarbeiter, eine stinkreiche, hochgradig einflussreiche Witwe wie Friede Springer oder Liz Mohn auszubeuten und zu unterdrücken? Mit dem Mannsein ist es wie mit der Nationalität: Man sucht sich's nicht aus. Und deswegen ist Nationalismus auch Mumpitz. Mein Verhältnis zum Nationalismus hat Heimito von Doderer einst ziemlich genau auf den Punkt gebracht (Dank an Burks):

"Daß ich zum Beispiel Österreicher bin, ist mir auch mit einer Fülle widerwärtiger Individuen gemeinsam, so daß ich es mir verbitten möchte, lediglich mit Hilfe dieses Begriffs bestimmt zu werden."

Das lässt sich quasi 1:1 aufs Mannsein übertragen.

Zumal Evolution gnadenlos sein kann. Wäre der patriarchatsproduzierte, denkfaule, misogyne, mediokre, angeblich per se gewalttätige, mörderische, frauenaussaugende Heterostandardmann nicht irgendwie ein evolutionäres Erfolgsmodell, auf das offenbar immer wieder genügend Frauen anspringen, dann wäre er schon längst ausgestorben. Jede Wette.






15 Kommentare:

  1. diese antwort finde ich toll und unterschreibe sie gerne. diese frau sollte sich auch mal darum kümmern, dass frauen vom gesetzgeber nicht ernstgenommen werden, z.b. bei exhibitionismus. und warum durften frauen früher in hosen rumlaufen, männer aber eher nicht in kleidern? nur mal kurz...

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  2. So ein Männerhassbuch ist ein todsicherer Verkaufserfolg. Da muss man eigentlich das Gegenstück schreiben und mit einer Arschbombe in den Fettnapf springen. "Frauen saugen meine Kreativität ab und unterdrücken im Haushalt meine Tendenz zur Verwahrlosung" usw.

    Schreibt sich quasi von selbst und du kannst deinen Künstlertraum endlich verwirklichen. Einladungen in diverse Talkshows inklusive.

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  3. Erinnert mich an den "Opferfeminismus" der 70er und frühen 80er.
    Kennt jemand noch den Bestseller "Tod eines Märchenprinzen"? Und ja Matthias, die Antwort kam prommt:"Ich war der Märchenprinz".

    Gruß Fred

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  4. Was immer man von dem monierten Büchlein/Pamphlet halten mag – nicht erschließt sich indes, wo dieser aufgeregte Gleichstellungsbürokrat in einem Plädoyer für die Misandrie (wie gehässig oder hasserfüllt oder geifernd es auch sein mag) konkret einen strafbaren (sic!) “Aufruf zur Gewalt“ erblicken will?

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  5. Die persönliche Entscheidung, das Werk nicht weiter zu beachten, ist menschlich richtig. Aber sie greift in der Sache zu kurz. Denn das Werk ist nur Erscheinungsform, nicht der Missstand an sich: ein Feminismus außer Rand und Band. Die technisch führende Suchmaschine Google weist auf den Suchbegriff all men are trash „ungefähr 282.000.000 Ergebnisse“ aus (in 0,73 Sekunden). Das weist auf die Tiefe des Problems.

    Bei Betrachtung des Feminismus (3. Welle) fällt als Leitfigur die Aktivistin Alice Schwarzer ins Auge. Sie kämpft augenscheinlich für die „Befreiung der Frau“ – legendär ihr Showdown mit Esther Vilar. Auffällig ihre Steuerschuld im sechsstelligen Bereich, die auf mehrstelliges Millionenvermögen deutet – obwohl ihr Lebenslauf keine größere Erbschaft ausweist.

    Follow the money: der Beruf „Polit-Aktivist“ wirft nicht genug ab für solches Vermögen. Also wurde Schwarzer finanziert, zwingende Folge. Von welchem Strohmann ist uninteressant; das Wie liegt auf der Hand (das gleiche wie bei Steinmeier und Konsorten: Redner-„Honorare“); von Interesse ist das Warum.

    In einem früheren Blog-Eintrag habe ich aus Erosion der Familie als konstituierendes Element der Gesellschaft finanzielle Interessen gefolgert. Heute denke ich, dass auch das zu kurz greift. Ich halte ein politisches Konzept für denkbar, die Gesellschaft leichter form- und beherrschbar zu machen. Eine Verschwörungstheorie, sicher. Aber falls zutreffend, und ich bin da sicher, fang ich an zu frieren.

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    1. »Google weist auf den Suchbegriff all men are trash „ungefähr 282.000.000 Ergebnisse“ aus«
      Das ist natürlich grober Unsinn, wenn Sie den Suchbegriff ohne Anführungszeichen eingeben. Tatsächlich weist Google auf den Suchbegriff “all men are trash“ ungefähr 540.000 Ergebnisse aus.

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    2. @nömix

      Danke für Hinweis auf den Lapsus. Nun also: "all men are trash" erbringt nur 538.000 Ergebnisse in immerhin 1,5 Sekunden. Ich entschuldige mich ausdrücklich.

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    3. Hmm... ich frage mich wie der Masterplan hinter Alice Schwarzer aussah. Hat jemand beim Brainstorming eingeworfen: "Lasst uns diese nach allgemeinem Empfinden wenig attraktive Besserwisserin nehmen, die mit ihrer Art überall neue gesellschaftliche Schlachtfelder zu eröffnen nicht wenigen auf den Geist geht. Und wenn die erst an der Macht ist, dann ist die Weltherrschaft nur noch ein Klacks." Da hätte jemand in Dr. Evils Team dringend Einspruch geben müssen.

      P.S. Gegen fröstelnde Gefühle helfen Wolldecken - gar nicht mal so teuer und heutzutage hoffentlich ohne eingebaute Pockenviren erhältlich.

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    4. @Thies – Alice Schwarzer macht Dr. Evil überflüssig. Es gibt ein Buch zu ihrem Sozialverhalten, Titel „Tango mit Alice“. Die meisten Exemplare hat Alice aufgekauft. Wen es interessiert, das letzte Exemplar ist zu haben für den Schnäppchenpreis von 295,00€.

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  6. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  7. Wenn alle Männer medioker sind, kann das ja kein Vorwurf sein.

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    1. @MinasMarbul -- um mir Zugang zum Sinn zu erleichtern, würdest du mir dein Geschlecht verraten?

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    2. Männlich - aber nett, das Du fragst. :-)

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    3. Ich verspüre einen gewissen Mutterwitz. Gefällt mir.

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  8. Der ultimative Mann
    https://www.youtube.com/watch?v=eViLB5-SfoM

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