Sonntag, 2. Mai 2021

Preußen im Weltall

 
"Weißt du noch", so frug ich mich die Tage selbst, "als du mit Begeisterung 'Mark Brandis'-Bücher gelesen hast?" Na, wer kennt noch Mark Brandis? 31 Bände mit den Abenteuern des Raumkadetten und späteren Piloten sind zwischen 1971 und 1987 erschienen. Die Originalausgaben aus dem Herder-Verlag waren sauteuer und in der Kinder- und Jugendbücherei waren sie andauernd ausgeliehen. Die einzige Chance für einen Schuljungen mit schmalem Taschengeld war Mutterns Mitgliedschaft im Bertelsmann-Buchclub. Da wurden immerhin zehn der Romane in fünf Doppelbänden für einen halbwegs bezahlbaren Preis verlegt. Ich trug Zeitungen aus. Irgendwann war meine kleine Sammlung komplett.

Ein paar Jahre später tat ich etwas äußerst Dummes. In pubertärem Wahn beschloss ich, mein Zimmer radikal auszumisten. Ich befand, dass die meisten meiner Bücher bloß Ballast sind und schmiss sie einfach in den Müll. Als ich Jahre später, ich hatte inzwischen die Literatur für mich entdeckt, erkannte, dass ich da auch echte Schätze weggeworfen hatte (darunter eine wunderschön illustrierte Ausgabe von Wilhelm Hauffs Märchen), beschloss ich, niemals mehr im Leben ein Buch wegzuschmeißen. Daran habe ich mich bis heute gehalten. Na ja, fast. Bücher, von denen ich sicher bin, sie nicht mehr zu lesen (und deren Wiederbeschaffungswert ich sicherheitshalber gecheckt habe falls doch), habe ich schon in Bücherkästen in der Stadt gestellt. Also nicht weggeworfen. Es ist schön, wenn sie weg sind, denn dann machen sie offenbar jemandem Freude.

Zurück in den Weltraum. Perry Rhodan, jene von WK2-Veteranen erdachte deutsche Science Fiction-Serie um den ledergesichtigen Unsterblichen, war mir immer zu gigantomanisch, zu abgespact und zu nerdig. Die dritte Auflage habe ich bis zirka Heft 50 geschafft, dann erlahmte mein Interesse. Ich versuchte noch einen Wiedereinstieg beim Zyklus 'Die Meister der Insel', der vielen Fans als der beste gilt, aber auch da legte ich den Kram bald wieder weg. Old Nappaface Perry und ich, wir wurden einfach nicht warm miteinander. Getreu dem Prinzip, dass alles, was sich zu ernst nimmt, reif ist für die Parodie, ist mein Lieblingsband die von Matthias Horx verfasste Persiflage 'Die galaktische Gurke'.

Mark Brandis aber fand ich cool. War einfach näher dran am wahren Leben. Politischer. Es wurden aktuelle Probleme behandelt wie Faschismus, Ökologie, Rassismus. Die Titelfigur ist 2031 bei Berlin geboren (abgeleitet von Mark Brandenburg) und wird daher so ausgesprochen wie sie geschrieben ist und nicht 'Brändis'. Die Welt ist noch nicht vereint, sondern es gibt drei überstaatliche Blöcke. Brandis ist Leutnant der VEGA (Venus-Erde-Gesellschaft für Astronautik). Es kommt zu einem Bürgerkrieg gegen ein faschistoides System. An viel Handlung erinnere ich mich nicht mehr, nur an Details. Etwa, dass Brandis mitunter "verdammter Preuße" genannt wurde und gern mal ein Bier trank. Und daran, dass ich die Bücher nachts heimlich unter der Decke gelesen habe.

Der Autor Nikolai von Michalewksi ist 2000 verstorben und hat neben der 'Mark Brandis'-Reihe ein riesiges Oeuvre an Hörspielen, Drehbüchern und Krimis hinterlassen. Bis kurz vor seinem Tod arbeitete er noch an einer Brandis-Fortsetzungsreihe. Um die 30 D-Mark kostete damals, glaube ich, ein Doppelband bei den Bertelsmännern. Antiquarisch werden sie für 10-15 Euro gehandelt. Das nenne ich Wertbeständigkeit. Da kommt manche Aktie nicht mit.





2 Kommentare:

  1. Die Titelbilder der Perry Rhodan-Hefte waren cool. Das war's dann aber auch schon.

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    1. Nicht zu vergessen: die Rißzeichnungen. Das war Alleinstellungsmerkmal.

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