Sonntag, 27. Juni 2021

Rall und Schauch

 
Warum, könnte man fragen, sind eigentlich Witze über Namen so tabu? Nun ja, die naheliegendste Antwort wäre, dass man sich seinen Namen in aller Regel nicht ausgesucht hat. Man kann nichts dafür. Jene bedauernswerten Kriegskinder, die während der Jahre des großen Vogelschisses geboren wurden und von ihren Nazi-Eltern Adolf, Magda oder Reinhard benamt wurden oder irgendwelche albernen 'germanischen' Namen verpasst bekamen, wissen, wovon die Rede ist. Zur Zeit erreichen viele Menschen das Erwachsenenalter, die von ihren Eltern Hypotheken wie Kevin, Dennis, Chantal oder Jacqueline mit auf den Lebensweg bekommen haben.

Eine andere Antwort wäre: Namenswitze sind einfach nicht witzig. So gut wie nie. Nein, wenn ich's recht bedenke, eigentlich nie. Zumindest nicht für den Betreffenden. Glauben Sie mir, ich spreche als Betroffener. Denn ich trage einen Nachnamen, der gewisse Leute von jeher zum Witzeln eingeladen hat.

Im Kindergarten ging das los. Da hatten die anderen Kinder einen Riesenspaß, als sie rausfanden, dass "Ste-fan-Ro-se-Un-ter-ho-se!" ein ganz tolles Versmaß hat (einen vierhebigen Trochäus, um genau zu sein). Oder dass auch "Ste-fan-Ro-se-machtsichindiehose!" sich nicht nur reimt, sondern auch rhythmisch ganz toll ballert. In der Schule dann war ich für viele bloß 'Rosi' oder 'Röschen'. Und weil ich schon damals nicht der Typ war, solche Humorbemühungen umgehend mit einer trockenen rechten Geraden in die Futterluke zu quittieren, und mir das Talent fehlte, wie Buster Keaton stoisch mit Deadpan zu reagieren, blieb das auch so. Ein jeder mag sich ausmalen, wie groß das Hallo war, als Anfang der Achtziger ein Song der Spider Murphy Gang die Charts erklomm, der unter anderem die Textzeile 'Skandal um Rosi' enthielt.

Kindliche Grausamkeit. Legt sich aber irgendwann.

Nach der Schule kamen die erwachsenen Stimmungskanonen. Die, bei denen Selbst- und Fremdwahrnehmung bezüglich der eigenen Witzigkeit in krassem Missverhältnis zueinander stehen. Menschen, für die Begriffe wie 'Ulknudel' erfunden wurden. Oder 'Scherzkeks'. Die einen limitierten Vorrat an Witzchen und Wortspielen auf der Pfanne haben, den sie dann auf Lebenszeit andauernd zum Besten geben. Am liebsten mit gedrückter Wiederholungstaste.

"Okäse!"
"Zum Bleistift"
"Machs gut, aber nicht zu dolle!"
"Wunderbärchen!"
"Spasskasse"
"Abfallsaft". Etcetera.

Und weil dergleichen Leute natürlich irgendwann schon mitbekommen, dass niemand um sie herum noch die Selbstverleugnung zusammenkratzen mag, sich darob auch nur ein müdes Lächeln abzuringen, geschweige denn, sich schier die Schenkel zu zertrümmern, übernehmen sie das Schlapplachen über ihre Klopper oft gleich selbst.

"Okäse, hahaha!"
"Zum Bleistift, hihihi"
"Machs gut, aber nicht zu dolle, höhöhö!"
"Spasskasse, hohoho!"
"Wunderbärchen, huhuhu!"
"Abfallsaft, harr, harr!"

Im dritten Stadium dann verfallen diese Schmunzelmuffen (Droste) oft auf die Idee, die ausbleibenden Lacherfolge hätten ihre Ursache darin, dass Genosse Mitmensch offenbar schwer von Begriff ist. Klar, was denn auch sonst? An der mangelnden Lustigkeit ihrer Sprüche kann's schließlich nicht liegen. Und so wiederholen sie ihre Scherzchen fortan. Manchmal extra langsam, als sei man höchstens drei Jahre alt. Und bauen noch eine Sicherheitsfrage à'la Mario Barth ein. Damit es auch wirklich jeder versteht.

"Okäse, hahaha! Verstehste? Okäse, höhöhö!"
"Zum Bleistift, hihihi Iss klar, ne? Zum Bleistift, huhuhu!"
"Machs gut, aber nicht zu dolle, höhöhö! Verstehste, ja? Nicht zu dolle, harr, harr!"
"Wunderbärchen, huhuhu! Kapierste? Wunder-bärchen, hahaha!"
"Spasskasse, hohoho! Klar, ne? Spasskasse, hähähä!"
"Abfallsaft, harr, harr! Verstehste? Ab-fall-saft, hehehe!"

Solche waren es meist, die, wenn ich mich vorstellte, zum Beispiel sagten: "Ach so - Der Name der Rose, hahaha!" Ja, danke schön. Ein weiteres Problem ist ja, dass die oft zu glauben scheinen, sie seien die ersten, denen so ein Mordsbrüller einfällt. Einmal war ich so genervt, dass ich einem mal freundlich aber bestimmt gesagt habe: "Sehen Sie, ich will wirklich nicht unhöflich sein und Sie meinen das gewiss nicht böse, aber den Spruch habe ich mein halbes Leben lang wohl an die 500 mal zu hören bekommen. Haben Sie also bitte Verständnis, wenn ich jetzt nicht in schallendes Gelächter ausbreche." Der Typ ward pikiert und redete fortan kein Wort mehr mit mir. Talk about Humorlosigkeit.

Inzwischen ist das aber zur Ausnahme geworden. Passiert eigentlich nicht mehr. Irgendwann hat eine ältere Dame mich mal 'Röschen' genannt. Fand sie so süß, sagte sie. Nun ja. Fortschreitendes Alter macht langmütig. Außerdem war ich nicht allein. Gab immer welche, die mein Schicksal teilten, wenn auch nur vorübergehend.

Anfang der Neunziger veröffentlichte der große Diether Krebs, der später ironischerweise von seinem Namensvetter viel zu früh aus dem Leben geholt wurde (huch, ein Namenswitz!), die nur moderat lustige Single 'Ich bin der Martin'. Die Nummer wurde bald 'Kult' und man kann sich vorstellen, wie es den Martins dieser Welt erging, die bei jeder unpassenden Gelegenheit den Satz "Ich bin der Martin, ne?" zu hören bekamen. Ich weiß, wovon ich rede, ich kannte damals einen, der Martin hieß.

Während meines Zivildienstes hatte ich einen Stationspfleger, der auf den Vornamen Kurt hörte. Prima Typ, sehr netter Mensch. Zu jener Zeit begab es sich nun, dass Frank Zander einen Hit namens 'Hier kommt Kurt' landete. Den Rest können Sie sich denken. Einmal, als er beim Betreten eines Raumes zum xten Male von einem Witzbold begrüßt wurde mit "Hier kommt Kurt!", schauten wir uns voll des stummen Einverständnisses wissend in die Augen.

Life hack: Sollten Sie erwägen, einen Witz zu machen über den Namen eines anderen, dann bedenken Sie bitte folgendes:

  • Der Witz ist vermutlich nicht witzig, auch wenn Ihnen das so vorkommen mag.
  • Sie sind höchstwahrscheinlich nicht der erste, dem der Spruch einfällt; der Betreffende hat ihn möglicherweise schon sehr oft gehört.
  • Wenn Sie dennoch nicht an sich halten können, rechnen Sie also damit, dass der Adressat das vermutlich sehr wohl können wird und seien Sie nicht enttäuscht.
 
Danke.






6 Kommentare:

  1. "Zement" mal. Moment mal.
    "Alakska?" Alles klar?

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  2. Wir nennen unsere Katze Rosalie auch gerne mal Poröschen, wenn sie sich im entsprechenden Areal leckt.
    However, mit Rose bist Du doch noch gut dabei. Habe nen Kumpel mit den Initialen SS, ein bekannter heißt Saftig, eine entfernte Verwandte Gudrun, ne andere Gisela usw. Stell Dir vor, Du würdest Detlef heißen ;)

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  3. Es gibt auch noch die Variante des Ortsnamenswitzes. Wenn ich sage, ich komme aus Schweppenhausen, muss jeder zwangsneurotische Wortspielmacher sagen: "Kommt da Schweppes her?" Gefolgt von einem wiehernden Lachen. Mein Vater kommt aus Katzenelnbogen im Taunus. Dito. Ein Nachbarort hier im Hunsrück heißt Sommerloch. Wie heißen die Einwohner des Ortes? Und wenn du aus Darmstadt-Wixhausen kommst, brauchst du erst gar keine Bewerbung schreiben. Ein Höllenspaß.

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    1. Dann sollte man dem Wortspielmacher dringend abraten, jemals nach Bad Bederkesa (Stadt Geestland, Kreis Cuxhaven) zu kommen. Die Gemeinde umfasst nämlich unter anderem die Orte Drangstedt, Flögeln, Hymendorf sowie den Ortsteil Fickmühlen.
      @Mordred: Ja, mit dem Namen Detlef hatte man es zeitweise nicht leicht...
      @Anonym, 8:14: Allns Chlor!

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  4. "Der Beste Fick im Norden" – diese Aufschrift tragen die Mitarbeiter einer Edeka-Filiale in Busdorf (Schleswig-Holstein) auf ihrer Arbeitskleidung.

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  5. Klar, namenswitze sind eigentlich doof. Aber wenn sich beispielsweise ein fitnesstrainer Coach Cecil nennt, kann ich kaum umhin zu denken »Couch Sessel war schon immer das perfekte trainig für den Gössermuskl.«

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