Freitag, 13. August 2021

One-trick pony

 
Der Kinderpsychiater Michael Winterhoff hat eine gewisse Bekanntheit erreicht mit einigen Bestsellern, in denen er Deutschland das Totenglöckchen läutet. Weil Deutschland verdummt. Kinder kleine Tyrannen sind, Eltern und Lehrer sich nicht mehr zu erziehen trauten. Für den Erfolg dieser abgeschmackten autoritären Weltuntergangstraktate bietet Martin Spiewak drei Erklärungen an: 1. Expertenbonus. Als 'Deutschlands remmomiertester Kapazunder für XY' hat man halt zu allem was zu sagen, erst recht zu Schule und Erziehung. Auch wenn man gar nicht qualifiziert ist. 2. Horrorlust. Der wohlige Grusel, dass es mit dieser Jugend nur den Bach runtergehen kann. Gab es es schon bei Sokrates (eigene juvenile Eskapaden und Ausfälle werden verdrängt). Und 3. Entlastungseffekt. Man ist froh, dass es bei den eigenen Blagen zum Glück ganz anders ist.

"Aber weil jede ältere Generation neu darin ist, alt zu sein, denkt jede von ihnen, als sei es das erste Mal: Mit der Jugend geht's echt abwärts." (Matthias Lohre)

Nun werden jede Menge mehr oder minder erbauliche Bücher über alles Mögliche geschrieben. Jetzt sind Vorwürfe gegen Winterhoff aufgekommen, die deutlich schwerer wiegen. Es steht der Verdacht im Raum, dass er auch in seiner eigenen Profession, der Kinderpsychiatrie, eine Art one-trick pony ist und sich zum Universalgenie aufgeblasen hat (unter anderem als pädagogischer Laie pädagogischen Fachkräften Anweisungen erteilt hat). Und er dabei wohl auch gegen ärztliche Leitlinien verstoßen haben könnte. Schlimmer noch: Zwei seiner ehemaligen Patienten bezichtigen ihn, sexuell übergriffig gewesen zu sein. Man fragt sich, wer da eigentlich eine Therapie nötig haben könnte und wer der Tyrann ist.


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Sicher, bislang sind es nur Vorwürfe. Über Schuld oder Unschuld entscheiden Gerichte. Die Vorwürfe aber sind so schwerwiegend, dass die Beweislage solide sein sollte, wenn man damit an die Öffentlichkeit geht. Unabhängig davon lässt sich jetzt schon sagen (und man kann es nicht oft genug sagen): Gurus und Erlösern, die griffige Erklärungen und einfache Lösungen anbieten, ist grundsätzlich nicht zu trauen. Niemals. Begrüßenswert, dass wieder einem auf die Finger geschaut wird. Eine Frage aber kommt deutlich zu kurz: Wenn da was dran ist, was ist das für ein System, das so etwas so lange ermöglicht? Wenn da was dran ist, dann ist auch einer wie Winterhoff eher Symptom als Ursache.







1 Kommentar:

  1. Das eigentliche Problem kommt auch in der Reportage heraus: "Das hat der Arzt so verschrieben, dass hinterfragt man nicht!"

    Erziehung ist halt schon ein großes Problem in Deutschland.

    "Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch..."

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