Samstag, 7. August 2021

Vermischtes und Zeugs (IV)

 
Martin Perscheid ist bekanntlich nicht mehr. Außer dem letztes Jahr verstorbenen Uli Stein, der einzige mir bekannte deutsche Cartoonist, der richtig scharf schießen konnte, und das auch konsequent tat. Luschen und Halbbegabte erkennt man zuverlässig daran, dass sie es nötig haben, eigens auf die Schwärze ihres Humors hinzuweisen, Perscheid brauchte dergleichen Geblähe nicht. Auch rechtsverschwiemeltes Getue um wie auch immer geartete 'Politische Unkorrektheit' hatte er nicht nötig. Zumal er mit dem Milieu, in dem so was besonders goutiert wird, absolut nichts am Hut hatte.

Nazis (1, 2) und Rechte bekamen die volle Breitseite von ihm. Wie Rassisten, islamistische Terroristen, Boulevardreporter, Klimaskeptiker, pädophile Priester, religiöse Fanatiker, SUV-Fahrer, 'Erwachte', zuletzt auch Impfgegner, Querdenker und anderes obskurantes Gelichter, das seinen Lebensinhalt darin sieht, Humanität, Vernunft und Aufklärung wieder rückgängig zu machen. Ein Meister des körperlich schmerzenden Kalauers war er auch. Und genau solche Reaktionen hätten dem Fiesling von Wesseling wohl besonders gefallen:

Wenn er sich nicht auf seiner Wolke einen Ast lacht.
 
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Preisfrage: Warum ist dieser 'Moderne' Fünfkampf eigentlich immer noch eine Olympische Disziplin? Weil sie einst von Baron Pierre de Coubertin himself ersonnen worden ist und das IOC da nicht dran will vermutlich. Eine andere sinnvolle Erklärung fällt mir nicht ein. Anachronismen wie Tauziehen und Tonnenspringen sind schließlich auch wieder abgeschafft worden. Für Coubertin war Sport vor allem Wehrertüchtigung. Und so fasste der Moderne Fünfkampf, das sportliche Anforderungsprofil an einen Armeeoffizier des 19. Jahrhunderts recht gut zusammen: Schwimmen, schießen, laufen, fechten und ein wildfremdes Pferd reiten.

Letzteres war mal normal, wie mir eine befreundete Reiterin erklärt hat. Pferde wurden früher meist 'gebrochen', damit sie alles mögliche mit sich machen ließen. Sich in den Lärm der Schlachtfelder treiben lassen, fremde Fahrer und Reiter dulden usw. (man denke nur an das Netz der Poststationen, an denen immer die Pferde gewechselt wurden). Diese gequälten Gäule waren auch mit Schlägen gefügig zu machen. Heute, da die reiterliche Ausbildung mehr in Richtung Partnerschaft geht (meistens jedenfalls), eher nicht mehr. Im Gegenteil: Einem nicht gebrochenen, verweigernden Pferd Schmerzen zuzufügen, kann lebensgefährlich werden.

Der durchschlagende Erfolg des Richtig Draufhauens jedenfalls hat gezeigt, wie zeitgemäß diese Sportart im Jahr 2021 noch ist.

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Hiermit sei's ventiliert, dass ich mich seit gestern, Freitag, 6.8.2021, zumindest auf dem Papier vollständigen Impfschutzes erfreue. Nebenwirkungen so far: Am Impftag jeweils leichtes Brennen um die Einstichstelle, am Tag darauf ein paar Stunden lang ein Gefühl, als habe mir jemand auf den Oberarm geknufft. Sonst keine. Gerne wieder. Diejenigen, die Geimpften massenhaftes qualvolles Dahinsiechen und Sterben wie die Fliegen prophezeihen, wo nicht an den Hals wünschen (und gleichzeitig Regierungen, Medien und Wissenschaftlern der Panikmache bezichtigen) muss ich also leider enttäuschen.

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Antiquarisch erstanden und mit großem Genuss gelesen: Wiglaf Drostes Erstling 'Kommunikaze' von 1989. Eine wahre Fundgrube der gepflegten verbalen Bosheit.

"»Die Frauen von heute wollen Mannsbilder, keine Standbilder«, behauptet, neben anderem dummem Zeug, die Werbung für die Zeitschrift Freundin. Die Kampagne gilt in Werbekreisen als vorbildlich, kriecht aber nur all den dösigen Tanten hintenrein, die ihren halbwegs lackierten Brausepöter bereits für ein Gesicht halten." ('Adel vernichtet')

"Zwei alternde Rucksacktouristen haben sich eine letzte Herrenpartie gegönnt. Werner Herzog und Klaus Kinski sind gen Afrika gezogen und haben vor den dort ansässigen Negern das deutsche Wesen entblößt. Cobra Verde heißt der Urlaubsfilm [...]; die Brüste von etwa tausend Ghanesinnen spielen darin die tragenden Rollen. Begleitet wurde der deutsche Kultur-Ausschuß von einem Schweizer Käse: Steff Gruber, ein Althippie, der sich mit siebzehn entschloß, Regisseur zu werden, und diese Drohung wahrgemacht hat." ('Das Geseire eines Aftermieters')

"[Rainald] Goetz, ein alter Dutzendhut, ein wohlfeiler Darsteller der Kompostmoderne -- wozu die Aufgeregtheit in den Feuilletons? [...] Auch der Spiegel, Claqueur der Verhältnisse, als deren Kritiker er sich geriert, hat einen Verriß bestellt." ('Öl im Betriebe')

Und so weiter. Herrlich!

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Mit Nachruf fing's heute an. Warum, so fragt man sich, ist hier eigentlich nichts erschienen zum Ableben des Berufsbonvivants Alfred Biolek. Jene Schmunzelbrille, die einst sogar Sammy Davis Jr. ein Kompliment zum Ambiente der Sendung 'Bio‘s Bahnhof' zu entlocken vermochte? Denn durchaus Positives gibt es zu sagen über ihn. Etwa, dass er sich als Talkmaster darauf verstand, persönliche Gespräche zu führen, ohne übergriffig zu werden. Dass er es als einer der ganz wenigen im deutschen Fernseh darauf verstand, so was wie Leichtigkeit Einzug halten zu lassen. Sein unaufgeregter Umgang mit seiner Homosexualität. Dass er einer ganzen Generation von Jungmännern vorgelebt hat, dass Kochen nichts Unmännliches ist, sondern vor allem was mit gutem Leben zu tun hat.

Tja, und da liegt der Hase im Pfeffer. 'Alfredissimo' fand ich sehr bald over the top. Neben der Klischee-Italianità Marke "Isch 'abe garr keine Auto..." des Namens, der penetranten Werbung für deutschen Wein, dem ostentativ ausgestellten Genießenkönnen als Distinktionsmerkmal, ging mir vor allem dieses gemeinsame Gekoche auf den Senkel. Ich liebe es zu kochen. Aber bei mir ist das eine kontemplative Tätigkeit, bei der andere nix zu schaffen haben. Ganz manchmal will es der Komment, dass ich eine Einladung zum 'gemeinsamen Kochen' nicht ausschlagen kann. Was auf meiner Beliebtheitsskala in der Gegend von 'Spieleabend', 'kein Bier im Haus haben' und 'Wurzelbehandlung' liegt. Da sorge ich immer dafür, ein, zwei trinkbare Flaschen Wein im Gepäck zu haben. So was findet nämlich nicht selten in neuen, minimalistisch eingerichteten Einbauküchen von Leuten statt, die Bier aus 0,33-Literflaschen für eine akzeptable Darreichungsform halten.

Natürlich ist das vor allem mal mein Problem. Schließlich ging es bei 'Alfredissimo' nicht nur ums Kochen, sondern um das Miteinander. Manchmal war das sogar wirklich gut. Karl Dall mit seinen Saunudeln war ein moderner Klassiker. Aber wo Licht war, da war auch Schatten. Ins Gehirn gefräst hat sich bei mir, wie Dirk Bach etwas zubereitete, nein, sagen wir, zusammenrührte, das er Chili con Carne nannte und bei dem sich vom bloßen Zuschauen der Magen auf links drehte. (Sie wurden gewarnt.)

Trotz allem: Farewell, warst ein Guter, Bio!






7 Kommentare:

  1. Perscheid. Damals noch, ohne in jeder Mopo erschienen zu sein, einer meiner Lieblingscartoonisten, jenseits der Titanic, während zu Bio die Titanic schon alles nachgerufen hat. Das es aber keine anderen geben sollte, halte ich selbst im Falle Perscheids für fraglich. Dabei fällt mir ein, dass ich schon lange nichts mehr von Thomas Plassmann gesehen habe.
    "Wiglaf Drostes Erstling 'Kommunikaze' von 1993." Auch das halte ich für fraglich, da ich zwischen 1986 bis 88 an einigen Workshops zum Thema Schreiben an meiner ansonsten gehassten Bretterpenne in OWL mit Genuss teilnehmen durfte. Ich vermute hier in sofern einen Erstling, als dass er der Erste war, der angemessen verlegt wurde (*hust*), alldieweil er schon damals auch in Kabaretts und Varietés aufgetreten ist. Friede seiner Asche und Dank den Zitatesammlungen im Web.

    "Hiermit sei's ventiliert, dass ich mich seit gestern, Freitag, 6.8.2021, zumindest auf dem Papier vollständigen Impfschutzes erfreue."
    Schon in die Whatsapp-Gruppe gepostet?
    Vollständig ist das so, wie beim Grippeschutz. Schauen wir doch mal, wann es dafür 2 Bratwürste, ein Konzert, ein Freigetränk und ein kostenloses Konto bei der Commerzbank gibt. Dann wird das zumindestens mal interessant.




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  2. Meine 'Kommunikaze'-Ausgabe ist aus dem Verlag Weisser Stern und von 1993. Die Erstausgabe ist tatsächlich 1989 im Berliner a-verbal Verlag erschienen.
    Thomas Plassmann arbeitet regelmäßig für SPON und die Frankfurter Rundschau.
    Bis auf das Commerzbank-Konto nehm ich alles. Wenns kein Helenefischer-Konzert oder so ist.

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  3. Die GLS würde in dem Zusammenhang halt auch nix anbieten. :P

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  4. Wenn du dich fragst warum der moderne Fünfkampf noch Olympisch ist,
    könnte es daran liegen, dass der Verband und sein Präsident es immer noch geschafft haben, den IOC umzustimmen. Aber die Luft dafür wird nach Tokio dünner. Hoffentlich.

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  5. .... die Kochsendung mit Dirk Bach war Realsatire vom Feinsten "ich gebe die Zutaten nach optischen Gesichtspunkten hinzu — es soll hübsch aussehen ...."
    Klasse!

    Gruß
    Jens

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    1. Nun, die einen sagen Realsatire, die andern nennen's Spielen mit dem Essen.

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    2. Satire ist eine Kunstform. Nur Wenige bekommen die real hin.

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