Mittwoch, 22. September 2021

Fresse, Opfer!


Was passiert ist, dürfte so weit bekannt sein: Ein 49jähriger Mann betrat am Samstagabend eine Tankstelle in Idar-Oberstein, um ein Sixpack Bier zu kaufen. Der Kassierer, ein 20jähriger Student, der als Aushilfe dort jobbte, bat den Mann, eine Maske zu tragen, worauf der Kunde unverrichteter Dinge kehrt machte. Eine gute Stunde später erschien er wieder. Als der Kassierer ihn nochmals bat, eine Maske zu tragen, zog er eine Waffe und schoss dem Kassierer in den Kopf. der junge Mann war sofort tot.

Keine Ahnung, ob das im juristischen Sinne Mord war. Aber was immer es war, eine Tat aus dem Affekt heraus war das definitiv nicht. Da hat sich einer ganz genau überlegt, was er tut. Parallelen zu einem Fall wie Breivik sind so wenig abwegig wie ein Terminus wie 'Radikalisierung' hier sicher nicht völlig fehl am Platze ist. Klar kann man das auch rationalisieren. Das unter anderem als ein Krisensymptom des Spätkapitalismus deuten. Kann man tun. Hat auch vielleicht nicht Unrecht damit. Aber ich habe keinen Bock. Schnauze gestrichen voll.

"Hört zu, Ihr Wichser, ihr Scheißköpfe. Hier ist ein Mann, der sich nicht mehr alles gefallen läßt. Ein Mann, der sich gegen den Abschaum, die Nutten, die miesen Schweine, den Dreck und die Scheiße wehrt... hier ist jemand, der sich wehrt!!!" (Travis Bickle in 'Taxi Driver')

Fast noch schlimmer als die Tat selbst sind nämlich, wie so oft inzwischen, diverse Reaktionen darauf. Es gäbe durchaus auch für welche, die Corona-Maßnahmen und Maskenpflicht ablehnen, zig Möglichkeiten, darauf menschlich und zivilisiert zu reagieren, ohne den kritischen Blick aufs große Ganze aus dem Blick zu verlieren. Allein, man scheint sich hier und da anders zu entscheiden.

Es fragt sich, ob Covidioten eigentlich noch irgendwas anderes auf die Kette kriegen in ihrem verpfuschten Leben als Opfer von Faschismus und Diktatur zu sein. In Aussagen wie der, der Mord an dem jungen Tankstellenkassierer werde nunmehr vom Regime benutzt, um die nächste Eskalationsstufe gegen die braven, mutigen Impf- und Maßnahmengegner zu zünden, offenbaren sich jedenfalls Unfähigkeit zur Reflexion, Wissenschaftsfeindlichkeit und Realitätsverweigerung in kaum mehr sagbarem Ausmaß.

Das Coole an der Sache ist ja: Wer Opfer einer Diktatur ist (oder generell Opfer von irgendwas), befindet sich moralisch immer auf der richtigen Seite, braucht sich mit so was Lästigem wie Skrupeln und Selbstzweifeln nicht weiter aufzuhalten und kann sich - nächster Schritt - im Zweifel zu so ziemlich allem berechtigt fühlen. Weil: Notwehr. Schuld sind ja immer die anderen. Wahrhaft kritische Menschen würden übrigens da irgendwann mal so: "Moment mal, irgendwas kann hier nicht…".

Derlei intellektuelle Hohlraumversiegelung ist umso praktischer, wenn man geistig dort angekommen ist, dass man kein Problem damit hat, erklärten Antisemiten zu applaudieren, allen Ernstes Morde legitimiert und das, was man so dazu zu sagen hat, sich sowohl inhaltlich als teilweise auch in Puncto Wortwahl nicht mehr wirklich unterscheidet von dem, was in diverse rechte Kloaken so gekübelt wird. Zum Beispiel dem hier:
 


(Screenshots via Twitter)

Diese beiden Screenshots wiederum stammen aus einem sich selbst als 'kritisch' rubrizierenden Blog, der hier ungenannt und unverlinkt bleibt. Die abgebildeten Zitate wurden dort nicht gelöscht und von mir in einem Anfall von Nettigkeit anonym gehalten:


 
 
Finde den Unterschied!

Zwecklos, die merken's nicht mehr. Rabäh, rabäh, Kontaktschuld! Was für ein Glück, dass Faschisten immer die anderen sind.

Es ist nicht meine Art, andere Blogs anzugreifen, ich halte Querdenker nicht per se für Terroristen und die Hufeisentheorie für bildungsferne rechtsbürgerliche Propaganda, ja für das "erbärmlichste politische Analyse-Angebot des 21. Jahrhunderts" (Sonneborn). Aber es gibt so Momente, da kommen auch mir ernste Zweifel. Und dann hoffe ich inständig, dass man solche Leute auch weiterhin tunlichst von jeglichen Positionen fernhalten möge, in denen sie irgendwas zu sagen oder zu bestimmen haben. Ist besser für alle.









6 Kommentare:

  1. Allerhand was sich da bei diesem "Zeitgeist" tut. Also für soooo stumpf hätte ich diesen epikur echt dann doch nicht gehalten.
    Der Typ hat das Kommentariat was er verdient und häschelt (nicht wahr Faschoview?).
    Unglaublich...

    AntwortenLöschen
  2. "Asylmissbrauch", "Wirtschaftsflüchtlinge", "Das Boot ist voll", "Asylanten", "Scheinasylanten", "Asylmissbrauch stoppen", "Staatsnotstand" (Helmut Kohl zur Masseneinwanderung), "Asylschwemme", "Asylantenflut".

    Das war das Vokabular hochrangiger Politiker und Medien vor den Pogromen in Hoyerswerda und Rostock-Lichenhagen, begleitet von entsprechnden Covern des SPIEGEL:
    https://tinyurl.com/5c7hdknb

    "Gegenwehr", "Widerstand", "Faschismus", "Wir sind Sophie Scholl", "Schlafschafe", "Systemlinge", "Coronadiktatur", "Zwangsimpfung", "aufwachen", "Feinde der Demokratie", "Maskenmissbrauch bei Kindern", "Recht auf Widerstand nach dem GG", "totalitäre Coronamassnahmen", "dürfen 90 Prozent zum Verzicht gezwungen werden, wenn nur 10 Prozent gefährdet sind?",

    Diese Begriffe habe ich seit Monaten bei den Covidioten aller Coleur gelesen.

    Auf dn Hygiene-Demos gibt es keine harmlosen Demonstranten, denen man nur raten muss: „Trennt euch von den Stiefelnazis“, sondern es gibt dort eine einheitliche Ideologie, die sich zum Teil anlehnt an den klassischen rechten Heroismus, Sterben für höhere Zwecke. Schäubles Äußerung: Die erste Aufgabe sei nicht die Lebensrettung, sondern die Würde des Menschen, den Menschen müsse der Tod immer präsent sein, wir müssten den Tod bejahen, wurde von manch linkem Blogger bejaht und aufgegriffen. Ende des Lockdowns um den Preis von Kollateralschäden wurde eine beliebte Forderung.

    Ein Schelm, der da immer gleich geistige Brandstiftung vermutet.
    Schön ist es auch, mitzuerleben, wie die Brandstifter sich jetzt als Feuerwehr aufspielen.

    AntwortenLöschen
  3. Nach der Social-Media-Analyse des Täters (AfD, Maaßen, Reitschuster, Querdenker) ist der Mann ein Rechtsextremist. Lübcke, Hanau, Halle - eine Nazi-Blutspur durch Deutschland. Oder: der nächste Einzelfall.

    AntwortenLöschen
  4. Nach den Schuldumkehrbehauptungen der Querdenkerhools hätte das Opfer den Mord verhindern können, wenn er nicht auf der Maskenpflicht bestanden hätte. Und der Juwelier hätte den Klunkerraub verehindern können, wenn er den Schmuck nicht im Schaufenster ausgestellt hätte.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das ist normal. Weil Nazis meist unglaublich feige sind, sind Nazis auch niemals einfach Nazis aus Überzeugung oder so, sondern immer nur, weil ihnen die Linken/Woken/Grünen/Gutmenschen/Ausländer keine andere Wahl lassen ("You made me become a Nazi!"). Sonst gönge ja auch das schöne Opfernarrativ putt.

      Löschen
  5. Ach wieso aufregen....der Mörder hat doch nur sein Recht auf autonomes Handeln wahrgenommen (so nennt es ein Herr Kubicki, wenn Regeln, die einem persönlich unsinnig erscheinen, gebrochen werden )Also ein dreckiger Tankwart, der mir kein Bier ohne Maske verkaufen will, den kann man wegballern. Ich hoffe mal, dass so einer bei der Wahl seinen Denkzettel bekommt. Ebenso ein Herr Merz (siehe Maischbergerinterview) oder ein Herr Laschet (für seine Äußerung, das sich ein 2015 nicht wiederholen darf, nachdem wir mit eingekniffenen Schwanz Afghanistan verlassen...und ich ein Déjà-vu bei den Bildern sah und an Saigon, Vietnam und Korea dachte. Auch da wurden unsere Verbündeten einfach in Stich gelassen.

    AntwortenLöschen

Mit dem Absenden eines Kommentars stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zu. Zu statistischen Zwecken und um Missbrauch zu verhindern, speichert diese Webseite Name, E-Mail, Kommentar sowie IP-Adresse und Timestamp des Kommentars. Der Kommentar lässt sich später jederzeit wieder löschen. Näheres dazu ist unter 'Datenschutzerklärung' nachzulesen. Darüber hinaus gelten die Datenschutzbestimmungen von Google LLC.