Die Fundstücke und Leseempfehlungen des Monats. Ein Thema war die Causa um die Jetzt-doch-nicht-'Quarks'-Moderatorin Nemi El-Hasan. Ihr wurde vorgeworfen, vor acht Jahren auf einer Al Quds-Demo mitgelaufen zu sein, bei der offen antisemitische Parolen skandiert wurden. Klar, jeder hat das Recht auf eine zweite Chance im Leben, erst recht in jungen Jahren. Die meisten dürften als unreife Jungspunde irgendeinen Mist gebaut haben und heilfroh sein, dass das nie publik wurde bzw. im gnädigen Orkus des Vergessens versackt ist. Und ja, auch bei einer antisemitischen Demo mitgelatscht zu sein, kann so ein juveniler Fehltritt sein.
Natürlich wäre es schön, wenn man hier sagen könnte: Religion ist Privatsache und aus. Und natürlich habe ich mich gefragt, ob ich El-Hassan bezüglich ihrer Läuterung nur deswegen nicht so recht über den Weg traue, weil sie Muslima ist. Nein, es sind diese Haarrisse und diese Nebelkerzen in der Selbstdarstellung, die Zweifel aufkommen lassen. Daher bezeichnet Arye Sharuz Shalicar den Umgang mit El-Hasan als "Gipfel der Verlogenheit". Er zitiert einen Instagram-Post, den sie am 23. Mai 2021 veröffentlich hat:
"»Im Jahr 1948 wurde meine Großmutter aus ihrem Haus und ihrer Heimat vertrieben. Sie lebte in Nablus, Palästina...« Was sie nicht erwähnt, ist die Tatsache, dass Nablus 1948 nicht von den Juden, sondern von muslimisch-arabischen Jordaniern besetzt gehalten wurde." (Shalicar, a.a.O.)
(Palästina existierte damals übrigens als Staat nicht, sondern war ein Mandatsgebiet des Völkerbundes.)
Mehr Politik. Elke Wittich mit einem Nachruf auf ihr Auto, das "nach rund 18 Jahren und 180 000 zurückgelegten Kilometern, von Teilnehmern der »Køpi bleibt«-Demo abgefackelt wurde." Reden soll sie aber nicht darüber. Weil...
"... nichts den wundervollen Erfolg dieser Demo stören darf, mit der man es dem Kapital und seinen Schergen endlich mal wieder so richtig gezeigt hat, denn die beeindruckt das ja erfahrungsgemäß immer sehr, wenn uralte Autos von Leuten, die sich kein neues Gebrauchtes leisten können, zerstört werden. […] Und nun ist die Kiste eben hin, und »die Trulla« ist selber schuld, was hat sie auch ein Auto und parkt es in Gegenden, durch die Leute ziehen, die einen teuren Firmenwagen nicht von einem armen alten, traurigen PKW unterscheiden können [...]." (Wittich, a.a.O.)
Silly left eben.
Apropos: Pascal Bruckner sieht in deren Exzessen nichts weniger einen Angriff auf den europäischen Geist. Aber Europa kann eh weg. Wegen Kapitalismus und wegen kolonialer Vergangenheit. Alte weiße Männer, my ass.
Apropos: Pizza Hawaii ist neuerdings auch übelster Rassismus (der gleichnamige Toast sowieso). Und wandern erst! -- Immer wenn ich so was lese, sehe ich eine Studenten-WG vor meinem geistigen Auge, die nach ein paar Bier und/oder Joints um den Küchentisch sitzt und unter allgemeinem Gelächter und Indiehosemachen darum wetteifert, wer sich die absurdesten Verbote ausdenkt. Und sich dann noch mal richtig beömmelt, wenn welche das dann tatsächlich ernstnehmen. (via)
Beste Definition von Cancel Culture: "You might face consequences for being an asshole."
Daniel Schulz hat das Beste geschrieben, das ich seit langem über Jugendliche in Ostdeutschland gelesen habe.
Ein lesenswerter Twitter-Thread eines Bundeswehrsoldaten zum Thema Zapfenstreich. (via)
In Österreich, meint Isolde Charim, die es wissen muss als gebürtige Wienerin, ist Politik Theater und große Oper. Da ist es nur folgerichtig, dass Armin Thurnher die Ära Sebastian Kurz im Geiste von Karl Kraus als Staatsoperette inszeniert: Aus den letzten Tagen des Sebastian Kurz II.
Kultur, Medien, Gedöns. Ja, hmpf. Kann ich schon ein Stück weit nachvollziehen, so was (via). Früher war das Gras grüner, waren die Mieten billig, ein Brötchen kostete nen Groschen, Sprit und Gas quasi nix, die Weiber tickten noch normal, man kannte sich mit Musik noch aus, und Politik und Fernsehen waren wegen lediglich drei Programmen und drei Parteien herrlich übersichtlich. Und das schreiben sie dann ins Internet. Das es früher, als alles besser war, noch gar nicht gab. Ich würde eher sagen, früher war anders scheiße.
Monsieur Zebulon mit einem Hinweis für stilvolles Gassigehen (Leggings und Fluppe kann schließlich jeder).
New hotness: Fische beim Sex fotofieren. Gibt es dafür schon eine YouPorn-Kategorie? Bestimmt.
Musik. Die große Edita Gruberová hat uns letzte Woche leider verlassen. Ihre Zerbinetta, Constanze und Königin der Nacht sind Weltkulturerbe. Ansonsten hat sie sich vor allem auf italienischen Belcanto konzentriert. Das ist leider nicht ganz meine Welt. Bei den schweren Verdi-Partien, erst recht bei Wagner und Strauss (außer Zerbinetta), hat sie klugerweise immer abgewunken. Das mag zwar Fans enttäuscht haben, hat ihr aber wohl bis ins fortgeschrittene Alter ihre unglaublich elastische Stimme erhalten. In Jacques Offenbachs 'Hoffmanns Erzählungen', einer meiner Lieblingsopern nebenbei, werden die drei Frauenrollen normalerweise nicht von ein und derselben Sängerin übernommen. Die Gruberová hat das als eine der ganz wenigen problemlos gestemmt. Genial.
(Video im erweiterten Datenschutzmodus. Anklicken generiert keine Cookies.)
Sport. Ein Porträt von Christian 'Knappi' Knappmann, dem Cheftrainer von Westfalia Herne. Der Traditionsverein, bei dem man vielleicht noch glühender von einer gloriosen Vergangenheit zehrt als bei Schalke, steht wie die ihn umgebende Stadt scheinbar für alles, was im Ruhrpott schiefläuft. Herne ist hardcore, obwohl die Stadt selbst gar nicht mal so hässlich ist. Dann sind da welche wie Knappi. Obwohl in Düsseldorf geboren und noch keine vierzig, ein Ruhrpöttler aus dem Lehrbuch. Laut, temperamentvoll, heftig. Klug, aber kein Intellektueller. Manchmal unausstehlich und saugrob, aber auch mit einem riesigen Herzen. Solche Typen halten den Laden am Laufen.
Als ich hörte, dass in England ein Kopfballverbot im Fußball diskutiert wird, fand ich das erst einigermaßen abwegig. Dann kam Joshua Kimmich.
Essen, trinken, gut leben. Mit Extraportion dieses Mal. Jörn Kabisch über gebackenen Karpfen: Ein Fisch wie eine Frisbee-Scheibe.
Als ich hörte, dass in England ein Kopfballverbot im Fußball diskutiert wird, fand ich das erst einigermaßen abwegig. Dann kam Joshua Kimmich.
Essen, trinken, gut leben. Mit Extraportion dieses Mal. Jörn Kabisch über gebackenen Karpfen: Ein Fisch wie eine Frisbee-Scheibe.
Trinken. George Desrues über vier Weine, die zu Unrecht als "Geschloder" gelten.
Ulli Hannemann macht ein Experiment in einem Neuköllner Lokal.
Was Madame Bastian mit Pfifferlingen anstellt, wäre Rainer Balcerowiak definitiv zu bunt. Der plädiert beim Umgang mit dem delikaten Pilz für Schnörkellosigkeit. Und eine kleine Anregung zum Umgang mit Boykottaufrufen (Pfifferlinge dürfen hierzulande nicht kommerziell geerntet werden und kommen meist aus Osteuropa, darunter Diktaturen wie Belarus) gibt es auch.
Das Rezept. Kartoffelgratin ist Stammgast auf den warmen Buffets der Nation. Das hat seine Gründe: Kaum eine stärkehaltige Beilage außer Reis lässt sich so problemlos lange warmhalten. Außerdem essen Überbackenes so ziemlich alle gern. Und schließlich ist so ein Gratin ziemlich mächtig und die Zutaten sind vergleichsweise billig. Das tut der Kalkulation des Küchenchefs gut, denn so lässt sich bei der Menge an hochwertigeren Zutaten wie Fisch und Fleisch sparen.
Nur hat das Verabfolgte oft nur wenig zu tun mit der luftigen Delikatesse eines Gratin dauphinois. In der fundamentalistischen Variante gehören in den hinein: Kartoffeln, mit Lorbeer und Nelke aromatisierte Sahne, Salz, Pfeffer, Muskat, Hauch Knoblauch, Butter und sonst nichts. Mit Käse überbacken wird nicht. Wem das zu wenig Käse und zu wenig deftig ist, mag sich daher an dem versuchen, was im Badischen 'Rahmblättle' genannt wird.
Kleine Mengen Pfifferlinge putze ich auch trocken, von Hand. Ist wirklich am besten. Für größere Mengen habe ich eine Schleuderkoch-Methode, die erstaunlich gut funktioniert: Die trockenen Pfifferlinge in einer Schüssel in Mehl wälzen, bis sie weiß, also mit Mehl überzogen sind. Dann in eine Schüssel mit kaltem Wasser kippen, 10 Sekunden stehen lassen, schnell abbrausen und in der Salatschleuder trocken schleudern. Das Mehl bindet irgendwie den Dreck, der mit runterkommt, und wenn man schnell arbeitet, haben die Dinger keine Chance, sich vollzusaugen.
AntwortenLöschenBeim Falter-Text zu Kurz bin ich stutzig geworden. Bonetti? Was wird hier gespielt?
AntwortenLöschenDas wollte eigentlich eher ich fragen, Master Bonetti.
Löschen@Kurbjuhn: Interessant. Werde ich ausprobieren, sobald ich mal ordentliche Pfifferlinge unterhalb von Mondpreisen bekomme.
... Bonetti - Falter???
AntwortenLöschenDa ist was Großes geplant in Schweppenhausen. Gerüchteweise sind in den Wohnhäusern ringsum Bonettis Anwesen viele neue Personen mit Geigenkoffern gesichtet worden. Ein neues Orchester? Leute schweigen und schauen weg.
Gruß
Ein Freund
Vor meinem Haus parkt seit Tagen ein schwarzer SUV mit getönten Fensterscheiben. Muss ich mir Sorgen machen?
LöschenGenau. Und das 0:5 der Bayern gestern haben Lauterbach und Drosten eingefädelt, um der Welt zu zeigen, was mit Leuten passiert, die sich nicht impfen lassen...
Löschen@Eberling, 7:22: Schwarze Scheiben? Wiener Kennzeichen? Denke schon.
LöschenWas ist mit der Drohne über meinem Schreibtisch? Die war gestern noch nicht da.
LöschenZur Causa Nemi El-Hassan kann man sich durchaus dieses hier zu Gemüte tun.
AntwortenLöschenhttps://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/berlin-warum-der-fall-nemi-el-hassan-die-krise-des-deutschen-journalismus-aufzeigt-li.183119?pid=true
Übrigens die von Hauenstein kritische Frage, warum Frau Hassan wärend diesem Disput von den meisten Medien mit Hijab dargestellt wird, obwohl sie diesen schon seit längerem nicht mehr trägt, wird ja mal wieder von der jungle world (wo auch sonst) untermauert.