Sonntag, 20. März 2022

Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (30)


Für einen kurzen Moment im vorletzten Jahr, da war dieses zarte Pflänzchen Hoffnung gekeimt. Wir erinnern uns: Im Jahr Eins der Großen Seuche, da der Begriff ‚Vorratshaltung‘ einen völlig neuen Klang bekam. Mehl war quasi nicht mehr zu kriegen, Nudeln auch nicht. Vor allem aber: Klopapier. Zeitweise war es schwieriger, ein Paket der begehrten Arschwischrollen aufzutreiben als einen Ersttagesbogen der Blauen Mauritius. Welchen Laden man auch immer betrat: Gähnende Leere in den Regalen, in denen sonst Klorollen lagerten. Ein örtlicher arabischer Händler, der wohl irgendwo einen Posten aufgetrieben hatte und die Ware zum marktüblichen Wucherpreis feilbot, entging nur knapp der Lynchjustiz.

Lustige Bilder erschienen da im persönlichen Kopfkino. Der Deutsche als analfixierter Bunkerer, der selbstzufrieden auf seine Vorratsstapel hinauf- und auf all jene hinabschaut, die nicht so schlau waren wie er und nicht rechtzeitig vorgesorgt hatten und nun mit Bremsspuren in der Unterwäsche herumlaufen mussten.

Dann aber war da dieses Interview mit einem Hersteller von Toilettenpapier (hatte fefe mal verlinkt, find ich gerade nicht). Der bot eine plausible Erklärung für die plötzliche Knappheit an: Die Hersteller hätten zwei verschiedene Fertigungsschienen: Für gewerbliche Abnehmer, die Großpackungen abnähmen, und für Privatkunden. Die liefen im Wesentlichen parallel nebeneinander und ohne Berührungspunkte. Wenn nun, bedingt durch Lockdowns, plötzlich die Nachfrage im privaten Bereich sprunghaft anstiege und im gewerblichen Bereich in den Keller ginge, könnten die Hersteller nicht ohne weiteres reagieren. Es käme also zu Engpässen im einen und zu Überkapazitäten im anderen Bereich. Leuchtete mir ein damals. Die Landsleute, mit denen ich das Staatsgebiet zu teilen die Aufgabe habe, doch keine Nation rappschiger Hamsterbacken?

Dachte ich mir so. Denn jetzt, da eine neue Krise droht, geht das schon wieder los. Öl und Nudeln hat es dieses Mal erwischt. Als ich mit der freundlichen Verkäuferin der Einkaufsgenossenschaft deutscher Kolonialwarenhändler darüber plauschte, meinte die, mit dem Klopapier gäbe es auch wieder ein Problem. Und tatsächlich. Wieder alles ratzekahl geräubert. Nur dass dieses Mal die Ausrede mit dem homeofficebedingten Nachfrageeinbruch nicht zieht. Zumal Lokuspapier meines Wissens nach nicht zu den Produkten gehört, die wir aus Russland importieren. Rein rechnerisch müsste es welche geben, die sich immer noch mit der Ware am Anus rumschrubbem, die sie vor zwei Jahren eingekellert haben. Und so viele Schwarzhändler kann es auch nicht geben. Wird demnach doch gehamstert? Nee, so ist zu erfahren. Die Rohstoffe und die Lieferketten sind's. Unsichtbare Hand, päng päng.

Verdammter Kulturimperialismus! Die Welt war einfacher als sich noch ein großer Teil derselben anders als mit Papier säuberte. Aber was machen die jetzt mit den ganzen gebunkerten Nudeln? Trocken runterwürgen? Mit Sonnenblumenöl? Dosentomaten, Zwiebeln und Parmesan sind nämlich noch überall zu bekommen. Was ferner auffällt bei Nudeln: Ausverkauft ist nur der Billigkram. No-Name, Buitoni et al. Bioware und Qualitätsware von DeCecco et al. ist weiterhin problemlos erhältlich. Geiz ist eben doch nicht geil. Vive le snobisme!
 





7 Kommentare:

  1. ... da kommt mir doch das gute alte Tageszeitungsabo in den Sinn:
    Zeitung durchlesen
    An der Tisckante klein reissen
    Handliche Portionen an einer Ecke zusammentackern
    Vor der Benutzung mit der Hand ein wenig weichkneten
    Et voila' — eine Winwin Situation ward geboren:
    Der Profijournalismus wird unterstützt und der Toilettengang wird etwas kostenneutraler

    Nichts zu danken
    Jens

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  2. .... hmm — wenn ich hier einmal sachlich werde, traut sich keiner mehr, etwas zu posten!
    — steht zu euren Ausscheidungen!

    Gruß
    Jens

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    1. Nicht nötig. Teures Markenklopapier ist noch zu haben.

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  3. ... Herne — Toilettenpapier-Auenland.

    Gruß
    Jens

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  4. "Gemeinsam mit unseren internationalen Partnern haben wir Sanktionen verhängt, die ihresgleichen suchen. Über Monate hinweg haben wir sie bis ins kleinste Detail vorbereitet, damit sie die Richtigen treffen, damit sie wirken...."sagte der BundesScholz.

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    1. Na und? Was besagt das? Informierten Kreisen war schon seit spätestens letztem Herbst klar, dass ein russischer Krieg gegen die Ukraine bevorsteht. Nur Putinkuschler haben das bis zuletzt nicht wahrhaben wollen.

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    2. Das besagt, dass der Krieg von beiden Seiten nicht nur gewollt war, sondern ein Vehikel ist.

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