Die Älteren werden sich vielleicht erinnern: In den 1970ern gab es Gruppierungen wie die RAF oder den 'Revolutionären Kampf'. Letztere waren die Leutchen um Matthias Beltz, Daniel Cohn-Bendit, Joschka Fischer et al., die beim Opel in Rüsselsheim anheuerten, um die dortigen Arbeiter zum Revolutionmachen zu bewegen. Die waren alle überzeugt, das herrschende System stünde unmittelbar vor dem Kollaps, ein letzter Schubs würde genügen, um es zum Einsturz zu bringen. Was, fragen sich heute viele mit gewissem Befremden, machte die bloß so sicher?
Etwas weniger befremdlich wird das, wenn man sich die damaligen Inflationsraten in der BRD West anschaut. Wer war davon am stärksten betroffen? Genau, Menschen mit geringem Einkommen. Hinzu kam, dass der Ostblock durch die Ölkrise ab 1973 wegen der sowjetischen Ölexporte einen gewissen Aufschwung erlebte. Vor allem die DDR hatte ein cleveres Geschäftsmodell darin gefunden, das im Rahmen der gegenseitigen Wirtschaftshilfe billig bezogene sowjetische Öl zu Weltmarktpreisen weiterzuverkaufen. War es da wirklich so unwahrscheinlich, dass auch ansonsten ordentlich verdienende Arbeiter ins Grübeln gerieten, ob das westliche Modell wirklich das überlegene ist?
***
Langsam aber sicher schält sich Hansi Flicks strategische Marschroute für die WM
2022 im Arbeiterparadies Katar heraus: Sieben Spiele sind es bis zum
Titel, drei Gruppenspiele, vier K.o.-Spiele. Rechnerisch ist es möglich,
die Gruppenphase mit einem klaren Sieg gegen die Gurkentruppe der
Gruppe, die froh ist, überhaupt dabei zu sein, und zwei mal 1 : 1
unentschieden zu überstehen. Danach muss man noch vier Mal ein 1 : 1
über 120 Minuten plus Nachspielzeit halten und jeweils das
Elfmeterschießen gewinnen -- fertig ist die Laube. Nach bisherigen
Erkenntnissen aus der UEFA Nations League hat es die deutsche
Nationalmannschaft zu einer gewissen Meisterschaft darin gebracht, gegen
beliebige Gegner 1 : 1 zu spielen. Die Welt muss also zittern.
***
Sehr geehrter Arbeitgeber,
aufgrund von sprunghaft gestiegenen Lebenshaltungskosten sehe ich mich leider gezwungen, den Preis für das Zurverfügungstellen meiner Arbeitsleistung zum nächsten Monat um 20 Prozent auf xx,yy Euro zu erhöhen. Ich war bei meiner Kalkulation so zurückhaltend wie möglich und habe daher nicht berücksichtigt, dass etliche Konsumgüter noch teurer geworden sind. Ich bitte um Verständnis für diesen leider unumgänglichen Schritt. Mit freundlichen Grüßen undsoweiter...
***
Nettes Interview mit Harald Schmidt in der 'Berliner Zeitung'. Unter anderem übers Theater.
"Wenn ich ins Theater gehe, möchte ich möglichst virtuose Schauspieler und ein Stück sehen. Mich interessieren keine Projekte und auch nicht die politische Befindlichkeit eines Ensembles, weil da fehlt den Ensemble-Mitgliedern die Kompetenz. Das funktioniert nur in einem System, wo die Theater mit Milliarden subventioniert werden. Wenn Sie im Londoner Westend oder am Broadway spielen, ist mit solchen Ideen bereits nach dem ersten Vorstellungstag Schluss." (Schmidt, a.a.O.)
Und über Sahra Wagenknecht heißt es (thanks):
"Ich kenne niemanden, der begeisterter von Sahra Wagenknecht ist als deutsche Investment-Banker, die wissen: Es ist alles richtig, was sie sagt, zum Glück kann sie es nicht umsetzen."
***
***
Apropos Inflation: Die Monetaristen haben uns ja immer
erzählt, einfach so Geld zu drucken gönge nicht, denn das erhöhe die
Inflationsrate und sei daher tunlichst zu vermeiden. Fun fact: Allein
die EZB hat als Reaktion auf die Finanzkrise die Geldmenge seit 2008 um stolze vier Billionen Euro erhöht, ohne dass die Inflationsrate das
irgendwie gejuckt hätte.
Zwei Dolle, ein Gedanke. Habe das Schmidt-Interview auch gelesen und gleich zu einem Bonetti-Interview verwurstet.
AntwortenLöschenSchmidt und Bonetti nähern sich zunehmend dem
Löschenspäten Karl Lagerfeld an.