die 80er Jahre waren rückblickend wirklich mega stark, Häuser haben 30 Mark gekostet, die Miete war eine warme Umarmung pro Monat, im Radio ausschließlich Banger, die Grünen haben noch den Anschein eines Ficks gegeben und Fußballer hatten die kürzesten aller Hosen an, 10/10
— E L H O T Z O (@elhotzo) June 24, 2022
Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
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Sonntag, 17. Juli 2022
Sommerloch: Über die Achtziger
"Die Welt von Westeros nämlich ist bereits eine im Zustand der
Entzauberung. Die Menschen hängen noch alten Legenden nach, sie träumen
von einer besseren Vergangenheit; sie verhalten sich wie die Bewohner
einer barbarischen, postheroischen Kultur zu einer heroischen
Vergangenheit, in der, vielleicht, die Werte, auf die man sich
gelegentlich bezieht, noch wirklich gegolten haben." (Georg Seeßlen)
Es war im letzten Sommer. Ich saß mit Teilen meiner bayerischen
Verwandtschaft beim Grillen, als der neben mir sitzende, schweigend
trinkende Beinahe-Ehemann meiner Großcousine auch mal was sagte. Im
Hintergrund lief irgendeine Achtzigerjahre-Mucke und es wurde gerätselt,
von wem sie sei. Da grummelte mein Sitznachbar plötzlich: "Die
Achtziger waren eh des Beste, hernach is nur noch Schmarrn kemma." Ich
zuckte innerlich zusammen. Sieh an, dachte ich, noch so einer, der die
Achtziger für das tollste aller Jahrzehnte hält. Nicht rumdiskutieren,
beherrschte ich mich, das bringt eh nix. Aber diese
Achtzigerjahre-Nostalgie geht mir dermaßen auf die Eier!
Glücklicherweise ließ er's dann auch bei dieser einen Bemerkung bewenden
und wandte sich wieder seinen Weißbieren zu.
Und jetzt stieß ich in Malte Henks lesenswertem Recherchestück über die AfD auf folgendes:
"An
diesem Abend von verblüffender Harmlosigkeit geschieht etwas mit mir.
Plötzlich bin ich wieder in der Welt meiner Kindheit, Anfang der
achtziger Jahre in der alten BRD, und in meiner Erinnerung tauchen die
Männer auf, die damals unser Dorf bevölkerten. Sie redeten eher wenig
als viel, konnten kein Englisch und sahen in der Welt außerhalb Europas
einen Ort der Gefahren, weshalb sie höchstens in Italien oder Spanien
Urlaub machten. Der Konservatismus dieser Männer schien quasi angeboren.
Als Mittel zur Bewältigung des Lebens setzten sie auf das, was sie
gesunden Menschenverstand nannten. Mit seinem Jetzt-mal-Klartext-Habitus
wäre Uwe Junge um 1984 bei uns im Fußballvereinsheim super angekommen,
anders gesagt: Er hätte die Mehrheit repräsentiert."
Wenn
das so ist, dann hilft alles nichts, dann müssen wir ein wenig
gründlicher über dieses viel idealisierte Jahrzehnt reden. 1988 habe ich
Abitur gemacht, daher den größten Teil der Achtziger in der Schule
verbracht. Ich kann also ein wenig mitreden. Obwohl meine Kindheit und
Jugend ziemlich durchschnittlich waren und meine Eltern sich redlich
Mühe gaben, nicht allzuviel zu verbocken in Sachen Erziehung (was nicht
selbstverständlich war), kann ich wirklich nicht behaupten, dass ich die
Achtziger jenseits nostalgischer Verklärung besonders dolle fände. Bei
Lichte besehen waren sie sogar ein ziemlich normales Jahrzehnt. (Wer von
längerem Lesen leicht genervt ist, möge bitte jetzt runterscrollen und
hinterher nicht rummoppern.)
Fangen
wir mit der Musik an. Davon wird ja am meisten geschwärmt. Ok, ja, es
gab das eine oder andere gute, keine Frage. Die Neue Deutsche Welle
bekam ich noch mit, war aber streng genommen zu jung. Was soll's, gute
Musik ist eh zeitlos, der Rest sind bloß Modeerscheinungen, die wieder
verschwinden. Fast alle Pop- und Rockmusik, die ich mochte und mag, hat
ihre Wurzeln in den Sechzigern, eher in den Siebzigern, und kämpfte in
den Achtzigern mühsam ums Überleben. Wegen Synthi-Pop, wegen Gräueln wie
Modern Talking, wegen House, Aciiid! und anderen Urformen jenes
Umz!-Umz!-Umz!-Geräuschteppichs, der ab den Neunzigern allgegenwärtig
werden sollte. Wegen gelackter New-Wave-Püppis, die sich für Kunstwerke
hielten, oder wegen schwer betroffener Liedermacher, die in einer Tour
vom Frieden nölten oder über ihre Gefühle und dazu klampften.
Wir
hatten damals nämlich Friedensbewegung im Endstadium. Weil ja jeden Tag
der Russe über die Grenze kommen konnte, war die BRD ein einziges
Heerlager und alle hatten Angst. Dazu trugen nicht wenige Männer und
Frauen lila Latzhosen. Zündeten Räucherstäbchen an. Tranken
aromatisierten Tee aus irdenen Schälchen ohne Henkel, die man deshalb
nicht anfassen konnte. Und diskutierten. Stundenlang, bis in die
fallende Nacht. Bis der Morgen graute. Über ihre Ängste und
Beklemmungen. Über nuklearen Winter, Overkill und das Fulda Gap,
womit sich Friedensbewegte oft besser auskannten als gestandene
Offiziere vom Bund. Wer im Leben mehr als einmal in so einen
moralinsauren Kirchentag im Kleinformat geraten ist, dem erscheint
rückwirkend die Spaßgesellschaft der folgenden Dekade als geradezu
zwingende Konsequenz.
Na,
wo soll ich weitermachen? 'Twix' hieß Raider, Computer hatten
Klötzchengrafik, so man überhaupt einen hatte. Nein, man hatte natürlich
keinen, zumindest keinen richtigen, sondern nur einen Homecomputer, der
keine Textverarbeitung konnte. Und so tippte man alles, was so zu
tippen war, auf einer mechanischen Schreibmaschine und hantierte mit
Tipp-Ex und Klebestift herum. Sollte es was Vorzeigbares werden, etwa
eine Schülerzeitung, dann heuerte man entweder einen Hobbygrafiker an,
der diese tolle, verschnörkelte Schrift konnte, die leider unlesbar war
(und typographisch eine Katastrophe), oder man brach sich stundenlang
mit Letraset-Rubbelbuchstaben einen ab.
Normalerweise
ist Mode mir ziemlich wumpe, aber die Ästhetik der Achtziger war ein
Kapitel für sich. Wenn man von speziellem Publikum wie Gothics und Punks
mal absieht, trugen die Kerle, die keine Latzhosen anhatten,
Cowboystiefel und Netzhemden, Vokuhila oder Minipli und stopften
pastellfarbene Sweatshirts in ihre Vanillahosen oder
Atze-Schröder-Eierkneifer. Wer einen aufgemotzten Opel Manta fuhr,
machte sich damit noch nicht komplett zum Horst, sondern war geachtetes
Mitglied der Gesellschaft. Die entsprechenden Mädels trugen
Schulterpolster, malten ihre köchelhohen Turnschuhe mit Kugelschreiber
voll und weißten sich die Lippen. Hatte man Glück, dann trug eine, auf
die man stand, ein tief ausgeschnittenes Shirt mit nix drunter. Das war
etwas, wovon man mitunter noch monatelang zehrte, denn wer als
Minderjähriger Pornos wollte, brauchte ein gutes Versteck und einen
älteren Bruder (bzw. eine Vertrauensperson, die einen älteren Bruder
hatte), wollte er nicht auf 'Bravo' oder 'Praline' angewiesen bleiben.
Ach
so, apropos Medien: Es gab drei Fernsehprogramme. Wenn man Glück hatte,
später auch fünf. Dann hatten aber drei davon so viel Schnee, dass man
sie gleich vergessen konnte. Videorecorder waren für einen Otto
Normalbürger noch quasi unbezahlbar. Wer einen hatte, dessen Heim befand
sich im Belagerungszustand, weil alle andauernd zum Videogucken
vorbeikommen wollten. Videos gab es auf VHS-Kassetten, das waren wahre
Wunderwerke der Feinmechanik. Leider machten die gerne mal Bandsalat,
was in der Videothek dann immer ein ganz großes Hallo war. Wo wir gerade
dabei sind: Oft hört man auch, die Filme seien damals so viel cooler
gewesen. Geht der Witz auch in Farbe?
Klar, 'Zurück in die Zukunft' war
nett. 'Aliens', 'Wall Street' und ein paar andere Sachen auch. Jede Zeit
bringt irgendwie ein paar Klassiker hervor. Aber dafür gab es eben auch
eine riesige Menge Schrott. Ich würde vermuten, in etwa genau so viel
wie in anderen Jahrzehnten. Erinnert sich noch einer an die Zeit, als im
Fahrwasser des Erfolgs von 'Terminator' jeder zweit- bis drittklassige
Actionstreifen mit irgendeinem wortkargen, schießwütigen Muskelprotz in
der Hauptrolle einen Namen hatte, der auf '-ator' endete (was von Otto
Waalkes seinerzeit übrigens kongenial parodiert wurde)? Oder an die ganzen Brat-Pack-Filme,
in denen immer dieselben amerikanischen Jungschauspieler verwöhnte
Blagen spielten, die stundenlang ihre Luxusprobleme breittraten?
Internet
war natürlich nicht. Der Vorläufer hieß BTX, konnte nix, kostete aber
im Monat ungefähr das Jahresgehalt eines Hilfsarbeiters. Ansonsten
durfte man maximal zwei Meter Telefonschnur haben. Wer wenigstens etwas
Bewegungsfreiheit wollte und widerrechtlich mehr dranklemmte, musste mit
empfindlichen Strafen rechnen. Denn ein Telefon war Staatseigentum,
daran herumzuschrauben ein hoheitlicher Akt. Bevor jemand fragt:
Schnurlose Telefone wogen damals 15 Kilo, hatten eine drei Meter lange
Antenne, der Akku hielt zwei Stunden und man musste mindestens Zahnarzt
sein, um sich die Gebührenaufschläge leisten zu können. Erwischt beim
Kabelfrevel wurde übrigens selten jemand, denn Telefontechniker von der
Post waren eine äußerst rare Spezies. Wer etwas ganz Wildes vorhatte,
etwa sein offizielles hornhautgraues Posttelefon mit Wählscheibe gegen
ein offizielles popelgrünes (mit Tasten!) einzutauschen, hatte einen
Mordspapierkram zu erledigen und konnte sich glücklich schätzen, wenn er
nur ein paar Monate warten musste. Wer einen Anrufbeantworter hatte,
war schon technische Avantgarde. Ahh, die guten alten Zeiten! War denn
wenigstens das Essen gut?
Ganz
am Ende der Achtziger war ich mal in Rom, weil Schulfreund G. da
studierte. Als ich dort zum ersten Mal in meinem Leben Pasta mit frisch
geriebenem Parmesan aß und Antipasti mit wirklich gutem Olivenöl,
erlebte ich einen Moment klarster und reinster Erkenntnis. Es war, als
ob eine innere Stimme mir sagte: Höre! Von Stund an bist du für das
gruselige Zeug aus den Tütchen, das du immer für lecker gehalten
hattest, ein für allemal verloren. Und, nein, auch das, was sie dir
daheim als Öl verkaufen, ist nicht gut. Du bist kein Snob, aber es gibt
Dinge, hinter die geht man einfach nicht mehr zurück, verstanden? Mich
in Italien mit einem ordentlichen Vorrat einzudecken, dafür reichte
damals die Reisekasse nicht. Dort, wo ich zu Hause war, musste man für
ein Stück Parmesan in den Feinkostladen, wo der köstliche Käse dann, den
Preisen nach zu urteilen, in purem Gold aufgewogen wurde. Ich darbte,
bis sich erst Supermärkte, dann sogar Discounter diesbezüglich meiner
erbarmten.
Auch
ordentlichen Cappuccino lernte ich während dieser denkwürdigen Woche
kennen und lieben. Dummerweise hatten wir die Achtziger, also die Zeit,
in der Gastwirte ungeschoren davon kamen, wenn sie ihren Gästen
säuerlichen Filterkaffee mit Sprühsahnehaube als 'Original italienischen
Cappuccino' verhökerten. Weil Il Michele tedescho, der gerade
verschärft den Italiener in sich entdeckte, das so begeistert wie
schmerzfrei wegschlabberte. Die einzige Chance, in der Heimat an das
Göttergetränk zu gelangen, war, im italienischen Eiscafé am Ort
einzukehren. Dort kostete der Cappuccino nicht wie in der römischen Bar
etwa umgerechnet eine, sondern unverschämte 3 Mark 50, der Laden war
gerade augenkrebserzeugend renoviert worden und es liefen dort fast nur
Wichtigmacher und Adabeis in 'Miami-Vice'-Klamotten und Aktenköfferchen
rum.
So
man überhaupt in Jahrzehnten denken will, dann waren die Achtziger
nämlich das, in denen die Restpiefigkeit jener Jahre, in denen die
Überlebenden der autoritären Adenauer-Nachkriegsgeneration das Sagen
hatten, noch nachwirkte und sich vermischte mit dem neureichen
Design-Geprotze und asozialen Kälte der Streber-Yuppies. Es war die
Dekade, in der die selbstbezogenen Lautsprecher, die Ichlinge, die
keinen Bock mehr hatten auf Sozialgedöns, langsam das Ruder übernahmen.
Dass heutzutage BWLer und andere Schlipsmichel die Welt regieren, nahm
damals seinen Anfang. Ansonsten herrschte politisch weitgehend
Stagnation. Helmut Kohl war als Bundeskanzler gesetzt, saß sämtliche
sämtliche Demos, Untersuchungsausschüsse und alle Skandale, die einen
Willy Brandt noch ums Amt gebracht hätten, gnadenlos aus, wir schämten
uns fremd für den dicken Oggersheimer oder machten uns lustig über ihn,
mehr war nicht.
Aber
das Leben war doch so geordnet, höre ich da nölen. Es gab noch richtig
und falsch. Alle hatten Arbeit, die Kirchen waren noch voll, die SPD
hatte noch Mitglieder, die Grünen waren noch cool und man hielt ganz
anders zusammen. Ist das so? Mag sein. Wenn man ein properes
westdeutsches Wohlstandskind war, vielleicht. Man sollte sicher auch
nicht leugnen, dass der Wohlstand weiter gestreut war, die viel
besungene Schere zwischen Arm und Reich noch nicht so weit
auseinanderklaffte wie heute. Zu sehr aus der Reihe zu tanzen, war
allerdings meist eine schlechte Idee.
Ich
will weiß Gott nicht behaupten, dass in dieser Hinsicht heute alles zum
Besten stünde, kann's auch nicht wirklich beurteilen, aber mir scheint,
die Lässigkeit im Umgang mit alternativen Lebensentwürfen hat an vielen
Stellen definitiv zugenommen. Es war durchaus die Regel, als
alleinerziehende Mutter stigmatisiert zu sein. Und wer in den Achtzigern
homosexuell war, lebte besser entweder in einer der Städte mit mehr als
einer Million Einwohner (Westberlin, Hamburg, München, Köln) oder hielt
es strikt geheim. Ein offen schwuler Außenminister? Dessen
hinterbliebenem Ehemann im Todesfall die gesamte politische Klasse
kondoliert, als sei's das Normalste von der Welt? Undenkbar! Die
schwulen Männer und lesbischen Frauen, die ich so kenne, würden sich
allesamt lieber ohne Narkose ein Bein abnehmen lassen als sich die
Achtziger zurückzuwünschen. Und da wir gerade bei Minderheiten sind: Wie
man damals vielerorts mit den hier lebenden Migranten umging, die noch
'Gastarbeiter' hießen, darüber sollte man lieber verschämt schweigen.
Wer
von Wohlstand für alle, hohen Steuersätzen für Reiche und
vergleichsweise großzügigen Sozialleistungen schwärmt, sollte aber auch
so ehrlich sein, einzuräumen, dass das möglich war wegen des Kalten
Krieges - möchte den jemand zurück? Hand hoch! - der die ärgsten
Auswüchse des Kapitalismus auf dieser Seite der Mauer wenigstens etwas
im Zaume hielt. Übrigens lagen auf der anderen Seite der Mauer damals
jene Billiglohnländer, in denen die Produkte hergestellt wurden, die
sich bei uns auch die 'kleinen Leute' leisten konnten. Und wer ernsthaft
glaubt, damals habe es noch keine prekäre Beschäftigung gegeben, keine
Leiharbeit und keine Ausbeutung, ist wahrscheinlich Deutscher und muss
zur Strafe Günter Wallraff lesen.
Aber
wenigstens hat's damals keine Neonazis gegeben, nicht wahr? Zumindest
nicht im demokratisch befriedeten, politisch korrekten Westen. Und wenn
doch ein paar, dann aber bestimmt nicht jenseits kleiner, weitgehend
marginalisierter Milieus wie dem notorischen Waffen SS-Kostümverein
namens Wehrsportgruppe Hoffmann, oder? Nope, auch in die Suppe muss ich spucken. Schon 1979 fanden die Autoren der Sinus-Studie
bei knapp 15 Prozent der Westdeutschen das, was sie ein "geschlossenes
rechtsextremes Weltbild" nannten. Wie gesagt: Westdeutschland 1979. Fast
alle hatten Arbeit. Geringer Migrantenanteil. Allen ging's gut.
Man
könnte noch etliche Beispiele anführen, um zu belegen, dass die
Achtzigerjahre mitnichten eine ganz besonders tolle, sondern insgesamt
eine ziemlich durchschnittlich beschissene Dekade waren. Wer etwa davon
schwärmt, dass damals noch nicht dieser Konsumterror herrschte, sei
daran erinnert, dass Millionen Jugendliche auf Kinderfahrrädern
rumgurkten wie nicht gescheit und das BMX
nannten. Oder dass Millionen Mädchen und Frauen und einige Männer sich
schreibuntes Turnzeug und wollene Stulpen anzogen, zu Schallplatten
(Vinyl! Vinyl!) mehr oder minder rhythmisch herumhopsten und das 'Aerobic' nannten. Nicht schön, so was! Wir nahmen's halt nur nicht so wahr.
Denn
nie wieder im Leben war ich so unbeschwert wie damals, Ende der
Achtziger, als ich die Schule hinter mir hatte. Was kostete die Welt?
Zukunftsangst kannte ich nicht. Alles war andauernd auf Anfang, alles
neu und aufregend. Nie wieder habe ich so leicht so enge und intensive
Freundschaften geschlossen, war so dicke mit so vielen wie damals. Ich
werde manchmal durchaus melancholisch, wenn ich daran denke. Das alles
hatte aber nichts damit zu tun, dass es die Achtziger waren, sondern
schlicht und einfach damit, dass ich eben jung war. Wäre ich zehn Jahre
jünger, würde ich wohl ähnliches über die Neunziger sagen, wäre ich zehn
Jahre älter, über die Siebziger.
Wenn
Malte Henk recht hat, dann ist es vielleicht auch kein Zufall, dass ein
im Kern rückwärts gewandtes Genre wie Fantasy, darunter 'Game Of
Thrones', seit einiger Zeit so populär ist. Das liefert zwar große, aber
letztlich geschlossene Gegenwelten liefert, die man noch verstehen
kann, hilft beim Idealisieren eigener imaginierter Heldentaten.
Übrigens: Dinge wie höhere Steuern für Reiche, eine Erbschaftssteuer und
wieder höhere Körperschaftssteuern, dazu eine gründliche Reform des
Sozialsystems, zumindest die Abschaffung des widerlichen
Hartz-IV-Sanktionswesens und eine Erhöhung des Regelsatzes, so für den
Anfang. Insgesamt fände ich also ein klein wenig Back To The Eighties dringend geboten. Es war ja nicht alles schlecht damals.
Wie schon in den vergangenen Jahren werden hier für den Rest des Sommers ältere Beiträge in Neuauflage erscheinen. Das Obige erschien hier erstmals am 19. März 2016. Zeittypische Eigenheiten wurden beibehalten, ein aktueller Tweet wurde eingefügt.
6 Kommentare:
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....nur ganz kurz:.....geboren 1952 und die immer so beschriebene Sorge, dass der Iwan kommt und es zum Atomkrieg kommt, hatte ich nie.....frg mich, was die Leute für Probleme haben...
AntwortenLöschenTeil 1
AntwortenLöschenDer Blick zurück ist in vielerlei Hinsicht und oft verklärt, je nachdem, was damit verbunden ist.
Als in der DDR Aufgewachsener waren für mich die 80iger tatsächlich eine Art Befreiungsdekade. Einerseits spürte man selbst als noch wenig reflektierender Jugendlicher, dass die systemischen Grenzen vor allem in ideologischer Hinsicht enger wurden. Andererseits wurde wegen dieses Zwangs aber auch vieles geduldet, um unnötige Unruhe zu vermeiden, die sich sonst vielleicht nicht mehr hätte unterdrücken lassen. Sicher hat da auch der schwindende Druck des "Großen Bruders" UdSSR nach Gorbatschows Antritt hineingespielt.
Die Friedensbewegung wurde dabei einerseits ambivalent vereinnahmt und trotzdem zu unterdrücken versucht, wenn sie aus der kirchlichen Ecke kam, weil Frieden ja ohnehin "offizieller Bestandteil" des Sozialismus war und damit gesetztes Programm. In diesem Zusammenhang finde ich auch, dass die Musik im Osten Deutschlands in vielerlei Hinsicht bewußter und tiefgreifender war sowohl im Hinblick auf Kritik am eigenen Land/System als auch an Hochrüstung als Konsequenz des Kalten Krieges. Dabei war immer so ein Schwanken zwischen Endzeit- und Aufbruchstimmung enthalten. Viele dieser musikalischen Ansätze auch aus der protestierenden Subszene wie Feeling B, Sandow und wie sie alle hießen, haben sich ja teils bis heute gehalten und heißen z.B. Rammstein. Als damals langhaariger Metaller war man ja sowieso immer Mode;-)
Vom "Ostrock" sind bis heute schier epische Dinger wie die Lieder von Karat, Karussell oder City als Klassiker stehengeblieben. Silly als schon damals kontroverse Truppe auch im Privaten, Stern Meißen oder die ewigen Puhdys mit "Das Buch" seien noch genannt. Die härtere Schiene bediente BERLUC mit z.B. "No Bomb", Formel 1, Rockhaus, Pankow und noch ein paar Combos, die viele gar nicht mehr kennen. Gundermann ist ebenfalls Legion, aber auch Gerhard Schöne und andere, die eher der Liedermacherszene zuzuordnen sind. Viele sind ja teils auch da bis heute aktiv und IC Falkenberg setzt sich als ehemaliger Sänger von Stern Meißen und inzwischen Solist bis heute kritisch mit den jeweiligen Umständen auseinander.
Was aus westlicher Richtung so rüberschwappte, waren neben für mich in erster Linie Heavy Metal halt der ganze Mainstream an leicht konsumierbaren Pop, bei der NDW war das Spektrum ja auch von völligem Schrott über halb dadaistische Ansätze wie bei Trio bis durchaus auch kritischen Sachen wie Geier Sturzflug.
Teil 2
AntwortenLöschenUnd dann kam die Wende, wir hatten viele Hoffnungen und kurzzeitig auch auf einen wirklich demokratischen Sozialismus mit einem länger dauernden Zusammenwachsen beider deutscher Staaten und wurden sehr schnell von der Realität überholt bzw. ist es auch da schon wie jetzt gewesen, dass längerfristige Geschichten trotz allem Vernünftigeren meist gegen das Kurzstreckendenken keine Chance haben. Einerseits war die Mauer als das Symbol des Teilens weg, andererseits sind durch das Vereinnahmen und Unterbuttern des Ostens viele positive Dinge auf der Strecke geblieben. Für mich selber war das dann ein sehr schnelles "Erwachsenwerden" vom aus ostdeutscher Sicht eher sorgenfreien Gründen einer Familie mit Kindern beim Schwenk zur "Marktwirtschaft" mit all ihren Risiken und problemen für den Einzelnen. Ab da war die Jugend faktisch vorbei.
Ob da jetzt andere Jahrzehnte im Hinblick auf das im Artikel Beschriebene zum Gesellschaftlichen in anderen Jahrzehnten besser oder schlechter war?
Vieles wie prekäre Arbeit, soziale Unsicherheit usw. hat sich doch nie geändert und wurde mit dem Wegfall des "Schaufensters West" nur mehr und damit sichtbarer. Die Ausgegrenzten gab´s auch damals schon. Und ob damals der manta als Proletenporsche oder heute die Halbwilden als "Poserszene" spiegelt sich das "Hauptsache Ich" auch da durch die Zeiten und auf die eine oder andere Weise wollen halt viele wenigstens einmal "Erster" sein, ohne dabei Rücksicht nehmen zu müssen und zu wollen.
Andreas Kieling hat das im letzten Nachtcafé auf seiner Suche nach Freiheit gut beschrieben als der Wechsel von der physikalisch beengenden DDR zur geistig einschränkenden Piefigkeit des Westens.
Herzlichen Dank für die ausführlichen Gedanken. Immer wieder eine Freude. Was die Ost-Rockmusik angeht, habe ich übrigens eine Kleinigkeit in petto.
LöschenIch mag diese "früher war alles besser"-Nummer ja auch überhaupt nicht und vielen Dank für die Entklitterung, aber in den 80ern war doch auch wirklich nicht komplett alles schlecht
AntwortenLöschenZum Beispiel:
Iron Maiden - Live after Death
Bomb Jack
Metallica - Master of Puppets
Magic Gum
Hellraiser
Powell Peralta, Santa Cruz und die ganze Skateboardszene
Beach Head 2
RoboCop
a-ha - Take On Me
Beat Streat (sowohl der Film als auch die Mucke)
überhaupt: Breakdance und Graffiti
Anne Clark - Our Darkness
Paul Hardcastle - 19
Sigue Sigue Sputnik
Nina Hagen - Naturträne
Tron
Megadeth - Peace Sells... but who's buying?
Ach... ich könnte stundenlang so weitermachen :)
Der Big Trak war leider schon 1979 und die Schlachtrufe BRD ist von 1990, scheiden also beide knapp aus.
Hab' Die Ärzte vergessen :-D
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