Samstag, 10. September 2022

Anflüge von Sympathie


Die am Donnerstag mit 96 Jahren final von ihren Funktionen entbundene Elizabeth Windsor, formerly known as Sachsen-Coburg-Gotha, besser bekannt als Königin Elisabeth II., war sicher keine Intellektuelle. Aber sie war eine kluge Frau, die sich keinen Illusionen hingab. Aus den wenigen privaten Äußerungen, die so durchsickerten, kann man herauslesen, dass sie ihre Rolle und die der britischen Monarchie keineswegs überschätzte, erst recht nicht sich selbst, und dass sie, mit Ausnahme Winston Churchills, mit Labour-Premierministern normalerweise besser klarkam als mit konservativen. Als sie 1953 den Thron bestieg, war Adenauer Kanzler, Harry S. Truman saß im Weißen Haus und Stalin im Kreml. Das letzte Staatsoberhaupt, das im Amt war, als ich zu Welt kam.

Eitel soll sie überhaupt nicht gewesen sein, der ganze Prunk bloß Mittel zum Zweck, die Monarchie nach außen hin zu repräsentieren. Trennung von Institution und Person. Die Monarchie ist das wichtige, nicht, wer gerade auf dem Thron sitzt. Vormodern, gibt es in Europa sonst nur noch beim Papst in Rom. Ein Dokumentarfilm aus den Neunzigern zeigte Elizabeth mal beim Aufenthalt in Schottland. Da trägt sie alte Klamotten und Gummistiefel, kachelt mit einem alten Land Rover über Feldwege und sagt, wäre sie nicht Königin geworden, wäre sie am liebsten Bäuerin. Auch wenn es inszeniert gewesen sein mochte, war es glaubwürdig. Möglicherweise war es ihre Ausbildung zur Kfz-Mechanikerin, die sie im Krieg machte, dass sie wusste, wie ölige Hände sich anfühlen, die sie auch bei der Working class geachtet sein ließ.

"Her majesty’s a pretty nice girl / But she doesn't have a lot to say." (Paul McCartney)

Im 21. Jahrhundert sind Erbmonarchien purer Anachronismus. Die britische existiert nur noch, weil diverse Regenten es seit der Magna Charta immer wieder verstanden haben, Zugeständnisse an den herrschenden Zeitgeist zu machen. Passe dich behutsam an oder du wirst untergehen, lautete die Devise. Dafür, was passieren kann, wenn man allzu trotzig an uralten Traditionen festhält, liefert die Zeit seit 1789 genügend warnende Beispiele. Mit Glück wurden die Betreffenden irgendwohin ins Exil geschickt und beendeten ihr Leben mit Kopf auf den Schultern oder ohne Blei im Körper.

Es gibt Mitglieder der Königsfamilie, die da ins Bild passen, sich deutlich schwerer tun, den Knall zu hören. Bekanntlich wurde dem gerade so gerade eben nicht rechtskräftig verurteilen Andrew, schon in den Achtzigern als 'Randy Andy' bekannt, vorgeworfen, sich von entsprechendem Fachpersonal wie dem verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein ein wenig zu junge Mädchen zwecks Amüsement zuführen zu lassen. Nicht ausgeschlossen, dass er glaubt, das gehöre zu seinen traditionellen royalen Privilegien und er bis heute nicht versteht, was die ganze Aufregung soll.

Vor einem Vierteljahrhundert sah es so aus, als kippe die Stimmung wirklich und die britische Monarchie könnte nach knapp tausend Jahren aufs Abstellgleis geschoben werden. 1997 verunglückte Ex-Prinzessin Diana, die ein Prinzessinnendasein unbedarfterweise immer mit Selbstverwirklichung verwechselt, das mit der Trennung von Institution und Person nie kapiert hatte. Die ungeschickte Reaktion der Royals darauf nutzte zudem der frettchenhafte, mit einer radikal antiroyalistischen Ehefrau ausgestattete Tony Blair für Publicity in eigener Sache und die Queen stand auf einmal arg zerrupft da. Einst waren Elizabeth und ihr Mann Philip die treibenden Kräfte gewesen, gegen den Widerstand von Traditionalisten moderne Massenmedien zu nutzen, nun waren sie es, die in Sachen moderne Massenkommunikation hoffnungslos hinterherhinkten.

"Mir ist die Queen seltsamerweise immer sehr sympathisch gewesen, während ich Diana absolut nicht ausstehen konnte. Diana ist für mich ein manipulatives, eitles Miststück, das mich mit ihrem debil-doofen Blick aus gesenkten Kopf mit nach oben geöffneten Augen, stets abstieß. Harry, Meghan und Kate kann ich ebenfalls nicht leiden. William wirkt etwas sympathischer, allerdings scheint er recht dämlich und langweilig zu sein. Vielleicht habe ich auch nur Mitleid, weil ihm schon als Teenager die Haare ausfielen. Ich mochte Queen Mum, Anne und Margareth. Und ich bin definitiv Team Charles und Camilla. Die beiden dürften die intelligentesten Mitglieder der Windsor-Familie sein. Insofern haben die Briten noch Glück mit ihrem neuen König." (Tammox)

Die Royals erwiesen sich als lernfähig. Man holte PR-Strategen und Medienberater ins Haus und renovierte die Öffentlichkeitsarbeit des arg angestaubten Ladens. Nicht ohne Erfolg.

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Die späte Elizabeth war beliebt wie nie, während Dianas Stern zusehends verblasste und nur noch im Kontext der Yellow Press matt funzelt. Warum? Weil sie irgendwie immer schon da war? Wie eine liebgewonnene alte, stehengebliebene Uhr, die zwei mal am Tag die richtige Zeit anzeigt? Weil sie in diesen bewegten Zeiten ein Fels der Kontinuität war, wie jetzt allenthalben gekurbelt wird? Möglich. Aber auch oberflächlich. Weil auch die Zeiten andere geworden sind.

Natürlich ist eine Monarchie eine teure und irrationale Sache. Die Idee, dass eine Familie, deren Mitglieder sich in prächtigen Schlössern ein schönes Leben machen, allein weil sie qua Geburt von Gottes Gnaden als was Besseres gelten, ist heutzutage kaum mehr vermittelbar. Nur hat sich in diesen Zeiten eines komplett freidrehenden Kapitalismus auch eine kleine Schicht pervers Superreicher zu Weltherrschern aufgeschwungen. Man wetteifert unter anderem darum, wer mit dem monströsesten Schlachtschiff über die Weltmeere kreuzt. Die Königin bekam vom Unterhaus 1997 ihre Yacht weggekürzt und fügte sich.

Der Reichtum dieser neuen Masters Of The Universe übersteigt längst den Staatshaushalt etlicher ärmerer Länder auf der Erde. Gegen die Bezos' und Musks dieser Welt und andere Oligarchen nehmen die ihrerseits alles andere als armen britischen Royals geradezu als kleine Krauter aus. Dafür haben die etwas, das die Superreichen sich mit allen Milliarden nie werden kaufen können. Tradition, Geschichte, einen Nimbus. Und wer es doch versucht, etwa mit einem gekauften Adelstitel, macht sich zuverlässig lächerlich.

Ist es wirklich nur Zufall, dass Elizabeths Gewinn an Ansehen während einer Zeit geschah, in der die demokratisch gewählte politische Klasse Englands überwiegend Mittelmaß hervorbringt? Verpeilte Elitezöglinge, die sich nicht einmal Mühe geben, aus ihrer Verachtung für die Bevölkerung und das Parlament einen Hehl zu machen. Da ragte schon ein Büroterrorist wie John Bercow heraus. Es genügte, dass er so lustig "Ooordaaah!" bölkte. Auch die Neue scheint diese Tradition fortzusetzten.


"Truss war von Beginn an die Favoritin. In einer normal tickenden Welt wäre das vollkommen unverständlich - es sei denn, um mit Shakespeare zu sprechen, die Hölle wäre leer, und alle Teufel wären hier. Truss hat sich bereits als Außenministerin dadurch profiliert, dass sie sich als noch stärker kognitiv eingeschränkt, noch undiplomatischer erwies, als es selbst Johnson in dieser Rolle gelungen war. Der russische Außenminister Lawrow stellte sie bloß, indem er sie dazu brachte, zu behaupten, die russische Herrschaft über Rostow und Woronesch sei illegitim. Er hatte allerdings einen unfairen Vorteil, weil er im Gegensatz zu ihr wusste, dass diese Gebiete unumstritten auf russischem Territorium liegen. Truss stolpert von einem dummen, aggressiv-kämpferischen Fauxpas zum nächsten. Sie wirkt dabei wie eine Fünfjährige, die gerade gegen eine Tür gelaufen ist - und die Gefallen daran gefunden hat." (A.L. Kennedy)

Gegen solche Konkurrenz ist es natürlich leicht zu glänzen.

Dann ist da noch die eiserne Trennung zwischen dienstlich und privat. Britische Monarchen haben ihre politischen Ansichten konsequent aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Sie müssen sich auf Andeutungen und Zeichen beschränken. Auch das Privatleben unterlag stets strengster Geheimhaltung, nur sehr selten drang mal etwas nach außen. Und wenn, dann erschien da eine ziemlich normale, durchschnittliche Person (sofern man das angesichts ihrer Lebensumstände überhaupt sagen kann). Eine, die immer eisern ihren Job gemacht, sich nie beklagt hat und Gefühle als Privatsache betrachete. Deren stärkster öffentlicher Kraftausdruck die Mitteilung war, "not amused" zu sein.

So was wirkt in einer Zeit, in der 'soziale' Medien die Grenze zwischen öffentlich und privat längst aufgehoben haben, in der nicht nur Influencer ihr Privates andauernd mit allen teilen, in der man es oft mit ganz viel Meinung und ganz wenig Wissen zu tun hat, als auf rührende Weise altmodisch, geradezu wohltuend. Zumindest auf mich. Daher kann auch ich als jemand, der heilfroh ist, dass das mit der Monarchie in Deutschland zu Ende ist und nie auf die Idee käme, einem Monarchen zuzujubeln oder sonstwie zu huldigen, mir zuweilen gewisse Anflüge von Sympathie nicht verkneifen. Wohl wissend, dass es sich um den letzten Rest Feudalismus handelt.

 






3 Kommentare:

  1. Tammox:""Mir ist die Queen seltsamerweise immer sehr sympathisch gewesen, " ...das ist die eurozentristische Sichtweise eines Sozialdemokraten auf die Queen. Hätte er sich doch mal in den ehemaligen Kolonien der Queen umgehört. Dort sagen die Menschen etwas anderes:
    https://threadreaderapp.com/thread/1568167398879920128.html

    Hab ja eigentlich nix gegen diese Queen: https://www.youtube.com/watch?v=-c1zYBeP6ms

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    1. Von solchen reflexhaften "Ja, aber die Kolonien!"-Beiträgen halte ich eher wenig. Elizabeth wurde in Kenia Königin, weil ihr Vater starb, als sie dort auf Reise war. Kurz danach kam es zum so genannten 'Mau-Mau-Aufstand'. Sicher stand sie stellvertretend für die Institution der britische Monarchie bzw. deren Kontinuität, und damit auch für den unrühmlichen Kolonialismus, ihr persönlich ist aber nur wenig anzuhängen.

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  2. Die Monarchie kostet den englischen Steuerzahler zwar Geld, spielt dieses aber locker über den durch sie generierten Tourismus wieder ein.

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