"Avantgarde ist das, was die meisten Menschen erst einmal nicht mögen.
Als Motor der Entwicklung ist sie dennoch unentbehrlich, in der Musik
oder Bildenden Kunst ebenso wie in der Kulinarik." (Bernd Matthies)
Zeit für die ersten Fundstücke des neuen Jahres. Die Nachricht, die wie eine Bombe eingeschlagen hat, ist sicher die, dass Küchenchef René Redzepi sein 'Noma' in Kopenhagen schließt. Ab 2024 kein 26-Gänge-Menü mehr zu Schnäppchenpreisen um die 500 Euro (ohne Weinbegleitung, versteht sich)! Was soll nur werden? Scherz beiseite, bin ich bei so was immer zwiespältig: Einerseits finde ich solch kulinarische Avantgarde grundsätzlich spannend, auch wenn ich mir das nicht leisten kann, andererseits kommen mir immer die Lerchenzungen und Otternasen aus 'Leben des Brian' in den Sinn. Wie dem auch sei, ist es wohl eine der positiveren Auswirkungen der Pandemie, dass die ärgsten Überspanntheiten sich offenbar nicht mehr rechnen (mehr dazu weiter unten).
Das übrige:
Politik. Timothy Garton Ash mit einer nüchternen Analyse der momentanen Lage.
"On a sober strategic analysis, the only realistic path to a lasting peace is to step up military support for Ukraine so it can regain most of its own territory and then negotiate peace from a position of strength. The alternatives are an unstable stalemate, a temporary ceasefire or an effective Ukrainian defeat. Putin would then have demonstrated to Xi Jinping, and other dictators around the world, that armed aggression and nuclear blackmail can pay off handsomely. Next stop, Taiwan." (Ash, a.a.O.)
Interview mit dem Soziologen Hans Ulrich Gumbrecht, der seit 1990 in Stanford lehrt, über seine Sicht auf Deutschland.
Jonas Junack analysiert, wie aus der einstigen Friedenspartei der Grünen jene Kraft wurde, die entschieden für Militäreinsätze eintritt.
Robert Misik über die Lebenslügen der Einwanderungsgesellschaft.
Das übrige:
Politik. Timothy Garton Ash mit einer nüchternen Analyse der momentanen Lage.
"On a sober strategic analysis, the only realistic path to a lasting peace is to step up military support for Ukraine so it can regain most of its own territory and then negotiate peace from a position of strength. The alternatives are an unstable stalemate, a temporary ceasefire or an effective Ukrainian defeat. Putin would then have demonstrated to Xi Jinping, and other dictators around the world, that armed aggression and nuclear blackmail can pay off handsomely. Next stop, Taiwan." (Ash, a.a.O.)
Interview mit dem Soziologen Hans Ulrich Gumbrecht, der seit 1990 in Stanford lehrt, über seine Sicht auf Deutschland.
Jonas Junack analysiert, wie aus der einstigen Friedenspartei der Grünen jene Kraft wurde, die entschieden für Militäreinsätze eintritt.
Robert Misik über die Lebenslügen der Einwanderungsgesellschaft.
Kollege Kurbjuhn bietet gleich zwei Erklärungen an (1, 2), wieso die Lage unter anderem in Berlin teils so eskalierte. Arschlocheltern sind halt ein kulturübergreifendes Phänomen.
"Ob es sich um muslimische Einwanderer, Schwule oder um gefüllten Saumagen handelt, der deutsche Bürger weiß, wovor er sich fürchtet." (Wolfram Siebeck)
"Ob es sich um muslimische Einwanderer, Schwule oder um gefüllten Saumagen handelt, der deutsche Bürger weiß, wovor er sich fürchtet." (Wolfram Siebeck)
Kultur/Gesellschaft/Gedöns. Lucas Rudolph über die Konjunktur des Begriffs "Kritik" im Universitätsbetrieb.
"Wer an der Hochschule Kurse belegt oder Vorträge besucht, um sich über Managementstrategien, die Vorteile des Zweikammersystems oder die Geschichte der Karolinger zu informieren, bekommt in der Regel geboten, was er erwartet hat. Wer aber wissen will, warum er an der Welt verzweifelt, warum Millionen Bundesbürger sich kaum genug Essen leisten können, warum Punk tot ist, warum die Documenta15 vor antisemitischem Agitprop nur so strotzte und warum sich links gebende Poststrukturalisten den Naziphilosophen Heidegger feiern - wer so etwas wissen will, wird mit großer Wahrscheinlichkeit enttäuscht." (Rudolph, a.a.O.)
Georg M. Hafner über den "ekelhaften Charme" der Serie 'Ein Herz und eine Seele'. Ich konnte den Kult um Alfred Tetzlaff auch nie nachvollziehen. War einfach zu nahe an der Realität, um komisch zu sein.
Lorenz Meyer hat auf Twitter einen Behördendeutsch-Service eingerichtet. Kicher.
Noch einmal Misik. Zum Fall Florian Teichtmeister.
Jawohl, eine Lanze für den FIAT Uno! Für mich eines der coolsten Autos aller Zeiten. Klein, leicht, flink, modernes und minimalistisches Design. Dazu praktisch und alltagstauglich. Im Gegensatz zu anderen 'Kultautos' wie VW Käfer (katastrophales Platzangebot), Citroën 2CV (knuffelig, aber null Leistung) oder VW Transporter (groß wie ein SUV). Nachteil: rostanfällig, die Karre. Und man sollte möglichst in keinen Unfall verwickelt werden damit. Denn 'Sicherheit' ist zwar auch in Italien ein Substantiv, aber die werden im Italienischen nicht groß geschrieben. Dahinter kommt bei mir übrigens der Citroën BX. Mehr Sänfte für weniger Geld ging nicht.
Noch einmal Misik. Zum Fall Florian Teichtmeister.
Jawohl, eine Lanze für den FIAT Uno! Für mich eines der coolsten Autos aller Zeiten. Klein, leicht, flink, modernes und minimalistisches Design. Dazu praktisch und alltagstauglich. Im Gegensatz zu anderen 'Kultautos' wie VW Käfer (katastrophales Platzangebot), Citroën 2CV (knuffelig, aber null Leistung) oder VW Transporter (groß wie ein SUV). Nachteil: rostanfällig, die Karre. Und man sollte möglichst in keinen Unfall verwickelt werden damit. Denn 'Sicherheit' ist zwar auch in Italien ein Substantiv, aber die werden im Italienischen nicht groß geschrieben. Dahinter kommt bei mir übrigens der Citroën BX. Mehr Sänfte für weniger Geld ging nicht.
Musik. Jazz. Habe ich großen Respekt vor, aber erschließt sich mir nicht
immer. Ausnahme: Swing. Ultimativ cool. Packt mich immer. Yeah!
(Video im erweiterten Datenschutzmodus. Anklicken generiert keine Cookies.)
Sport. Interview mit Schachgroßmeisterin Elisabeth Paetz.
Essen/Trinken/Lebensart. Rainer Balcerowiak rekonstruiert, wie einst die Hugenotten die brandenburgische Küche aufmischten. Fun fact: Etliches, was gemeinhin als 'deutsche Spezialität' gilt, war vor dem französischen Kulinarik-Boost hier unbekannt.
Jay Rayner weint dem 2014 schließenden Gourmettempel 'Noma' und ähnlichen Häusern keine Träne nach.
"Ein Abendessen in diesen Lokalen kann leicht 500 Euro oder mehr pro Person kosten, aber zu oft ist das nicht genug, um den absurden Aufwand für die Zubereitung zu bezahlen. Zu viele dieser Restaurants leben seit langem von einem Heer unbezahlter Praktikanten, von denen erwartet wird, dass sie dankbar für die Möglichkeit sind, unentgeltlich niedere Arbeiten zu verrichten, damit sie dies in ihrem Lebenslauf angeben können." (Rayner, a.a.O.)
-- Hinzu kommt, dass es einigermaßen gaga ist, wenn einer wie 'Noma'-Chef Redzepi mit Regionalität wirbt sowie damit, keine Zutat einfliegen zu lassen, und das dann von einer Klientel konsumiert wird, die aus der ganzen Welt angejettet kommt.
Das Rezept. Heute vergreifen wir uns an einem absoluten Klassiker. Eines dieser eigentlich feinen Gerichte einer im besten Sinne gutbürgerlichen Küche, das zur Hausmannskost heruntervergröbert wurde, wobei ihm unterwegs auch jegliche Raffinesse ausgetrieben wurde: Königsberger Klopse. (Oder Kaliningrader Kochklopse, falls die übliche Bezeichnung wem zu revanchistisch sein sollte.) Nicht nur des Kanzlers Leibgericht, sondern einer halbwegs aktuellen Forsa-Umfrage zufolge, auch eines der Lieblingsessen der Deutschen, das sich tapfer behauptet gegen Schnipo, Bolo, Pizza, Currywurst und Döner. In der Praxis heißt das meist: Was sonst plattgedrückt als Bulette in die Bratpfanne wandert, landet als tennisballgroße Kugel im Kochtopf, wird dann mit einer hellen Sauce aus Mehlschwitze mit Kapern zu Salzkartoffeln serviert.
Für Wolfram Siebeck (hier eine Sammlung seiner bsten Sprüche) gehörte etwas wie das obige zur teutonischen Mampf- und Plumpsküche, die er zu geißeln bis zuletzt nicht müde wurde. Sein Ressentiment gegen die Mehlschwitze, die als 'Einbrenn'' bzw. als Sauce Béchamel ja durchaus ihren Platz in der österreichischen und französischen Küche hat, lässt sich vielleicht so erklären, dass im Deutschland der Nachkriegszeit irgendwie alles mit weißlichem Mehlmatsch überzogen wurde. Ansonsten macht er, wie sich’s gehört, anstatt bloß zu meckern, konkrete Vorschläge, den Klassiker wieder auf ein gewisses Niveau zu heben. Man verwende Kalbshack statt halb und halb, gehackte Sardellen, Mie de pain (entrindetes Weißbrot) statt eingeweichtes Brötchen, aber unter gar keinen Umständen Zwiebeln und Knoblauch. Die Sauce wird aus Sahne und dem Kochfond reduziert, mit Kapern und Zitrone abgeschmeckt. Und weil wir bei der Verfeinerung konsequent sein wollen, gibt es dazu auch keine Kartoffeln, sondern fluffigen Butterreis.
Schnöder Langkornreis ist übrigens durchaus zu unrecht zugunsten des omnipräsenten Basmatireis in Ungnade gefallen. Köstlich gerät er, wenn man ihn folgendermaßen zubereitet: Langkornreis in nicht zu wenig Butter sanft anschwitzen, mit etwas mehr als der 1 ½-fachen Menge Wasser aufgießen, salzen und mit einem Lorbeerblatt sowie einer ganzen geschälten, mit 3-4 Nelken gespickten Zwiebel auf kleinster Flamme bei geschlossenem Deckel garen, bis alles Wasser aufgenommen ist. Sollte der Reis noch zu bissfest sein, etwas kochendes Wasser in den Topf geben und noch einmal für zehn Minuten den Deckel drauf.
Essen/Trinken/Lebensart. Rainer Balcerowiak rekonstruiert, wie einst die Hugenotten die brandenburgische Küche aufmischten. Fun fact: Etliches, was gemeinhin als 'deutsche Spezialität' gilt, war vor dem französischen Kulinarik-Boost hier unbekannt.
Jay Rayner weint dem 2014 schließenden Gourmettempel 'Noma' und ähnlichen Häusern keine Träne nach.
"Ein Abendessen in diesen Lokalen kann leicht 500 Euro oder mehr pro Person kosten, aber zu oft ist das nicht genug, um den absurden Aufwand für die Zubereitung zu bezahlen. Zu viele dieser Restaurants leben seit langem von einem Heer unbezahlter Praktikanten, von denen erwartet wird, dass sie dankbar für die Möglichkeit sind, unentgeltlich niedere Arbeiten zu verrichten, damit sie dies in ihrem Lebenslauf angeben können." (Rayner, a.a.O.)
-- Hinzu kommt, dass es einigermaßen gaga ist, wenn einer wie 'Noma'-Chef Redzepi mit Regionalität wirbt sowie damit, keine Zutat einfliegen zu lassen, und das dann von einer Klientel konsumiert wird, die aus der ganzen Welt angejettet kommt.
Das Rezept. Heute vergreifen wir uns an einem absoluten Klassiker. Eines dieser eigentlich feinen Gerichte einer im besten Sinne gutbürgerlichen Küche, das zur Hausmannskost heruntervergröbert wurde, wobei ihm unterwegs auch jegliche Raffinesse ausgetrieben wurde: Königsberger Klopse. (Oder Kaliningrader Kochklopse, falls die übliche Bezeichnung wem zu revanchistisch sein sollte.) Nicht nur des Kanzlers Leibgericht, sondern einer halbwegs aktuellen Forsa-Umfrage zufolge, auch eines der Lieblingsessen der Deutschen, das sich tapfer behauptet gegen Schnipo, Bolo, Pizza, Currywurst und Döner. In der Praxis heißt das meist: Was sonst plattgedrückt als Bulette in die Bratpfanne wandert, landet als tennisballgroße Kugel im Kochtopf, wird dann mit einer hellen Sauce aus Mehlschwitze mit Kapern zu Salzkartoffeln serviert.
Für Wolfram Siebeck (hier eine Sammlung seiner bsten Sprüche) gehörte etwas wie das obige zur teutonischen Mampf- und Plumpsküche, die er zu geißeln bis zuletzt nicht müde wurde. Sein Ressentiment gegen die Mehlschwitze, die als 'Einbrenn'' bzw. als Sauce Béchamel ja durchaus ihren Platz in der österreichischen und französischen Küche hat, lässt sich vielleicht so erklären, dass im Deutschland der Nachkriegszeit irgendwie alles mit weißlichem Mehlmatsch überzogen wurde. Ansonsten macht er, wie sich’s gehört, anstatt bloß zu meckern, konkrete Vorschläge, den Klassiker wieder auf ein gewisses Niveau zu heben. Man verwende Kalbshack statt halb und halb, gehackte Sardellen, Mie de pain (entrindetes Weißbrot) statt eingeweichtes Brötchen, aber unter gar keinen Umständen Zwiebeln und Knoblauch. Die Sauce wird aus Sahne und dem Kochfond reduziert, mit Kapern und Zitrone abgeschmeckt. Und weil wir bei der Verfeinerung konsequent sein wollen, gibt es dazu auch keine Kartoffeln, sondern fluffigen Butterreis.
Schnöder Langkornreis ist übrigens durchaus zu unrecht zugunsten des omnipräsenten Basmatireis in Ungnade gefallen. Köstlich gerät er, wenn man ihn folgendermaßen zubereitet: Langkornreis in nicht zu wenig Butter sanft anschwitzen, mit etwas mehr als der 1 ½-fachen Menge Wasser aufgießen, salzen und mit einem Lorbeerblatt sowie einer ganzen geschälten, mit 3-4 Nelken gespickten Zwiebel auf kleinster Flamme bei geschlossenem Deckel garen, bis alles Wasser aufgenommen ist. Sollte der Reis noch zu bissfest sein, etwas kochendes Wasser in den Topf geben und noch einmal für zehn Minuten den Deckel drauf.
Boah! So viele interessante Artikel -- wann soll ich die denn alle lesen??
AntwortenLöschenZu Alfred Teztlaff: Vorletztes Silvester haben ein Freund und ich nach dem Silvesterpunsch mal mehrere andere Folgen von ,,Ein Herz und eine Seele'' geguckt. Es war kaum auszuhalten, weil wir uns so über Alfred (den Arsch) aufgeregt haben. Irgendwie konnte wir Realität und Fiktion nicht so gut auseinanderhalten.
Erinnert mich daran, wie ich vor etlichen Jahren mal in trauter Runde die erste Staffel von 'Stromberg' geguckt habe. Irgendwann sagte einer: "Was ist daran lustig? Das ist halt ein ganz normaler Versicherungsarsch."
Löschen"andererseits kommen mir immer die Lerchenzungen und Otternasen aus 'Leben des Brian' in den Sinn..."
AntwortenLöschenmeine film-empfehlung der woche zum thema molekular-kitchen und haute cuisine; " the menu" mit ralph fiennes als ausgebrannten und durchgeknallten "chef" mit exorbitanten rachefantasien an seiner klientel. schöne satire, und hat zum glück nicht das geringste von dem (nichtsdesdotrotz grossartigen) holzhammer ala "eat the rich". satire mit "kultur", genauso wie die absurdität "moderner" haute cuisine...plus der army-sklaven-mentalität der beteiligten soldaten in der küche.
angucken.
ahja, ergänzend zum freitag-artikel lohnt auch der guardian zum noma;
AntwortenLöschentheguardian dot com/commentisfree/2023/jan/24/noma-is-closing-are-we-seeing-the-death-of-fine-dining
liest sich wie "the menu" und latürnich wird dieser auch erwähnt. ahm, kulinarisch social-satire wollt ich noch "triangle of sadness" erwähnen...auch wenn der film gesamt eher so lala ist, die dining-szene während des sturms auf der superyacht muss man gesehen haben, sunnyi melles ist fcking fearless in ihrer performance! ziemlich grandios und richtig gut gelacht.
Kommt garantiert bald auf Arte. Dachte ich, als ich die Ankündigungen sah.
Löschen"in trauter Runde die erste Staffel von 'Stromberg' geguckt [...]"
AntwortenLöschenich habs auch mal versucht und dann doch weg gezappt ..., es erinnerte mich auch heftig ans Arbeits- / Büroleben
Gruß
Jens
"Habe ich großen Respekt vor, aber erschließt sich mir nicht immer."
AntwortenLöschenJazz erinnert mich immer an Rosenkohl: Als Kind pfui Deibel, für die erwachsene und erfahrende Zunge eine Köstlichkeit aufgrund der dezenten Bitterniss, die den Geschmack erst interessant macht.
Hier müsste sich das Schöne des Jazz auch für den "Anfänger" besonders gut erschließen: "Oye Como Va" von Santana kennt jeder (ist übrigens nicht seine Komposition), aber diese Jazz-Version? Ein Leckerbissen...
Rubén González - Chanchullo
https://www.youtube.com/watch?v=WtbgirBSH40