Dienstag, 7. März 2023

Besudeltes Heiligtum


Zu den wenigen Dingen, die mir dieses Land immer einigermaßen sympathisch erscheinen ließen, gehört, dass um 'nationale Symbole' vergleichsweise wenig Gewese gemacht und das politische Geschäft eher nüchtern und geschäftsmäßig erledigt wird. Zwar flattern überall an Regierungsgebäuden Flaggen herum und sie gelten protokollarisch als Hoheitszeichen, doch käme niemand auf die Idee, sie mit quasireligiöser Heiligkeit aufzuladen. Umso befremdlicher jetzt das Bohei, das anhub, weil ein paar 'Letzte Generation'-Anhänger das Denkmal 'Grundgesetz 49' mit einer schwarzen Flüssigkeit besudelt haben.

Die backenplusternde Empörung als sei der Menschheit Heiligstes entweiht, als habe sich jemand auf dem Hauptaltar des Kölner Doms entleert oder ein Exemplar der Gutenbergbibel als Toilettenpapier oder eines der Magna Charta als Grillanzünder benutzt, ging quer durch so ziemlich alle Parteien (ja, auch die Grünen machen artig mit). Eine Auswahl kann man sich hier antun. Als Höhepunkt unfreiwilliger Komik kann das gelten, was Frank Müller-Rosentritt (FDP) sich zu diesem Anlass aus der Murmel wrang:

"Mit der öffentlichen Zerstörung des Grundgesetzes hat die Letzte Generation ihre hässliche Fratze endgültig fallen lassen und gezeigt wo sie steht: Gegen den Staat und gegen die freiheitlich, demokratische Grundordnung. Diese Hasser der Freiheit sind der letzte Abschaum."

Nummer kleiner hammses nicht? "Abschaum". Wow. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit anyone? Wegen ein wenig schwarzem Schmodder? Womit werden die Klima-Terroristen uns wohl als nächstes foltern? Mit Vierzylindermotoren? Mit einem Tempolimit gar?

(Übrigens, zur Info, Müller-Dosenschnitt: Entweder jemand bzw. etwas zeigt seine/ihre hässliche Fratze oder jemand bzw. etwas lässt die Maske fallen, capisce? In Ihrem Sprachgebrauch wäre das nämlich so, dass die 'Letzte Generation' durch Fallenlassen ihrer hässlichen Fratze im logischen Umkehrschluss ja ihr wahres, somit unhässliches Gesicht zeigte, oder? Wollte halt mal drauf hingewiesen haben. Und wo genau wurde das Grundgesetz gleich "zerstört", wie zu ventilieren Sie sich nicht entblödeten? Ist da wer mit dem Presslufthammer angerückt?)

Derselben Meinung scheint auch Michael Roth (SPD) Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages zu sein, der die Aktion ernsthaft in die Nähe der "Taliban" rücken wollte. (Zur Info: Die Taliban haben 2001 die Buddha-Statuen von Bamiyan zerstört). Ist da irgendwer mit Baggern und Sprengstoff aufgelaufen? Natürlich nicht. Wie bei allen Aktionen der 'Letzten Generation' wurde peinlich darauf geachtet, weder etwas zu zerstören noch irreparablen Schaden anzurichten.

Dabei finde ich das Statement hinter der Aktion gar nicht mal schlecht, zumindest diskutabel. Man kann das so interpretieren: Wenn das Verfeuern fossiler Brennstoffe nicht bald aufhört, dann wird unser schönes Grundgesetz schon sehr bald das Papier nicht mehr wert sein, auf dem es massenhaft gedruckt wird.  Wenn man den Aktivisten wirklich einen Vorwurf machen will, dann den, dass sie mit solchen Aktionen bloß einem Framing weiter Futter geben, das sie schon allen Ernstes in die Nähe der RAF rücken wollte.

Noch was fällt ins Auge. Echtes Selbstbewusstsein hat kein moralinsaures, hysterisches Geblöke nötig. Eine aufgeklärte Gesellschaft, die keine heiligen Symbole braucht und weiß, dass man sich mit so was nur auf die Stufe von US-Flaggen verbrennenden Mullahs stellt, könnte so was mit einem "Naja, das Grundgesetz wird das schon aushalten" oder schlicht einem Merkelschen "nicht hilfreich" abperlen lassen. Mehr noch: Könnte es sein, dass die heftigen Reaktionen nicht auch ein Indiz dafür sind, dass ein Gefühl sich breit macht? Dass nämlich die so gefeierten, im Grundgesetz kodifizierten Grundrechte mehr und mehr als leere Versprechungen empfunden werden?







 

7 Kommentare:

  1. Siewurdengelesen7. März 2023 um 19:08

    Dachte ich mir auch recht bald, nachdem die Empöreria wiedermal zum vereinten Geheule über die Proteste anhub. Statt sich über deren "Taten" zu echauffieren, können ja z.B. speziell die Grünen endlich einmal im Bund Druck machen für ein paar klimaschonende Massnahmen wie das Tempolimit. Kann doch nicht so schwer sein, Wissing und Lindner da etwas einzufangen.

    Aber einer uralten Binse nach soll ja schon immer der Bote das erste Opfer gewesen sein...

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  2. Dass nämlich die so gefeierten, im Grundgesetz kodifizierten Grundrechte mehr und mehr als leere Versprechungen empfunden werden?

    Zumal vor dem Hintergrund, dass das Bundesverfassungsgericht neulich doch die Bundesregierung aufgefordert hat, mehr gegen die fortschreitende Erderwärmung zu tun, damit deren Folgen nicht unfairerweise den heute jüngeren Leuten auferlegt werden, und man genau weiß, dass die derzeitigen Anstrengungen noch lange nicht ausreichen, sogar in den Ressorts, die in Sachen Klimaschutz nicht mit Totalverweigerung auffallen wie das Haus von Verkehrsminister Wissing.

    Da werden die eigenen Gesetze nicht beachtet und wird ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts schlicht ignoriert, und dann haben diese Leute die Dreistigkeit, sich über möglicherweise nicht ganz blitzeblatzesaubere Protestformen der Generation zu beschweren, die in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts mit den Folgen zu leben (oder zu verrecken) haben. Völlig verpeilt.

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    1. Jep, Frechheit aber auch, auf Urteile dieser Karlsruher Verfassungskasper zu pochen - typisch linksgrüne Spinnerjugend...

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  3. ... naja, anscheinend ist es hier ja konsens, dass jedermann euer Eigentum benutzen kann.
    Dann findet euch aber auch damit ab, wenn demnächst jemand euer Auto zerkratzt (Autos sind schlecht für die Umwelt) oder in euren Hausflur kackt (überall müssen öffentliche Toilette verfügbar sein) oder eure Fahrradreifen zerschneidet (den Fahrradnazis muss Einhalt geboten werden).
    Nichts ist einfacher als eine persönliche Meinung wie eine Monstranz vor sich her zu tragen und damit schlicht und einfach Sachbeschädigung zu begehen. Mit eurer Täter-Opfer-Umkehr kann man jedem taubenfütternden Senior den Arm brechen ohne Konsequenzen zu befürchten ...

    Gruß
    Jens

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    1. Siewurdengelesen9. März 2023 um 15:30

      Kann es sein, dass dass hier etwas zu hoch ansetzt und der Vergleich hinkt?

      Bisher haben die Aktivisten jedenfalls mit Sicherheit weniger bleibende Schäden angerichtet als die darüber angesprochenen Politiker, die sich haben immerhin von denen wählen lassen, zu deren Wohl sie sich per Eid auch noch verpflichtet haben. Stattdessen treten sie deren Existenzgrundlagen seit Jahrzehnten im Interesse der Wirtschaft mit Füssen und glänzen in erster Linie durch Unterlassen und Nichthandeln. Vielleicht könnte genau das die Intention der "Letzten Generation" gewesen sein, das Missachten der Verfassung den Volksvertretern plakativ vor Augen zu führen - zum Wohle des Volkes...

      Leider ist der Eid nur Formsache und nicht wirklich bindend. Wo im Vergleich zu einem zu reinigenden Denkmal und den Sauereien der Politik der grössere Schaden für die Allgemeinheit entsteht, lasse ich mal im Raum stehen. Daraus dann eine Generalanklage zu machen, die willkürliches Beschädigen usw. befürwortet, ist Unsinn. Die Opfer-Täter-Umkehr hat bei der "Letzten Generation" bereits vorher stattgefunden.

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  4. "Daraus dann eine Generalanklage zu machen, die willkürliches Beschädigen usw. befürwortet, ist Unsinn."
    was ist am Beschmieren von fremden Eigentum nicht "willkürlich"? Es kann doch jeden und jedes treffen.

    Gruß
    Jens

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    1. Siewurdengelesen11. März 2023 um 12:41

      Treffen kann es so oder so jeden und das auch durch jeden. Nur ist es eben nicht Ansinnen der "Letzten Generation", "willkürlich" und pauschal irgendjemandes Eigentum zu beschädigen, sondern die gehen ähnlich wie das ZPS sehr zielgerichtet vor bei ihrem Protest und in der Regel so, dass eben gerade keine dauerhaften Schäden entstehen.

      Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sind daher Schäden an privatem Eigentum keine Aktion der Aktivisten. Vermutlich geschehen im Suff oder Übermut ebenfalls mehr Sachbeschädigungen als durch die Klimaproteste überhaupt. Aber diese Täter sind kein halt kein "Feindbild" für die Piefkes und deren Medien und taugen daher höchstens als Kurzmeldung, weil sie ja keine Agenda haben. Aber immerhin funktioniert das mit dem "Haltet den Dieb" noch und das Werfen mit Dreck, denn irgendetwas bleibt bekanntlich immer hängen.

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