Samstag, 25. März 2023

In der Parallelwelt


"Jede Wirtschaft beruht auf dem Kreditsystem, das heißt auf der irrtümlichen Annahme, der andre werde gepumptes Geld zurückzahlen. Tut er das nicht, so erfolgt eine sog. ›Stützungsaktion‹, bei der alle, bis auf den Staat, gut verdienen. Solche Pleite erkennt man daran, daß die Bevölkerung aufgefordert wird, Vertrauen zu haben. Weiter hat sie ja dann auch meist nichts mehr." (Kurt Tucholsky, 1931)

Es ist schon eine lustige Parallelwelt, in der die Banken sich bewegen. So hieß es ja immer, es könne nichts verteilt werden, was nicht erwirtschaftet worden sei. Wer Prämien und Boni wolle, müsse erst einmal leisten. Gewinne generieren. Leistungsprinzip! Nun, die Credit Suisse hat in den letzten zehn Jahren trotz teils erheblicher Verluste angeblich 32 Milliarden Schweizer Franken an Boni ausgezahlt. Im letzten Jahr, als der Laden gleich sieben Milliarden CHF Miese gemacht hat, sind trotzdem alle Boni gezahlt worden.

Und dann hieß es immer, man soll Leute nicht zu üppig mit Staatskohle durchfüttern. Das mache nur träge und setze falsche Anreize. Und außerdem: Von unseren Steuergeldern! Für Banken gilt das offenkundig nicht. Der schweizer Staat stellt für die Übernahme der CreditSuisse Bürgschaften in Höhe von über 200 Milliarden CHF bereit. Moment mal! Wurde nicht auch immer gepredigt, der Staat habe sich unbedingt aus der Wirtschaft herauszuhalten? Frag ja nur.

Monopole sind ganz böse, hieß es ferner immer. Die verhinderten den gesunden freien Wettbewerb, denn nur der belebe das Geschäft. Im Bankwesen ist das anders, denn mit der Übernahme der CreditSuisse durch die UBS ist im Bankenland Schweiz nur mehr eine Großbank übrig.

Die Banken hätten nichts gelernt aus 2008/09, wird nunmehr beklagt. Ich finde, die Banken haben sehr wohl gelernt. Offenbar haben sie die Methoden verfeinert, sich den Arsch mit Staatskohle retten zu lassen, wenn sie sich mal wieder verzockt haben. Ich habe ja keine Ahnung, würde aber eher sagen, die Politik hat nix gelernt.

Und schließlich hieß es doch immer, wer pleite gehe, der gehe eben pleite. Ja sicher, das ist nicht schön für die Angestellten, aber hey, that’s capitalism. Gibt immer Gewinner und Verlierer. Außer natürlich, man ist systemrelevant. Hoppala, wer entscheidet das eigentlich, welche Bank systemrelevant ist und welche nicht?

"Die Entscheidung darüber, wer als systemrelevant gilt, trifft das Financial Stability Board, kurz FSB. Dieser Finanzstabilitätsrat ist eine internationale Organisation, die von den G20-Staaten eingesetzt wurde, um Risiken im Finanzsektor zu erkennen. Der Rat soll eben jene Banken und Finanzinstitute identifizieren, die wegen ihrer Größe so stark mit der Realwirtschaft und untereinander verbunden sind, dass eine Insolvenz dieser Institute ganze Volkswirtschaften in eine schwere Krise werfen könnte. Auf dieser Liste steht für die Schweiz neben der Credit Suisse auch die Großbank UBS." (Piesker/Zacharakis)

Wenn das so ist, also klare Kriterien dafür existieren, wann eine Bank systemrelevant ist: Was spricht eigentlich dagegen, solche Banken, wenn sie die Finger heben müssen, im Zweifel gleich zu vergesellschaften und eine Bezügeobergrenze von 550.000 EUR einzuziehen? Ach so, ja, der Staat ist ein schlechter Unternehmer, das haben wir ja auch gelernt

Vielleicht, so kam's mir jetzt in den Sinn, ist im Falle der CreditSuisse das Problem auch das über Jahrhunderte sorgsam gepflegte Image schweizerischer Banker als biedere, langweilige, superseriöse und diskrete Vrenelis, die sich nicht dicke tun und niemals aus Gier handeln. Nazis und alle Diktatoren der Welt parken ihr Geld bei ihnen? Na wer kann das wissen? Wir stellen keine Fragen. Banken als Zockerbuden? Gordon Gekko, das war immer Wall Street und Josef Ackermann war Frankfurt. Schnöde Gierlappen am Zürcher Paradeplatz? Um Himmels Willen, bei uns doch nicht! Und wenn doch, sind alle so überrascht, dass sie in Schockstarre verfallen und das Säckel öffnen.






8 Kommentare:

  1. Die CS erlebte einen veritablen Bankrun. Dank Internet (E-Banking) geht alles noch viel schneller. Was, wenn es jetzt die Deutsche Bank auch noch erwischt? Wir hätten auf den Säzzer hören sollen!

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    1. DasKleineTeilchen26. März 2023 um 08:52

      Was, wenn es jetzt die Deutsche Bank auch noch erwischt?

      it would be about fucking time!

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    2. So ein Bankrun ist aber keine Naturgewalt, die aus heiterem Himmel kommt. Wenn man bei Milliardenverlusten auch mal ein paar Verantwortliche gefeuert und denen nicht noch Milliardenboni reingeschaufelt hätte, wäre auch mehr übrig gewesen für eine höhere Eigenkapitalreserve und ein Bankrun unwahrscheinlicher.

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    3. Ja, da wurden von den Kontrollbehörden viele Fehler gemacht, die nicht hätten passieren dürfen. Die gierigen Banker konnten sich hemmungslos bedienen. Ich bin dafür, dass die Verantwortlichen hart bestraft werden. Die Schweiz steht nach dem Grounding der Swissair, der UBS-Rettung und nun nach dem CS-Grounding ziemlich beschämt und gerupft da. Die Sache ist aber noch nicht ausgestanden. Es könnte alles noch viel schlimmer werden, wenn nun auch noch die DB straucheln würde. Trotzdem gibt es mE keine Alternative zum Kapitalismus.

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    4. DasKleineTeilchen26. März 2023 um 13:48

      Trotzdem gibt es mE keine Alternative zum Kapitalismus

      logisch. hat ja bisher auch keiner ernsthaft versucht. hint; der real existierende "sozialismus" war/ist keiner, banken und monetäre "entlohnung" zum miete zahlen allerorten.

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    5. War ja klar, war bisher alles kein "echter" Sozialismus:
      Libyen - kein Sozialismus
      DDR - kein Sozialismus
      Venezuela - kein Sozialismus
      Kuba - kein Sozialismus
      usw.

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    6. DasKleineTeilchen26. März 2023 um 19:10

      eigentlich...

      Trotzdem gibt es mE keine Alternative zum Kapitalismus

      logisch. gibt ja auch keine alternative zum klimawandel. sachzwang. kann man nix machn.

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  2. Siewurdengelesen26. März 2023 um 12:52

    Zu den ganzen Dingen einmal 3 schnelle Links:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Basel_III

    https://www.financescout24.de/wissen/ratgeber/basel-1-2-3

    https://www.grin.com/document/274539

    Insofern ist die Einlagensicherung selbst nach Basel III eher ein Witz, weil auch da in der Eigenkapitalquote viel Windiges enthalten sein kann und trotzdem enorme Hebel mit "abgesichertem" Geld bedient werden. Das war ja neben Hochrisiko- und Schrottpapieren der Hauptgrund, warum es 2008 so geknallt hat und alle Banken wussten über ihre faulen Eier Bescheid. Ein Treppenwitz daran war auch, dass ausgerechnet die Kleinsparer mit ihren eher geringen Einlagen z.B. bei den Sparkassen und VR-Banken diese besser durch die Krise gebracht haben wie die Großbanken mit Fokus auf Spekulationsgeschäfte und Börse. Und ähnlich wie damals kann auch heute der Ausfall einer kleinen Bank im Jenga-Prinzip den gesamten Turm zum Einsturz bringen. Die Credit Suisse ist jetzt nicht gerade eine kleine Bank.

    Trotz aller erhöhten Vorgaben wurde nichts gelernt, weil gar kein Wille dazu existiert, sondern nur die Zahlen unter dem Strich zählen. Jetzt hat man halt ein paar Jahre auch wegen der Nullzinspolitik kleinere Brötchen im reinen Kreditgeschäft gebacken, aber an den Börsen ging das Spiel m.E. lustig weiter. Und wie bescheuert das ist, ist schon daran zu sehen, welchen Einfluss alleine Ankündigungen vermeintlicher Größen wie Musk auf Kurse haben. Ab einem gewissen Punkt ist eine dabei entstehende Panik ein Selbstläufer. Dinge wie Naturkatastrophen und der ganze Quark wie Wetten für und gegen etwas und der ganze andere Kram an "Finanzprodukten" sind da noch gar nicht drin und das Ganze ist trotzdem reines Pokern und hat mit Realwerten kaum noch etwas zu tun, aber umgekehrt enormen Einfluss auf diese. Grundsätzlich könnten die Fuzzis ja ihr Monopoly auch auf einer einsamen Insel spielen und sich dort im kleinen Stuhlkreis an ihren Phantasiezahlen berauschen. leider ist dem nicht so.

    "Was spricht eigentlich dagegen, solche Banken, wenn sie die Finger heben müssen, im Zweifel gleich zu vergesellschaften..."

    Da fallen mir neben Banken noch ganz andere Sachen ein wie ÖPNV, Gesundheitswesen und alles, was der Daseinsvorsorge dient. Aber da kommen die Immergleichen ja sofort wieder mit dem Gespenst Kommunismus um die Ecke.

    Falkenberg - Vor den Kathedralen

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