Montag, 28. August 2023

Vermischtes und Zeugs (LIX)

 
Wenn wissenschaftlich einigermaßen klar umrissene Fachbegriffe in die Umgangssprache sickern, endet das meist nicht in Erkenntnisgewinn, sondern in Unklarheit und diskursivem Quark. Man denke daran, wie im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen von 'Gleichschaltung' und 'Ermächtigungsgesetz' gefaselt wurde. Dass es Mode ist, es 'Mobbing' zu nennen, wenn jemand sich punktuell eine blöde Bemerkung gefallen lassen muss. Oder wenn Leute davon sprechen, 'getriggert' zu sein, wenn sie etwas auf die Palme bringt, das sie irgendwie doof finden. Und so ist es auch Kokolores, wenn die Hinweistafeln des WDR als 'Triggerwarnungen' bezeichnet werden. Weil hier noch ein wissenschaftlicher Terminus wie 'Trigger' verwässert und damit entwertet wird.

Meines bescheidenen Wissens nach ist ein Trigger etwas, das bei einer traumatisierten Person einen Flashback auslösen kann. Und das kann alles Mögliche sein (weshalb es auch so eine absurde Vorstellung ist, man könne eine quasi triggerfreie Welt erschaffen): Ein Blick, der Geruch eines bestimmten Parfums, ein Geräusch, Musik im Radio, ein Kleidungsstück, ein Plakat und was auch sonst noch. Und ja, in ganz seltenen Fällen auch, dass irgendwo ein Wort fällt, das heute nicht mehr in Gebrauch ist und als beleidigend empfunden wird. Nur ist sich beleidigt oder verletzt zu fühlen gewiss unschön, aber noch längst kein manifestes Trauma (wieder so ein verwässerter Fachbegriff).

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Übrigens: Auch der Sender ARTE stellt bestimmten Sendungen Warnhinweise voraus: Dieser Film enthält Szenen, die für Kinder nicht geeignet sind. Diese Sendung enthält Bilder, die auf empfindliche Gemüter verstörend wirken können. Der Witz ist, die machen das schon seit vielen, vielen Jahren und niemanden regt's auf. Interessiert keine Katze. Nix mit: Hiiilfääää, Bevormundung!!! Ich kann selber entscheiden! Alaaarm, wir werden schrittweise entmündigt, mäh mäh mäh! Die bösen Grünen, gna gna gnaaa! Wo waren die Verteidiger unserer Freiheit, die Streiter wider Indoktrination, als der Schneeflocken-Propagandafunk unser aller Grundrechte beschnitt?

Ehrlich, wer auf solche Warnhinweise mit kindlichem Trotz reagiert, sollte vielleicht mal den Status seines Erwachsenseins checken.

Was ich aber fast noch interessanter finde als die künstliche Empörung ist die Frage, wie so was eigentlich entschieden wird. Der WDR, so ist zu erfahren, hat knapp 30.000 Mitarbeiter (4.700 Festangestellte, 25.000 Freie) und bestrahlt damit vor allem die zirka 18 Millionen Einwohner NRWs. Zum Vergleich: Die BBC, die die etwa 70 Millionen Einwohner des Vereinigten Königreichs plus Auslandsgebiete informiert und bespaßt, kriegt das im Verhältnis mit deutlich weniger Leuten hin. Es dürfte in Deutschland nicht viele Firmen von solcher Größe geben.

Apropos Firma: Der WDR bezeichnet sich auf seiner Webseite zwar als 'Unternehmen', aber das ist Augenwischerei. Der WDR ist so sehr ein Unternehmen wie die Deutsche Rentenversicherung. Kein privatwirtschaftliches Unternehmen erzielt einen beträchtlichen Teil seiner Einnahmen dauerhaft durch zwangsweise erhobene Abgaben/Gebühren. Offiziell ist der Laden eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Quasi eine Behörde. Und da hätte ich ja gern mal Mäuschen gespielt bei den ganzen Gremien- und Arbeitsgruppensitzungen, die das über Monate in endlosen Sitzungen erarbeitet haben. Das werden heiße Diskussionen gewesen sein.

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Soso, jetzt soll's also der Aiwangerhelmut gewesen sein, der Bruder vom Aiwangerhubsi. Das fiese Flugblatt einst verzapft haben. Hat zwar ein wenig von der Ausrede mit dem Hund, der die Hausaufgaben gefressen hat, aber nun gut. Man kann natürlich trotzdem Fragen stellen. Wenn er doch unschuldig ist, warum war Aiwangers erste Reaktion dann, das als erstes als "Hetzkampagne" zu bezeichnen? Morbus Trump? Klar kann man über den Zeitpunkt streiten, zu dem der Wisch jetzt auftauchte, aber sollte einem Politprofi nicht klar sein, dass Wahlkampf bedeuten kann, auch mit harten Bandagen vorzugehen? Wie täte er handeln, wenn aus der Vergangenheit eines prominenten bayerischen SPD-Mitglieds wildes linksradikales Schrifttum auftauchte? Er würde seinen Job nicht richtig machen, wenn er das einfach liegen ließe.

Menschen durchleben Phasen und 17jährige machen mitunter dumme Dinge, teils auch sehr dumme. Es gibt durchaus Möglichkeiten, sich glaubhaft davon zu distanzieren. Was wäre eigentlich passiert, hypothetisch jetzt, gesetzt den Fall, er hätte das Ding doch geschrieben, wenn Aiwanger einfach gesagt hätte: Ja, ich kann das nicht leugnen, ich habe das damals geschrieben und ich bin nicht stolz darauf. Mir wäre es lieber gewesen, das wäre nicht wieder aufgetaucht, aber jetzt ist das in der Welt und ich muss mich dazu verhalten. Das, was ich da vor fast 40 Jahren geschrieben habe, ist widerlich und geschmacklos, da gibt es nichts zu diskutieren. Ich distanziere mich in aller Form davon und kann nur um Verzeihung bitten. -- Was wäre passiert? Vermutlich weniger als jetzt.

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Im ReichenhallMuseum. (Wow, BinnenMajuskel! Echte MarketingProfis.)

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In der Causa Rubiales hilft zuverlässig die Austauschprobe. Diejenigen, die jetzt sagen: "Ja, gut, wenn ihn halt die Gefühle übermannen, den armen Mann, außerdem hat sie es doch auch irgendwie gewollt, nöch?", mögen sich bitte fragen, wie sie reagieren würden, wenn eine mächtige Verbandspräsidentin einen privat nicht näher mit ihr verbandelten Spieler einer Herrenmannschaft öffentlich abgeknutscht hätte. Oder wenn ein offen homophiler Verbandsfunktionär das bei einem männlichen Spieler getan hätte. Und ob ihre Reaktion da genau so ausfiele. Dann will ich natürlich wie immer nichts gesagt haben.










17 Kommentare:

  1. Jetzt habe ich Depp die ganze Zeit in dem Foto nach einer Binnenmajuskel gesucht! Kopf -> Tisch :-)

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    1. Tja, so isses manchmal.
      Ich habe das noch mal etwas deutlicher gemacht.

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    2. Ist ja eigentlich nur meine eigene Dämlichkeit! :-)

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  2. OT: Die Staatsanwaltschaft Berlin stellt Ermittlungen gegen Till Lindemann ein.

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    1. Selbstverständlich wird sich keiner der Beteiligten für die mediale Hetzjagd entschuldigen. War bei Jörg Kachelmann u.a. ja auch nicht der Fall.

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    2. Welche Ermittlungen? Soweit ich den Medien entnehme, wurden weder Zeuginnen vernommen, noch T. Lindemann richterlich unter Eid verhört. Bei Kachelmann und Mockridge stand Aussage gegen Aussage. Bei Lindemann wären es mehrere übereinstimmende Zeuginnenaussagen gewesen, die eine erdrückende Beweislast bedeutet hätten. Bei ihnen hat leider die Einschüchterung gewirkt, so dass sie schwiegen.

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    3. @anonym 8:41

      Da haben Sie sich offensichtlich nicht richtig informiert. Als Zeuginnen wurden Shelby Lynn und Keyla Shyx vernommen, außerdem wurden die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Vilnius (dort hat Frau Lynn Anzeige erstattet) ausgewertet. Da keine Anzeigen bzw. Aussagen von Opfern einer Straftat oder Zeugen einer Straftat vorlagen, wurden die Ermittlungen eingestellt. Die von Ihnen behauptete "Einschüchterung" ist bislang auch nicht belegt, also reine Spekulation.

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    4. @Anonym 8:41

      Bei Kachelmann wurde die Unschuld erwiesen und in einem weiteren Verfahren die Beschuldigende verurteilt (Verleumdung, Falschaussage, sowas). Nix Aussage./.Aussage, klasklare Falschbeschuldigung (ZEIT Verbrechen kann man gzt anhören dazu resp. die Texte von Sabine Rückert oder Gisela Friedrichsen dazu lesen.
      Übel, dass von dem ganzen Umtrieb nach all den Jahren immer noch so ein Hauch von Dreck hängenbleibt.

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  3. "Dieser Film enthält Szenen, die für Kinder nicht geeignet sind".
    Mimimi — ein Hoch auf die Helikoptereltern. (Völkerball 1964 — die Dicken bekamens voll auf die Fresse und sind heute erfolgreiche Steuerberater — also, was soll das?)

    Die eigenen Grenzen aufgezeigt zu bekommen,ist doch wohl anthropologisch völlig in Ordnung.

    Gruß
    Jens

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  4. Deutschlandweit werden 66 Prozent der Verfahren bei Sexualstraftaten von der Staatsanwaltschaft eingestellt. In manchen Bundesländern liegt diese Quote laut einem aktuellen Bericht des rbb sogar weit über 70 Prozent. Auch die Verurteilungsquote ist mit einem Wert um die zehn Prozent seit 2015 gleichbleibend niedrig.

    Das sollte nachdenklich machen.

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  5. Antworten
    1. Ich störe ja ungern mit Fakten: https://tinyurl.com/4fuer4z8

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    2. Gut, es gibt also bei Vergewaltigungen eine Dunkelziffer. Das beweist im Hinblick auf den Fall Lindemann exakt was?

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  6. Man muss ja nicht glotzen. Die alten Streams funzen auch ohne Katastrophenwarnungen. Was wohl los wäre, würden ARTE oder der WDR Irgendwo in Iowa wiederholen? Vermutlich würden die Sendeanstalten brennen, trotz Toxicticker.

    Causa Aiwanger? Ein Sinnbild einer narzisstischen Gesellschaft. Eher sogar ein Stilleben. Warten wir also noch auf die Verfehlung aller Politiker im Kindergarten zur Bundestagswahl. Wen interessiert da noch die Gegenwart? Auch wenn das alles Kacke war, gehört das heute nur auf Grundlage des Rechts bestraft. Nach 30 Jahren muss da schon mehr vorliegen. Die Frage ist doch eher: Warum gab es dafür damals keinen auf den Sack? Ein Thema für Phoenix Geschichte.

    Lustig wäre es allerdings, wenn sich die Bayernkoalition deswegen auflösen würde. Dann müsste nur noch die Ampel zerbröseln, die Konservativen sich so zerfleischen, wie die Linken und die Bundeswehr putschen.

    Was für eine lustige Degeneration.

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  7. Ergänzung von Anonym 8:21:
    Keine einzige Frau, die Lindemann sexualisierte Gewalt vorwirft, konnte durch die Ermittler befragt werden. Sie hätten ausschließlich mit Journalistinnen und Journalisten gesprochen, so die Staatsanwaltschaft.
    Es gibt vielfältige Gründe, warum mutmaßlich Betroffene sexualisierter Gewalt eher mit Medien sprechen als mit Justizbehörden. Manche haben Angst. Denn wenn sie aussagen, landen ihre Namen auf jeden Fall in den Akten – und damit auch bei der Gegenseite. Die Anwaltskanzlei, die Till Lindemann beauftragt hat, verkündete sehr früh, sie werde nicht nur gegen Medien, sondern auch gegen die einzelnen Frauen vorgehen, die Vorwürfe erhoben haben. Manche können sich keinen Anwalt leisten, der sie bei einem möglichen Verfahren begleiten könnte. Und manche fürchten die mentale Belastung, die mit teils jahrelangen Prozessen einhergehen kann.

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    1. Sie sagen es: "Manche". Diverse Medien redeten andauernd von Hunderten von Opfern. Und da sind nicht wenigstens mal 10-15 zusammengekommen, die bereit waren, mit den Ermittlungsbehörden zu reden? Und wie eine Anwaltskanzlei es hinbekommen soll, gegen Zeuginnen in einem Ermittlungsverfahren "vorzugehen" hätte ich auch gern gewusst. Das gibt es nur in Amifilmen. Und wurden nicht von Frau Kebekus et al. mehrere 100.000 Euro gesammelt, um Frauen, die sich keinen Anwalt leisten können, zu unterstützen? Mich würde interessieren, wie viel davon inzwischen abgerufen wurde.

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  8. @altautonomer:
    Und wie kommen Sie bei Anioli contra Mockridge auf die Behauptung, dass hier Aussage gegen Aussage stünde? Dass keine Vergewaltigung stattgefunden hat, ist unstreitig. Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens damals erfolgte auch wegen mangelnden Tatverdachts. Jetzt wurde gegen Anioli Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung gestellt.

    Sie fallen hier schon seit Wochen in Kleinbloggersdorf mit Falschbehauptungen zu Sexualdelikten auf.

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