Mittwoch, 8. Mai 2024

Markt und Vielfalt


Können wir bitte mit dem Unfug aufhören, Privatisierung und Kapitalisierung führten immer zu mehr Wettbewerb und Vorteilen für die Kunden? Danke. Wenn etwa das zuständige Ministerium Lizenzen für das Betreiben von Bahnstrecken im Nahverkehr ausschreibt und Firma X den Zuschlag erhält, dann führt das nicht zu Vielfalt, sondern diese Firma bekommt das Recht, die Strecke für eine bestimmte Zeit monopolistisch zu bedienen. Was ist daran Wettbewerb? Den einzigen Wettbewerb, den ich erkennen kann, ist dass verschiedene Anbieter versuchen, sich irgendwie gegenseitig zu unterbieten. Der Kunde hat da gar nichts von. Weder werden die Tickets billiger noch verbessert sich der Service signifikant.

Ich bin von jeher der Meinung, wenn schon Marktwirtschaft, dann bitte richtig. Also so, dass wirklich alle was davon haben. Marktwirtschaft und Wettbewerb wären doch, wenn die Kunden prinzipiell immer die Wahl hätten zwischen verschiedenen Anbietern und sich dann für einen entscheiden könnten, so wie das bei Fluggesellschaften meist der Fall ist. Wie würden Fluggäste reagieren, wenn sie erführen, der Flug von Düsseldorf nach Palma werde von jetzt an exklusiv und auschließlich von Air Ballermann betrieben? Eben. So müssten auch bei der Bahn eigentlich immer verschiedene Anbieter auf ein- und derselben Strecke mit verschiedenen Preisen um Kunden buhlen. Das führte aber zu chaotischen Zuständen (wer schon einmal in Großbritannien Zug gefahren ist, weiß, was die Uhr diesbezüglich geschlagen hat).

So wird dann jedenfalls argumentiert. Man entdeckt sein Herz für den Kunden. Das ist doch alles viel zu kompliziert für den Kunden! Da blickt doch keiner mehr durch! Die greise Oma, die ihre Enkel besuchen will und nicht durchblickt! Also bekommt man Scheinvielfalt.

Genau so eine Farce ist das mit dem Pay-TV für Fußball. Weil das grundsätzlich nur im Abo zu haben ist. Von irgendeinem Wettbewerb bekommt hier erst recht kein Kunde was mit, weil ein Kartell aus drei bis vier Anbietern (Sky, dazn, Amazon, Telekom) darum wetteifert, wer die nächsten paar Jahre das Sendemonopol innehaben wird (heißt dann nur nicht so, weil das ist ja böse, sondern 'Exklusivrechte'). Und weil man zwar, wie gesagt, dauernd von Wettbewerb labert, so ein übersichtliches Oligopol auf Abobasis aber viel lukrativer und planbarer für alle Beteiligten ist (außer den Kunden), muss, wer die volle Packung Fußball gucken will, zwei bis drei Abos abschließen. Wäre das mit dem Wettbewerb wirklich ernst gemeint, dann müsste, analog zum Flugverkehr, jeder Kunde per Pay per view an jedem Spieltag die Wahl haben zwischen x Anbietern. Das ließe sich problemlos gesetzlich regeln.

Neoliberale erklären das mit dem freien Wettbewerb gern mit dem Wochenmarkt. Da gibt es idealerweise für jedes Produkt mehr als einen Anbieter. Ich, der mächtige Kunde, kann mich jederzeit zwischen den Angeboten von Bäcker Brösel und Konditor Klappstulle, Metzger Milz und Fleischer Frikadelli entscheiden. Würde man mir auf dem Wochenmarkt sagen: Sie möchten Brötchen? Sehr gern. Sie müssten dann bitte einen exklusiven Brötchenabnahmeknebelvertrag mit Bäcker Backmeier abschließen. Laufzeit: ein Jahr Minimum, quartalsweise kündbar. Ach so, wenn Sie Ihre Semmeln mit jemandem anders teilen sollten, ohne dafür extra zu zahlen, oder es gar wagen sollten, irgendwo anders schwarz zu kaufen, setzt es was. Dann, wie soll ich sagen, fühlte ich mich doch arg gefoppt.







3 Kommentare:

  1. Ähnliches gilt ja auch für die Film-/Serien-Streaming-Anbieter. Man ist ja quasi schon wieder geneigt, sich Filme oder Serien wieder "anderweitig" zu beschaffen, wie in den Pre-Netflix-Zeiten, damit man nicht bei X Anbietern Abos abschließen muss. Und das Beste ist noch: Netflix bietet jetzt "Live Events", zu festen Uhrzeiten! Also das wär ja mal wirklich innovativ, wenn wir sowas nicht schon seit fast 90 Jahren hätten. Vielleicht wäre es Zeit für eine Netflix-Fernsehzeitschrift, Name "Kuckzu" oder so.

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    1. Das Problem ist halt, dass man nur mehr Abos bekommt. Vielleicht hülfe eine Analogie zur Zeitung: Hat man ein Abo, dann bekommt man jeden Tag einen Papierstapel, von dem einen vielleicht 20 Prozent interessieren, der Rest ist Werbung und Altpapier. Aber, und hier ist der Unterschied, man muss nicht abonnieren, man kann auch zum Kiosk und einzelne Zeitungen kaufen.

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  2. Guten Tag zusammen,
    Pay TV und Streamingdienste erinnern mich fatal an an die Leimfallen für Fliegen.
    Ist man einmal dabei, verheddert man sich fix in der ganzen Geschichte und schließt dann noch Dies und Jenes Abo ab, um ja nix zu verpassen.

    Man muss halt schauen, dass man mit den Öffis und deren Mediatheken klarkommt und sich ggf. abends mal ein Buch schnappen.

    Gruß
    Jens

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