"Die Zahl der Kunden, die sich ein Auto um 100.000 Euro leisten könnten, sei begrenzt, sagte Habeck der »Welt« in einem Doppelinterview mit VW-Chef Diess. »Wenn Sie 2025 kein E-Mobil für unter 20.000 Euro anbieten, dann werden Sie - so fürchte ich - im Markt scheitern.« Dann müsse sich VW konzentrieren auf Porsches und SUV und sei nicht mehr Volkswagen. »Dann bieten Sie nur noch Premiumwagen an und müssten sich in PW umbenennen«" (Quelle)
Das war 2019. Man kann von Robert Habeck halten was man will. Man kann ihn einen klapperten Kinderbuchautoren ohne Wirtschaftskompetenz nennen. Die schlechte Nachricht: Mit dem obigen könnte recht haben.
Wie es aussieht, hat VW etwa eine halbe Million unverkaufte Autos für die Halde produziert. Bei nicht wenigen anderen Firmen würden in so einer Situation die Insolvenzanwälte schon mal langsam mit Aufwärmübungen beginnen. Weil die Leute den Shit wohl irgendwie nicht kaufen. Natürlich trifft die VW-Mitarbeiter, die einfach ihren Job gemacht haben, keine Schuld, aber sie werden das ausbaden müssen. Böse Zungen sagen schon, bei VW solle man sich doch auf das konzentrieren, was man dort am besten kann: Currywurst.
Friedrich Merz ist wieder die Zukunft der Union, Stefan Raab macht wieder Shows und an den deutschen Grenzen wird wieder kontrolliert - fast wie in den 90ern, nur das Wasser steht höher.
— Livia Gerster (@feminaprinceps) September 17, 2024
Das Problem in Deutschland ist weniger, dass es welche gibt, die sagen, früher sei alles besser gewesen. Die Zahl derer, die das wirklich vorbehaltlos unterschreiben würden, ist wahrscheinlich kleiner als gedacht. Außerdem lässt sich das auch vergleichsweise leicht widerlegen. Problematischer sind jene, die meinen, was früher richtig gewesen sei, könne doch heute unmöglich falsch sein. Denn dieser Selbstbetrug ist weit tückischer. Vor allem in Zeiten, in denen sich politisch damit punkten lässt, jeden Vorstoß in Richtung Veränderung als ideologisch fundierten grünen Diktaturversuch zu denunzieren.
Für die Krise bei VW ist der Vorstand verantwortlich. VWs Strategie sah ab den 1980ern unter anderem so aus, dass man China als wichtigsten Auslandsmarkt immer weiter aufbaute und dort einen mehr als gerüttelten Teil seiner Gewinne erzielte bis hin zur existenziellen Abhängigkeit. Wobei man sich mutmaßlich auch vor Zwangsarbeit nicht bange machte. Jetzt machen die Chinesen ihr eigenes Ding mit erschwinglichen Elektroautos. Europäische Verbrenner sind da immer weniger gefragt (BMW, Mercedes und vielleicht Audi werden sich wegen ihres Premium-Bonus noch etwas länger halten können). Auch die Modellpolitik wird im Vorstand entschieden:
Zu Zeiten, da ich noch Autoquartett spielte, hatte VW drei Pkw-Modelle im Angebot (Transporter und LT nicht mitgezählt): Polo, Golf und Passat. Dazu ein paar Karosserieformen: Den Passat gab es als Kombi und Fließheck, alle drei als Derby, Jetta und Santana mit Stufenheck, den Golf Cabrio sowie das Coupé Scirocco auf Golf-Basis. Übersichtlich. Heute haben die Wolfsburger nicht weniger als 21 Modelle im Sortiment. In endlos zu konfigurierenden Ausstattungsvarianten. Weil man wohl irgendwann auf die Idee gekommen, Autos müssten individuell wie Fingerabdrücke sein.
Und das ist noch harmlos. Bei Mercedes gab es ebenfalls bloß drei Modelle: C-Klasse (ex 190er), E-Klasse (ex 200/300, davor Strich-8) und S-Klasse. Davon abgeleitet das S-Klasse-Coupe, den SL und das T-Modell. Später noch ein Mittelklasse-Cabrio. Jetzt sind es 21 Pkw-Modelle mit Verbrennern und 9 vollelektrische. Also dreißig. AMG-Rennpappen nicht mitgezählt. Holla! Bei BMW nicht anders. Die Bajuwaren boten bis in die Neunziger den Dreier, den Fünfer und den Siebener feil. Den Dreier als Coupé oder Cabrio, den Fünfer als Kombi und zeitweise ein Luxuscoupe (Sechser oder Achter). Plus die als Vertreterschubsen getarnten M-Schleudern. Heute: 22 Modellreihen. Bei Audi sieht es nicht viel anders aus.
Ist es da sooo abwegig, wenn welche sagen: "Alles so schön bunt hier, ich kann mich gar nicht entscheiden!"? Zumal die Modellvielfalt ja auch kostet. Was sich dann wiederum im Preis niederschlägt. Andere Hersteller kommen immer noch mit 4-6 Modellen hin. Wie machen die das bloß? Dazu regiert der Trend zu immer größer, immer fetter, immer breiter. Grund: Der Kunde will es so. Bei VW fliegen Klein- und Kompaktwagen aus dem Programm wie der Polo und der eUP. Bei französischen, japanischen und koreanischen Herstellern sind seltsamerweise immer noch Klein- und Kleinstwagen zu haben. Schwaches Bild für eine Marke, die mal das Image hatte, erschwingliche Autos für jedermann zu bauen.
Aber vielleicht ist es ja nicht der Vorstand allein. Mich zum Beispiel hat schon des öfteren der Verdacht beschlichen, in einigen Teilen des Volkswagen-Konzerns glaubt man, die Kunden müssten dankbar sein für die Ehre, eines von Deutschlands geilsten Autos kaufen zu dürfen.
Selbstredend kann ich hier nur über meine Erfahrungen berichten, aber der größte VW-Händler hier (Eigenwerbung: "Wir bewegen die Region!") ist mir immer wenig kundenorientiert begegnet. Wann immer ich dort war, hatte ich den Eindruck, ich störe irgendwie und man lege auf mich als Kunden keinen großen Wert. Meine Frage nach einem Gebrauchten wurde, nachdem die fröhliche Plauderrunde hinter dem Tresen nach 10 Minuten mal kurz Pause machte mit plaudern, lustlos beantwortet mit: "Sehen Sie halt da hinten auf dem Hof, ob was dabei ist." Als ich nach einer Probefahrt fragte, wurde ich angeschaut, als hätte ich mich soeben mitten im Showroom entblößt und mich auf dem Tresen entleert.
Klar, so ein an Neu- oder Jahreswagen nicht interessierter Habenichts wie ich ist halt mehr so C-Kunde. (Kleiner Marketing-Tipp unter Pastorentöchtern: Natürlich ist es okay, A-, B- und C-Kunden zu haben. Die Kunst ist aber, einen C-Kunden das nicht merken zu lassen. Nicht dafür). Einem Nachbarn, dem man eine im Wartungsvertrag vorgesehene Inspektion ohne Angabe von Gründen verweigert hatte, wurde beschieden, er solle doch zum Anwalt. Freund von mir, der da mehr als 20 Jahre lang alle zwei bzw. drei Jahre einen Neuwagen gekauft hatte, wurde kurz nachdem der Dieselskandal aufgekippt war, patzig und von oben herab behandelt, als er es wagte, nach einem Rabatt zu fragen. Hat sich dann auf dem Absatz umgedreht, ist zum Japaner gewechselt und hat es nie bereut.
Ist natürlich nur eine Anekdote. Einzelfall, gewiss. Aber nach Auto für jedermann, für die berühmten 'kleinen Leute' sieht mir das nicht aus.
Dazu kommen mir zwei Gedanken.
AntwortenLöschenVor etwa 1 Dekade war noch grosses Tohuwabohu wegen Feinstaub.
Heute beachtet niemand mehr PM10 und PM2,5. Da die Batterie eine knappe Tonne wiegt und der Reifenabrieb proporzional zum Gewicht ist, wäre das ja (E-)SUV verkaufsstörend.
Jahrzehntelang wurden Neuwagen geparkt. Dauerparkplatz.
Seit einem Jahr ist der Parkplatzmarkt in Eilat eingebrochen, vorher gabs etwa 10-11mio an Parkgebühten für Neuwagen hinter Stacheldraht. Und Wüstensand uns Meeresbrise ausgesetzt, wurden die wohl kaum noch verkauft.
Überproduktion für Börsenkurs ist wohl passé.
Stammtischwissen hilf niemandem! Mein ePkw wiegt gerade mal wenige 100 Kilo (rd. 1,9to) mehr, mit einem über 70kWh großem Akku! Informieren hilft. Bildung sowieso.
Löschen... am Festhalten der Luftgekühlten unter Nordhoff ist VW Anfang der siebziger Jahre schon mal fast pleite gegangen. NSU und Audi sind dem quasi wie Sterntaler ins PKW-Portfolio gefallen und haben komplett ohne Wolfsburg Know How den Konzern mit wassergekühlten Frontmotoren gerettet.
AntwortenLöschenWobei dann natürlich der VAG Konzern in den Siebzigern bis in die Neunziger wirklich tolle Fahrzeuge gebaut hat. Golf 2 mit 400.000 Kilometern auf der Uhr sind keine Seltenheit.
Jetzt wird es allerdings richtig eng und ich glaube nicht, dass der VAG-Konzern in der jetzigen Form überleben wird. Die gescheiterte alte Softwareplatform ist sozusagen der erste Sargnagel.
Gruß
Jens
Hat VW nicht Ende der Sechziger sogar mal einen Oberklasse-Prototypen mit Luftkühlung gebaut?
LöschenDer Laden hat ja von Anfang an jede Menge luftgekühlte Motoren verbaut, gleich nach seiner Gründung als “Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH“ 1937 und deren Umbenennung in "Volkswagenwerk GmbH“ im Jahr darauf. Zum Beispiel über 50.000 Kübelsitzwagen “Typ 82“, alle luftgekühlt und alle für Wehrmacht und SS. Mordskarren für Mörderbanden, würde ich mal sagen.
LöschenPS. Ich bitte um Entschuldigung, falls ich die VW-Nostalgie gestört haben sollte.
Oh, kein Problem. Dann muss man aber auch erwähnen, dass Wehrmacht und SS mit Lkws von Opel und Ford durch Europa rollten, dass so ziemlich alle deutschen Firmen, die in der Lage waren, was zu bauen, das rollt, Panzer gebaut haben. Und die Stadt Wolfsburg hat ihren Namen zwar von dem nahe gelegenen Schloss Wolfsburg, aber der Spitzname des GröFaZ ('Wolf') soll bei der Namensfindung auch eine gewisse Rolle gespielt haben.
Löschen"Spitzname" ...
AntwortenLöschenBlond wie Hitler, groß wie Goebbels und schlank wie Göring.
Gruß Jens
Nur der Vollständigkeit halber: BMW hat zum Kriegsbeginn 1939 die Automobilproduktion eingestellt und nur noch Motoren für Kampfflugzeuge gebaut.
AntwortenLöschenStimmt. Und Fliegerbomben hat VW damals übrigens auch gebaut. Vielleicht sollte der inzwischen halbmarode Laden einfach wieder damit anfangen? So wie die Weltlage inzwischen aussieht, würden die Dinger reichlich Abnehmer finden, und
Löschenim Gegensatz zu Autos haben sie ja nur eine extrem kurze Nutzungsdauer und müssten praktisch dauernd nachgekauft werden. Die Konzernbilanz würde sich quasi im Handumdrehn erholen.
... letztens irgendwo gelesen: angeblich war der letzte europäische, preiswerte, Kleinwagen der entwickelt wurde die erste Generation des Fiat Panda. 1980 entwickelt, *kostete er im Jahr 2000 in Italien etwa 5000 Euro. (*Wikipedia) Dafür bekommt man heute, wenn man nicht aufs Geld schauen muss, einen 22 Zoll Radsatz (4 Stück Felgen inkl. Reifen original VW) für den Touareg.
AntwortenLöschenUnd jetzt schließen wir mal kurz für 15 Sekunden die Augen und denken uns "so weit ist es also gekommen".
Gruß Jens
Meine Eltern haben seit den 80ern immer VWs (Golf, Jetta, Vento...) gehabt. Letzte Kiste vor 10 Jahren gekauft ist nun ein Polo, weil der genauso groß ist wie nen Golf 3. Das waren alles Neuwagen für unter 30.000 Mark bzw. der Polo glaube ich kostete so 20.000€.
AntwortenLöschenMeine Frau und ich verdienen infaltionsbereinigt besser als meine Eltern damals. Aber die VWs sind so lächerlich teuer...ich kenne auch niemanden in unserer Einkommensklasse oder auch in anderen Klassen, der sich noch nen VW kauft...höchstens geleast als Firmenwagen.
Das mit den Preisen trifft doch nicht nur auf VW zu. Da bedient sich nahezu jede Firma nochmal am Verbrennungsmotor in meist völlig überdimensionierten, übermotorisierten und überbezahlten Ausführungen, während halbwegs normale Kisten zu erschwinglichen Preisen und mit E-Antrieb im "Portfolio" quasi Nische sind, weil da die Marge zu wenig ist.
AntwortenLöschenWas die Entwicklung und das Know-How betrifft, lässt sich ja nur vermuten, dass da schlicht gespart wurde aus obigen Gründen und ggf. die Annahme besteht, dass man den technischen Fortschritt dann eben später preisgünstig abkupfert. Oder die Sachen liegen längst in der Schublade und werden nur zurückgehalten, bis das Geschäft mit "Bewährtem" wirklich ausgelutscht ist und sich am Neuen ebenfalls mehr verdienen lässt. Ist ja so die Strategie der Energieerzeuger auch gewesen und die Abkehr lässt man sich noch schön "vom Staat" bezahlen so wie mit der jetzt wieder in den Raum gestellten Abwrackprämie als Unternehmenssubvention über Eck. Wird bei VW schon klappen mit der Staatshilfe, spätestens wenn die Aktionäre und Bosse, die sich letztes Jahr noch eine schicke Dividende gegönnt haben, mit dem Spruch "Das kostet Arbeitsplätze" drohen.
Beim Selbstbedienungsladen Strom- und Energiepreise hat es ja so ähnlich funktioniert. Die Unternehmen nutzen die Situation aus für Mondpreise und der Bund kompensiert das über die Energiekostenpauschale und Inflationsausgleichprämie, bei der Letztere teils nicht einmal vollständig ausbezahlt wurde, kein Rechtsanspruch bestand und wirklich Arme wie HartzIV-/Bürgergeldempfänger, die keine "Aufstocker" sind, hatten ja nicht einmal Anspruch darauf, weil ja sowieso "das Amt zahlt" oder eben auch nicht.