Man gestatte mir, bevor wir zu den Fundstücken und Links des Monats kommen, ein kurzes Statement: Momentan scheint man sich einig zu sein: Israel ist schuld. Jetzt gehen sie zu weit! Bei allem Verständnis, aber... Überall heißt es, mehr oder minder dringlich: Los, leg endlich deinen deutschen Judenknax ab, wende dich ab vom "Schuldkult" (Höcke), gib dir einen Ruck und bekenne dich dazu, dass Israel Völkermord begeht. Oder wenigstens Netanjahu und seine Spießgesellen! Das würde ich sogar tun, denn es gibt durchaus Argumente dafür.
Aber. Erstens ist mir Bekenntniszwang zuwider. Ferner -- man verzeihe mir angesichts des Anlasses die flapsige Formulierung: Something smells fishy. Ich kriege diese Fragen einfach nicht aus dem Kopf. Wie kann es sein, dass alle Welt nur mehr mit dem Finger auf Israel zeigt (oder auf Netanjahu), aber niemand mehr auf die Hamas? Wie viele tote und verhungerte Kinder gehen auf deren Konto? Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Die Hamas hat es nach wie vor in der Hand, das Sterben zu beenden. Zumal es Hinweise gibt, dass diese "klerikalfaschistische Mördersekte" (Schuberth) an der Hungerkatastrophe nicht völlig unbeteiligt ist. Sich an Hilfsgütern bereichert. Journalisten angreift. Warum wird nicht wenigstens am Rande erwähnt, dass, wenn schon von Genozid die Rede ist, die Hamas darin nicht nachsteht? Deren offen erklärtes Ziel ist nach wie vor die Beseitigung des Staates Israel und die Auslöschung der Juden auf der Welt. Die mit Milliarden aus Petrostaaten cofinanzierte Hamas hat es geschafft, bis an westliche Universitäten die Lesart zu etablieren, sie habe mit der ganzen Sache absolut nichts zu tun und sei das arme Opfer. Oh, und was genau hat es gleich mit Kritik am Vorgehen des Staates Israel in Gaza zu tun, wenn die spanische Guardia Civil jüdische Kinder und Jugendliche aus einem Flugzeug zerrt?
Bedaure, so lange das Bild so disparat ist, werde ich mich mal so gar nicht eindeutig und klar positionieren.
Mehr Politik. Jonas Schaible über Kulturkampf. Ein weiteres großes Thema zur Zeit.
"Kulturkampf ist, wenn man nicht über Verbrennungsmotoren sprechen will, sondern ausschließlich über das Auto als Chiffre für das Leben auf dem Land, das Städter*innen nicht verstehen. Nicht über die ökologischen Folgen von Fleischkonsum, sondern über die Wurst als Kraftriegel der Arbeiterklasse, den die Körnerfresser nicht begreifen. Nicht über die Versiegelung von Boden, sondern über das Einfamilienhaus als Lebenstraum. [...]
Auf Dauer reibt sich eine Gesellschaft im Kulturkampf unweigerlich wund. Demokratie funktioniert nur über Kompromisse. Die dürfen als Niederlage empfunden werden, aber nicht zu oft als Kränkung. [...] Kulturkampf [ist] das Mittel von Leuten [...], deren eigentliches Ziel regime change ist, die Abschaffung der liberalen Demokratie. Das heißt nicht, dass alle, die Kulturkampf betreiben, dieses Ziel haben. Es heißt aber, dass es ein riskantes Mittel ist, politischen Konflikt zu führen." (Schaible, a.a.O.)
Johannes Simon zur Kampagne gegen Frauke Brosius-Gersdorf: Die Stunde der Hysteriker.
Wenn Deutschland bei der Digitalisierung immer noch hinterhertrottet und der Glasfaserausbau nur mehr schleppend vorangeht, dann gibt es dafür einen klaren Schuldigen: Helmut Kohl. Dessen Vorgänger Helmut Schmidt und Postminister Gscheidle hatten einen Plan in der Schublade, die BRD binnen 30 Jahren flächendeckend mit Glasfaser zu vernetzen. Kohl räumte das ab, weil er sich von seinen Amigos belabern ließ, Kupferkabel reichten völlig aus und außerdem sei es wichtiger, den 'Rotfunk' (Vorgänger der 'linksgrünen Systemmedien') zu bekämpfen mittels Ausbau eines konservativ tickenden Privatfernsehens.
Interview mit dem Philosophen Byung-Chul Han. Von 2012. Geradezu beängstigend aktuell.
Mostafa Abdou und Vinit Ravishankar über das baldige Verschwinden der Wissensarbeiter.
Kultur/Gesellschaft/Gedöns. Wenn Sie noch ein Hobby suchen: Den Teppich von Bayeux 1:1 nachsticken wäre doch was für lange Winterabende...
Hannemann zum ersten: Warum erwachsenen Menschen, die Worte wie "Herzensmensch" im Munde führen, nicht zu trauen ist.
"Pathos ist bombastbeladener Gefühlsersatz für Leute, die als sensibel gelten wollen, ohne es zu sein." (Hannemann, a.a.O.)
Henning Uhle zur 'Generation X'.
Friedrich Küppersbusch im Übermedien-Podcast über Late Night und das Ende von Stephen Colberts Sendung. Erhellend.
Musik. Anlässlich der vielleicht nicht komplett überraschenden, dennoch traurigen Nachricht vom Tod des einzig wahren Prince Of Darkness lassen sich am Beispiel des wohl berühmtesten Black Sabbath-Songs zwei Dinge exemplarisch aufzeigen: Dass auch vermeintlich simpel gestrickte Rockmusik, erstens, große Kunst sein kann und dass Kunst, zweitens, weniger von Können kommt, sondern von Inspiration. 1970 waren Black Sabbath vielleicht noch nicht auf Höhe ihres technischen Könnens, dafür aber auf der Höhe ihrer Inspiriertheit. 'Paranoid' ist angeblich in einer halben Stunde entstanden. Man brauchte schnell noch einen Song, um das zweite Album vollzubekommen.
Geezer Butler hatte einen Text zusammengeklöppelt, der in wenigen Worten Herzschmerz und Frust ("Finished with my woman / 'Cause she couldn’t help me with my mind"), Fremdheit mit der Welt ("People think I'm insane / Because I am frowning all the time"), und Depression ("I can't see the things that make true happiness / I must be blind") vereint und viel Gültiges enthält. Kein Refrain, nur vier Strophen und eine Bridge. Dazu zimmerte Tony Iommi ein simples Riff in E-Moll, das niemand, der es je hörte, jemals vergisst. Und Ozzy sang das ebenso unvergesslich ohne das groß geprobt zu haben mit seiner Kreissägenstimme. Da Osbourne stimmlich ein echter Tenor war, klingen die Höhen aber nie gequetscht. Große Kunst. Der auch so was nichts anhaben konnte.
(Video im erweiterten Datenschutzmodus. Anklicken generiert keine Cookies.)
Sport. Ulli Hannemann zum Zweiten. Anlässlich der Demission Thomas Müllers zur Dauerklage "früh-, mittel- und spätvergreister Sportjournalisten" von wegen, es gäbe keine 'Originale', nirgends mehr 'echte Typen'.
"Diese »konturlosen Jasager« sondern nur noch »leere Worthülsen« ab, wollen wahlweise »nirgends anecken« oder sind gar von »clubeigenen Medienberatern geschult« und reden von langweiligen Laufwegen, wo das Original der Siebziger-, Achtziger- oder Neunzigerjahre nach dem Spiel mit der Kippe im Mund ins Mikro der Sportwochenschau rülpste: »Samstach in Gladbach war ich noch so besoffen, dass ich nach einem Sprint direkt vor die Fankurve gekotzt habe.« Haha, schöne Anekdote. Außerdem war »der schwule Schiri« bestochen, »ich sterbe jederzeit für Schalke«, überall lauern »warme Brüder«, und man »spielt hier keinen Mädchenfußball«". (Hannemann, a.a.O.)
Matthias Kalle sieht im Nationalstolz, der mit der Fußball-EM der Frauen wieder hochkocht, nicht gesellschaftlichen Fortschritt, sondern Regression.
Essen/Trinken/gut leben. Klink über Wachauer Marillen. Derselbe über 'Kulturmenschen' und deren Blähwort 'premium'.
"Hasso trank ein Premium, Bumms, da fiel der Hasso um." (Droste)
Gespräch mit der Kochbuchautorin Cettina Vicenzino über Italien-Mythen. Einerseits hat sie natürlich in vielem recht. Vor allem das 'Dolce Vita!'-Gemache ist fast ausschließlich peinlich. Andererseits leben Teile der italienischen Volkswirtschaft, vor allem die Tourismus- und die Lebensmittelindustrie, sehr gut davon.
"Vor kurzem las ich: »Italien ist kein Land, sondern ein Gefühl.« Das hat mich aufgeregt. Italien ist kein Gefühl für Touristen, sondern echte Menschen leben dort mit echten Problemen. Ich weiß nicht, was »Dolce Vita« ist. Wenn ich an den Film denke, dann hat das nichts mit der heutigen Vorstellung zu tun. Der Film ist eher eine Kritik an genau diesem oberflächlichen Leben. Unter »Dolce Vita« werden ja alle Probleme weggeblendet. Wir haben Regentage, Müllprobleme und andere Herausforderungen – das ist nicht das romantische Konstrukt, das sich viele vorstellen." (Vicenzino, a.a.O.)
Mohamed Amjahid über von Rapper:innen promotete Promi-Eistees und -Tiefkühlpizzen. Und ein Rezept für Spinat-Pasta gibt es noch obendrauf.
Ich habe für meinen heutigen Blogpost zum Thema Gaza die erste Morddrohung meines Lebens bekommen. Der Kommentar war fast so lang wie mein Text und selbst AfD-Fanatiker würden sich nie in diesem Tonfall äußern. Die Fanboys der Gaza-Taliban und Terror-Groupies machen es mir leicht, mich für eine Seite zu entscheiden. Hass, Hetze, Hamas.
AntwortenLöschenNa klasse. Das ist wohl das, was ein Teil der jungen Leute so an der Uni lernt heutzutage. In Katar wissen sie schon, warum sie großzügig (geisteswissenschaftliche) Lehrstühle an US-Topunis mitfinanzieren.
LöschenOh, und was genau hat es gleich mit Kritik am Vorgehen des Staates Israel in Gaza zu tun, wenn die spanische Guardia Civil jüdische Kinder und Jugendliche aus einem Flugzeug zerrt?
Löschennichts. und vielleicht auch nichts mit antisemitischen spaniern;
Auf Nachfrage erklärte die spanische Guardia Civil, die Jugendlichen und ihre französischen Begleiterinnen seien „wegen schlechten Benehmens“ von Bord verwiesen worden. „Die Minderjährigen hantierten wiederholt mit dem Notfallmaterial, unterbrachen die Sicherheitsdemonstration der Besatzung und ignorierten Anweisungen“, lässt die Polizei auf Nachfrage wissen. „Der Pilot war der Meinung, dass sie den Flug gefährdeten, und befahl ihre Evakuierung. Eine der Betreuerinnen widersetzte sich und ignorierte die Forderungen der Beamten der Guardia Civil und musste zwangsweise entfernt werden.“ Sie sei aber „NICHT verhaftet worden“, schreibt die Pressestelle der Zivilgardisten
https://www.sueddeutsche.de/panorama/juedische-jugendliche-flug-paris-spanien-antisemitismus-li.3288953
Die Feindschaft gegen Juden und Israel wird endemisch: In Spanien zerrt die Guardia Civil jüdische Kids aus einem Ferienflieger und fesselt ihre Begleiterin, weil sie jüdische Lieder sangen
tröten die ruhrbarone. nichts verlinkt, nur dieser eine satz. genau ein satz. kein kontext, kein garnichts. aber erstmal breitseite.
ach du meine...
Unterdessen werden auch Details über den Piloten der Maschine bekannt. Die Airline weist in einer Stellungnahme auf seine 19-jährige Erfahrung bei Vueling hin. Der Mann trainierte aber offenbar auch Attentäter auf das World Trade Center wie Mohamed Atta. Er hat sogar ein Buch darüber verfasst, der Titel: »Unschuldiger Komplize«. Diese Details führen nun in israelischen Kreisen zu großer Aufregung
achja, und der SPritZ ist wieder fürs würzige zuständig.
https://www.spiegel.de/panorama/a-8dac5cc5-f8ee-495e-ad3e-95f1716b5a7c
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AntwortenLöschenDer Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
Löschen...wenn schon von Genozid die Rede ist, die Hamas darin nicht nachsteht?
AntwortenLöschennuja, der unterschied grade ist halt daß die administration netanjahu dieses anscheinend in die tat umsetzt, jedenfalls gemäß israelischen ngos;
Two leading human rights organisations based in Israel, B’Tselem and Physicians for Human Rights, say Israel is committing genocide against Palestinians in Gaza and the country’s western allies have a legal and moral duty to stop it
Deren offen erklärtes Ziel ist nach wie vor die Beseitigung des Staates Israel und die Auslöschung der Juden auf der Welt
terror vs terror scheint mir nicht das optimale mittel der wahl, um die (anscheinend) größtenteils antisemitische bevölkerung gazas von diesem erklärten ziel abzubringen. barbarei gebiert nur mehr...usw.
Die mit Milliarden aus Petrostaaten cofinanzierte Hamas hat es geschafft,
tja, stellvertreterkriege sind doch was schönes, jeder kricht seinen climate-collapse-juice um den wahnsinn am laufen zu halten, die opec-staaten ihre waffen und ne ganze bevölkerung auf den diese (und qua jeder global) einen scheissdreck geben als märtyrer for free obendrauf.
bis an westliche Universitäten die Lesart zu etablieren, sie habe mit der ganzen Sache absolut nichts zu tun und sei das arme Opfer
ist das so? welche unis sollen daß sein? welche studenten? ist gegen die regierung netanjahu zu demonstrieren demzufolge zu leugnen daß die hamas eine terror-organisation ist, die am 7ten oktober 2023 1200 menschen abgeschlachtet hat?
whatever, 2030-40 bricht die scheisse called-the-human-race eh zusammen and everyone will head for the hills. so fuckit, what are a few millions dying in meaningless wars when billions are gonna die in the next two decades anyway.
Wenn Deutschland bei der Digitalisierung immer noch hinterhertrottet und der Glasfaserausbau nur mehr schleppend vorangeht
AntwortenLöschenso fucking what? "digitalisierung" im zeitalter von mechaHitler / simulierter ai ohne nutzen, aber dem ressourcenverbrauch eines mittleren industrie-staates...das ist doch nur mehr ein treppenwitz. für was den? die wirtschaft?!? oder doch einfach nur für netflix in 8K für die letzten jahre die noch bleiben?
we are truly fucking disgusting as a species which invented technology for shit we dont need and kills every other species on the planet in the process. fuck!
Dass wir Deutsche Massaker an Juden gern und möglichst zeitnah vergessen ist ja nix Neues, es muss wohl irgendwie in unseren Genen liegen. Es wäre wirklich schön, wenn die mal wer reparieren könnte ... Und die Hamas eine "klerikalfaschistische Mördersekte" zu nennen trifft die Sache ganz gut, finde ich. Wie ich Netanjahu und seine Spießgesellen nennen würde, wäre ich kein Deutscher und damit qua Geburt einem der emsigsten Judenmördervölker der jüngeren Geschichte zugehörig, wäre allerdings sicher justiziabel.
AntwortenLöschenVielleicht wäre es in dieser Sache (wenigstens für Biodeutsche) gar nicht so unangebracht, einfach öfter mal die Klappe zu halten? Was mir leider ähnlich schwerfällt wie Ihnen oder z.B. dem Herrn Bonetti. Der sich aber ect nicht wundern sollte, wenn er für seine steilen öffentlichen Bekenntnisse zu besagter Sache auch mal eklige Rückmeldungen von ekligen Arschlöchern bekommt. Kommentarspalten sind nun mal wie Scheißhäuser: grundsätzlich kann da erstmal jeder was reinmachen. Und Hass gehört nun mal zum Netz wie Linnemann zu Merz und Auschwitz zu Deutschland. Deshalb an dieser Stelle dem Herrn Bonetti ein ermutigendes:
PS.
"Heul leise, Andy!" Die Wahrscheinlichkeit, dass der anonyme Morddrohende demnächst mit gezücktem Messer vor der Tür deiner gemütlichen Berliner Kiezschreiber-Butze steht ist wesentlich geringer als die, dass ein palästinensischer Essenholer statt eines Tellers Hummus eine IDF-Granate serviert bekommt.
PPS.
AntwortenLöschenUnd jetzt bin ich wirklich echt gespannt, ob mein Kommentar von eben genehmigt und sichtbar werden wird ...
Danke für die Sichtbarkeit.
AntwortenLöschenDa nich für. Habe kein Problem mit Kritik, Widerspruch und konträrer Meinung, sofern kein Faschokram und kein Gepöbel.
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