Heute: Chris über Alpha Males
"Mich faszinieren die Alpha Males. Natürlichkeit, Stärke und Kampf nehmen sie für sich in Anspruch. Aber wehe, man verbietet ihnen Auto zu fahren. Laufen und Radfahren ist nicht natürlich. Da reicht die Stärke nicht. Sie halten es auch nicht aus, Frauen auf Augenhöhe zu behandeln. Denn dafür reicht die Stärke nicht. Frauen die ihrem Normal nicht entsprechen, werden verachtet. Denn nur die schwache Frau ist ertragbar, für diese »Starken« Männer. Sie wollen natürlich sein und kämpfen. Schaut man sich viele davon an, sind sie fett, ungesund und nur in der Gruppe oder mit Waffen in der Lage ihrem Ideal zu entsprechen. Männlichkeit als Ideal, das sie selbst kein bisschen erfüllen.
Aber die anderen, das sind ja die Beta Männer und verweichlicht. Diese Typen die Fahrrad fahren bei Wind und Wetter, sich um ihre Kinder kümmern und dabei wenig schlafen, die Familie versorgen, weil sie kochen, Wäsche waschen, usw. Sich also durch den Alltag kämpfen. [...] Die sind in den Augen der richtigen Männer schwach. Eben jener Männer die eine Frau brauchen die ihnen dann Essen kocht, Wäsche wäscht, die Wohnung aufräumt und sie bewundert." (endless.good.news, 17. Juni 2025)
Anmerkung: Vor allem Rechte propagieren ja gern eine Rückkehr in eine imaginierte Vergangenheit, in der alles besser, irgendwie 'natürlicher' war, nehmen aber gleichzeitig gern alle Vorteile mit, die die schlimme, dekadente Gegenwart ihnen bietet. Damit ist schon einiges gesagt. Typen, die sich heute Alpha Males nennen und sich als solche vermarkten, wären bei uns damals komplette Lachnummern gewesen. Es war Konsens, dass Männer, die derart ostentativ eine atavistische Männlichkeit raushängen lassen, es aus ganz bestimmten Gründen offenbar ganz gewaltig nötig haben. Pumpende Muckimänner galten uns als hohle Poser. Und Machos, die sich qua Unterhoseninhalt als was besseres dünken und von Frauen alle Ernstes Unterwerfung verlangen, als unaufgeklärte, armselige Lappen. Das Gehabe, was für ein echter Kerl man doch sei, war etwas für Prolls, Hinterwäldler und politische Randgruppen.
Und warum? Weil ebenfalls Konsens darüber herrschte, dass aus dem bloßen Zufall, mit einem Y-Chromosom und einem Penis zur Welt gekommen zu sein, irgendwelche Vorrechte und Privilegien ableiten zu wollen, genau so ein irrationaler, unaufgeklärter Kokolores ist, wie das in Bezug auf den puren Zufall der eigenen Herkunft, vulgo: Nationalität, zu tun. Natürlich kann man einwenden, sei das vor allem das Mindset urbaner, tendenziell linker bis linksliberaler Milieus gewesen. Aber eben auch ziemlicher Mainstream. Man sehe sich zum Beispiel den großen Erfolg eines Films wie 'Otto -- der neue Film' (1987) an, in dem supermännliche, muskelbepackte Filmhelden ('Amboss, der Rabiator') andauernd durch den Kakao gezogen werden. (Und Modern Talking.)
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Soll das alles nun perdü und erledigt sein? Wird die Uhr wieder zurück gedreht in Richtung Jute alte Zeit? Tappe ich am Ende gar selbst in die Nostalgiefalle -- haha, erwischt! -- und rede mir bloß ein, dass früher alles besser war? Sehen wir genauer hin: Allen unerfreulichen Modeerscheinungen zum Trotze, gibt es durchaus Argumente dafür, dass der Alpha Male-Zinnober im Großen und Ganzen eine Episode bleiben wird. Ein Rückzugsgefecht einer aussterbenden Ordnung, die das nur noch nicht wahrhaben will. Warum? Weil, wie Marx so richtig anmerkte, das Sein das Bewusstsein bestimmt.
Preisfrage: Wieso haben wir so viele und eine immer weiter steigende Anzahl von Singlehaushalten? Bürgerlich-konservative sind da mitunter schnell zur Stelle mit kulturpessimistischen Antworten: Sitte und Moral gingen den Bach unter, Menschen wollten sich einfach nicht mehr binden und so weiter. Weiter rechts Stehende sehen meist gleich den Untergang des Abendlandes gekommen. Dabei ist die Antwort auf die Frage ganz einfach: Das ist so, weil wir es können. Weil ein Haushalt heute bequem von einer Person geführt werden kann. Weil es technischen Fortschritt gibt und weil die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse so sind wie sie sind. Dagegen kann man sich vielleicht stemmen, aber aufhalten kann man das so wenig, wie es möglich war, an Pferdefuhrwerken festzuhalten.
Noch weit bis ins 20. Jahrhundert waren Ehe und Familie immer auch Wirtschafts- und Versorgungsinstitution. Ein Haushalt war allein nicht zu managen. Außer, man verfügte über die Mittel, Personal zu bezahlen, das die Hausarbeit erledigte. Lebensmodelle wie die des 'ewigen Junggesellen' und der 'alten Jungfer', die keine:n abbekommen hatten und daher bei einer Wirtin, im Kloster oder einer anderen Kommune leben mussten oder irgendwie Familienanschluss hatten, sind heute so obsolet geworden wie Bratkartoffelverhältnisse. Zweckpartnerschaften aus Mann und Frau ohne tiefere Bindung zum beiderseitigen Vorteil. Das ist weder Zufall noch hat es mit 'Niedergang' zu tun.
Der wöchentliche Waschtag nahm einst mehr als einen Tag schwerer Arbeit in Anspruch, bei größeren Familien wie bei meinen Großeltern musste noch einen Zugehfrau kommen, ohne die nichts lief. Heute? Wäsche in die Maschine, Knopf drücken, zirka zwei Stunden sich schönen oder wichtigen Dingen widmen, dann die fast schon trockene Wäsche aufhängen und fertig. Oder Verköstigung. Ohne einen Obst- und Gemüsegarten und Einkochen, was auch Sache der Frauen war, kamen viele Familien nicht übers Jahr. Eingekauft werden musste jeden Tag frisch auf dem Markt, weil nur die wenigsten einen Kühlschrank hatten, geschweige denn eine Tiefkühltruhe. Heute? Lässt sich der Einkauf dank quasi flächendeckender Nahversorgung auf dem Heimweg von der Arbeit erledigen. Oder an einem halben Samstagvormittag. Vieles von dem, was Ehe und Familie früher mal ausmachte, ist heute schlicht weggefallen und kommt nicht wieder.
Gewiss, wir leben in schwierigen Zeiten und es gibt Rückschläge. Aber das Schöne daran, progressiv zu sein ist: Man weiß, man wird am Ende gewinnen. Auch wenn es nicht einfach sein mag. Die Rückbesinnung auf überkommende Geschlechterrollen, wie Alpha Males und ihnen nahe Stehende sie propagieren, ist ja, siehe oben, eben kein Zeichen von Stärke, sondern von Angst und Überforderung. Niemand aber kann auf Dauer erfolgreich gegen Realitäten ankämpfen, ohne daran krank zu werden. Auch wenn es heute einfacher ist, sich in Bubbles mit eigenen Realitäten zu verkriechen und die Gräben tiefer werden. Oder die KI in ein paar Jahren auf den Trichter kommt, dass Homo sapiens es verkackt hat und zur Tat schreitet. Aber dann wäre eh alles egal.
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