Montag, 26. Mai 2014

Drei Fragen am Rande


Sagt mal, Politiker,

geht’s noch? Was ist denn in euch gefahren? Der Blitz beim Scheißen? Eigentlich hatte ich ja geglaubt, die Forderung, den morgendlichen Schulbeginn zu verschieben, wenn Deutschland bei der WM um 22:00 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit spielt, sei auf dem Mist dieser hysterischen Supereltern gewachsen. Also denen, die grundsätzlich hochbegabten Nachwuchs in die Welt setzen, stillend die Latte-Macchiato-Läden des Landes flächendeckend verstopfen und glauben, mit dem Zeitpunkt der Geburt ihrer Thronfolger habe das Universum sich gefälligst ausschließlich um sie und ihre überzogenen Ansinnen zu drehen.

Montag, 12. Mai 2014

Geräuschmuseen, sinnlich


Geht das? Werd ich es noch erleben, Sweetheart? Kriegt man das hin? In Deutschland einem Sonntagnachmittag verbringen zu können, ohne irgendwo was auf die Ohren zu bekommen? Leidet die Welt an einem kollektiven akustischen horror vacui? Als würde es nicht reichen, dass für diesen jung gebliebenen Besserverdiener aus der Gegend ein Sonntag offenbar kein Sonntag ist, wenn er nicht mindestens zwanzig Mal die Straße, an der ich wohne, mit seiner Harley rauf- und runterbollert, dass die Tassen im Schrank klappern, nein. Auch Museen, früher einmal Stätten der kontemplativen Ruhe, sind längst nicht mehr sicher vor den Geräuschemachern. Denn Radau gehört inzwischen immer öfter zum Konzept.

Mittwoch, 7. Mai 2014

1982 - der Sündenfall


Anfang der Achtziger war eine Mehrheit der europäischen Öffentlichkeit sich einig darüber, dass Krieg als Mittel der Politik ausgedient hatte. Die Friedensbewegung dominierte große Teile des politischen Diskurses. In Deutschland kamen die Grünen erstmals in den Bundestag, Kanzler Schmidt stürzte am Ende über den NATO-Doppelbeschluss. Es schien klar, dass der nächste Krieg im Zeitalter des aberwitzigen Rüstungswettlaufs der Supermächte und des nuklearen Overkills ein totaler und entgrenzter werden könnte, der das Ende der Menschheit bedeutet hätte. Überdies trugen die Amerikaner noch an ihrem Vietnam-Trauma, das sie zurückschrecken ließ, ihre Truppen in Kampfeinsätze zu schicken.

Donnerstag, 17. April 2014

Die Mär vom deutschen Billigesser


Zur Abwechslung ein wenig Statistik

Die Deutschen, heißt es immer mal wieder, gäben europaweit mit am wenigsten für Lebensmittel aus. Außerdem seien Lebensmittel hierzulande im internationalen Vergleich viel zu billig. Wir seien eine Nation von Schnäppchenjägern, kniepig und gnadenlos immer auf der Suche nach den paar Cent weniger. Auf Kosten der Wertschätzung von Lebensmitteln und des braven kleinen Einzelhändlers um die Ecke, zu gleichzeitigem Nutz und Frommen sinitstrer Billigheimer. In anderen Ländern, da sei das natürlich ganz anders: Dort verstehe man zu genießen, spiele gutes Essen eine ungleich größere Rolle als bei uns und daher gäben die Menschen dort auch größere Teile ihres Einkommens für Fressalien aus.

Montag, 14. April 2014

Der Soundtrack der Republik


"Downcasting people for their taste in music is close-minded. Except when their taste in music sucks."

Da ist man mal ein paar Tage nicht da (die etwas längere Sendepause in diesem Theater war übrigens einer mehrtägigen Fortbildung und einem gut gebuchten Wochenende geschuldet - sorry fürs Nichtankündigen), und schon kommen einem die lieben Kollegen zuvor. Bereits seit längerem brennt mir das Bedürfnis unter den Nägeln, ein paar Zeilen beizusteuern zu diesem gruseligen Trubel um Helene Fischer, der die Nation mehr und mehr im Würgegriff hat. Und, was passiert? Kommen einem gleich zwei Blogger mit derart wundervollen Beiträgen zum Thema um die Ecke, dass dem kaum etwas hinzuzufügen bleibt. Ein wenig Senf dazu mag ich mir allerdings dann doch nicht ganz verkneifen.

Samstag, 5. April 2014

Musikalische Jubiläen (1)


Es gibt diese Knackpunkte im Leben. Diese Momente, in denen einem klar wird: Scheiße, das war's jetzt wohl mit der Kindheit, der Jugend, dem Jungsein, endgültig. Sie kommen plötzlich, gern unerwartet, und man hat das sichere Gefühl, dass das Leben soeben unwiederbringlich ein anderes geworden ist. Zum Beispiel, wenn die erste große Liebe in die Brüche gegangen ist. Oder später, wenn der Arzt einem zum ersten Mal ans Herz legt, es mal ein wenig ruhiger angehen zu lassen. Oder wenn man irgendwann feststellt, dass der Job einen so müde macht, dass man am Wochenende lieber seine Ruhe hat und ausschläft, um wieder Kraft zu tanken, anstatt auf die Piste zu gehen. Während gleichzeitig die verrenteten Eltern, die sich zum Glück bester Gesundheit erfreuen, es ordentlich krachen lassen und länger aufbleiben als man selbst.

Dienstag, 25. März 2014

Satire a'la Bourgeoisie


Ist es das Alter? Manchmal verstehe ich's einfach nicht mehr und fürchte, langsam zu einem humorlosen, moralinsauren Mucker zu werden, was ich nie im Leben wollte. Eine Weile hielt sich Kai Twilfers Buch 'Schantall, tu ma die Omma winken!' ziemlich weit oben auf den Bestsellerlisten. Weil mir Bestseller normalerweise so egal sind wie die Essgewohnheiten von Supermodels, bekomme ich so was immer nur am Rande mit. Registriert habe ich es, weil mehrere gleichaltrige Leute aus meinem Umfeld, darunter durchaus gebildete, intelligente und anständige Menschen, von dem Buch als einem der lustigsten schwärmten, das sie seit langem gelesen hätten. Zu Weihnachten bekam ich es von einer lieben alten Freundin geschenkt. Am Wochenende habe ich es endlich zur Hand genommen und fühle mich zur zweiten Buchrezension binnen einer Woche genötigt.

Sonntag, 23. März 2014

Wann ist ein Haus ein Hohes Haus?


Roger Willemsens Buch über den Deutschen Bundestag in Zeiten der Alternativlosigkeit

(S. Fischer Verlag)
Von zwei Ausnahmen abgesehen, bin ich bislang davon verschont geblieben, mit der Justiz in Kontakt zu geraten. (Für den Rest meiner Lebenszeit darf das übrigens gern dabei bleiben.) Vor über zwanzig Jahren war ich Beklagter in einem absurden Zivilverfahren, das aber günstig für mich ausging, weil die Klage abgewiesen wurde. Vor fünfzehn Jahren dann war ich aufgefordert, in einem Zivilprozess als Zeuge auszusagen. In beiden Fällen übrigens ging es um banale Streitwerte infolge von Fahrradunfällen. Im ersten Fall erinnere ich mich noch gut an meine Verblüffung über den banalen Alltag der Rechtspflege hierzulande. Über die tiefe Kluft zwischen medialer Außendarstellung - Rechtsstaat! Rechtsstaat! - und kümmerlicher Realität. War ich naiv damals? Aber sicher.

Montag, 10. März 2014

Öl ins Feuer


"In der Ukraine sieht das so aus: Die Bösen wollen das Land für ihren Staat, und die Guten wollen den Markt für ihre Wirtschaft und ihre Medien. Die Bösen drohen mit Soldaten, und die Guten locken mit Geld. Ihre Soldaten schicken die Guten lieber nach Afrika, weil das, wie Gerd Müller von der CSU im 'Morgenmagazin' sagt, schließlich ein 'Chancen- und Wachstumskontingent' ist. Da ist noch was zu holen, dafür bringen wir die Freiheit." (Georg Seeßlen)

Man darf davon ausgehen, dass nur wenige wirklich einen Krieg des Westens, also der NATO, wegen der Krim wollen. Zu denen, die es wirklich drauf ankommen lassen würden, gehören: Pro-westliche, von westlichen Marktradikalinskis und von superreichen Oligarchen geförderte Kräfte in der Ukraine, angeführt von Profiteuren wie der Gasmillionärin Julia Timoschenko und dem ehemaligen Preisboxer Vitali Klitschko. Die schrecken auch nicht davor zurück, sich notfalls zu Antisemiten und Faschisten ins Bett zu legen, gegen die Putins gelenkte Oligarchen-Geheimdienst-Demokratur sich ausnimmt wie ein Kindergeburtstag.

Freitag, 7. März 2014

Frau L. und ihr Leiden an der Gegenwart


In der Kunst und damit auch in der Literatur ist so ziemlich alles erlaubt. Wenn zum Beispiel ein Romanautor das Innenleben eines psychopathischen Massenmörders aus der Ich-Perspektive rekonstruieren will, dann ist das selbstverständlich legitim, weil unterschieden werden muss zwischen Erzähler- und Autoren-Ich. Dass diese Grenze längst nicht immer eindeutig zu ziehen ist, versteht sich von selbst, weshalb im Zweifel für den Angeklagten zu entscheiden ist. So war seinerzeit der Freispruch Jonathan Meeses, bei allen Bauchschmerzen, die man aus guten Gründen deswegen haben kann, im Sinne der Kunstfreiheit letztlich berechtigt, weil bei seinen Performances, die man mögen kann oder nicht, niemals wirklich klar ist, wer da gerade spricht.