Die Teams: Deutschland
ZonalMarking, Nestor der
Fußball-Blogger, hat sich festgelegt: Deutschland ist Top-Favorit
auf den Titel. Das schmeichelt zwar und der Mann versteht eine Menge
mehr vom Fußball als ich, aber trotzdem habe ich Bauchschmerzen.
Grund: Die mehr als wacklige Verteidigung. Zwar ist Phillip Lahm
immer noch ein herausragender linker Außenverteidiger, vielleicht
einer der besten der Welt, aber in der Innenverteidigung rappelt es
gewaltig. Der in der Bundesliga überragende Mats Hummels hat bislang
enttäuscht und der erfahrene Mertesacker hat in letzter Zeit außer
seiner Erfahrung nicht viel vorzuweisen gehabt. Überhaupt, die
Dortmunder. Dass Löw mit ihrem Einsatz vorsichtig ist und lieber auf
die Bayern setzt, ist verständlich, denn die BVB-Spieler haben
bisher im Nationaltrikot nicht das gezeigt, was ihre Leistung in der
Liga versprochen hat.
Vor diesem Hintergrund erwächst dem
defensiven Mittelfeld eine Schlüsselrolle: Als entscheidend wird
sich herausstellen, wie effektiv Khedira und Schweinsteiger die
wacklige Defensive in kritischen Situationen unterstützen können,
ohne dabei ihre offensiven Aufgaben zu vernachlässigen. Neben den
Außen werden sie die meiste Laufarbeit bekommen. Ein weiteres
Problem ist die Unausgewogenheit des Teams. Das offensive Mittelfeld
ist mit Özil (Götze), Podolski (Schürrle) und Müller (Reus) top
besetzt, aber davor wird die Luft dünn. Mario Gomez ist ein
klassischer Strafraumstürmer, der zwar Tore schießt, aber dafür
perfekt in Szene gesetzt werden muss. Weil er es meist nicht wird,
macht er so häufig eine unglückliche Figur vor dem Tor. Bleibt nur
Miroslav Klose. Der ist mit seinen fast 35 Lenzen immer noch eine
Bank, aber er wird nicht jünger. Apropos Bank: Was diesmal insgesamt
für die deutsche Mannschaft spricht, ist die exzellent besetzte
Ersatzbank. Bei den letzten Turnieren fehlte jeweils im Halbfinale
immer ein Schlüsselspieler. 2002 war Ballack gesperrt, 2006 Frings,
2008 wieder Ballack, 2010 war es Müller. So was lässt sich dieses
Mal vermutlich leichter kompensieren.
Portugal
Die goldene Generation um Rui Costa,
Joao Pinto und Luis Figo ist längst abgetreten und hat eine Lücke
hinterlassen. Wohl keine Mannschaft, außer der niederländischen
vielleicht, galt während der letzten zwanzig Jahre unter
Fußballkundigen so oft als absoluter Geheimfavorit wie Portugal. Und
kaum eine Mannschaft hat diese hohen Erwartungen so regelmäßig
enttäuscht. Immerhin kann man sich rühmen, mit Christiano Ronaldo
den nach Lionel Messi zweibesten Einzelspieler der Welt im Team zu
haben. Wohl und Wehe des portugiesischen Teams wird von seiner
Filigrantechnik und seinen Freistößen abhängen. Im Augenblick geht
es im europäischen Fußball wieder einmal um die uralte Frage,
welche grundsätzliche Teamausrichtung letztlich Erfolg bringt. Ist
es die, die eher auf die individuelle Klasse von Einzelspielern setzt
(Real Madrid, Bayern München) oder die des perfekt eingespielten
Kollektivs (FC Barcelona, in der Bundesliga Borussia Dortmund)? Die
Frage ist nicht entschieden, eines aber ist klar: Ein herausragender
Spieler allein reicht nicht. Nicht bei Real und nicht bei den Bayern.
Weil bei Portugal erst einmal
Christiano Ronaldo kommt und dann lange nichts, wird daher vieles
maßgeblich davon abhängen, ob und inwieweit es dem jeweiligen
Gegner gelingt, ihn am Spiel zu hindern. Bei der deutschen Mannschaft
wird das wahrscheinlich Lahm übernehmen. Dass er es kann, hat er mit
den Bayern gegen Real eindrucksvoll bewiesen. Ronaldo blieb bis auf
den Führungstreffer im Rückspiel wenig mehr, als bei Freistößen
seine Django-Nummer abzuziehen. Unbestritten ist die felsenfeste
Abwehr um Pepe, Alves und Veloso neben Ronaldo der Trumpf der portugiesischen
Mannschaft. Wenn diese Formation gut eingespielt ist und sich keine
groben Patzer leistet, dann geht vieles. Bei einem K.O.-Turnier kann
man bekanntlich sehr weit kommen, indem man einfach nur schwer zu
schlagen ist.
Erwischen sie einen guten Tag, zum
Beispiel gegen die Niederlande, dann haben sie Chancen, als
Gruppenzweite ins Viertelfinale zu kommen und Oranje in neuerliche
Depression zu stürzen. Dann aber dürfte spätestens Schluss sein,
denn ein Weltklassemann allein kann, wie gesagt, nicht alles
herausreißen.
Vorschau
Die deutsche Mannschaft wird zeigen
müssen, inwieweit sie sich seit 2010 entwickelt hat. Denn die
eindrucksvollen Siege gegen England (4:1, na ja, sagen wir 4:2) und
Argentinien (4:0), aber auch der gegen die Niederlande letztes Jahr,
waren purer Konterfußball. Mit einem frühen Tor aus einer
Standardsituation wurde der Gegner gezwungen, die Defensive zu
lockern, bei Ballverlusten wurden von Özil und Müller sofort
Höchstgeschwindigkeits-Konter gefahren, die die gegnerische Abwehr
meist völlig überrumpelten. Das allein wird diesmal nicht reichen,
denn es funktionierte nur dann, wenn der Gegner früh in Rückstand
geriet. Gelang das nicht, wie etwa 2010 gegen Ghana (1:0) und Spanien
(0:1), gab es große Probleme. Trotzdem: Hält die Abwehr, halbwegs, dürfte es
reichen.
Tipp: 3:1 Deutschland
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