Rückblick
Für den oberflächlichen Zuschauer war am Samstag der Fall klar: Ein müdes Gewürge mit glücklichem 1:0-Ausgang. Nur durch die Mitte, mehr Glück als Verstand, die deutschen Rumpelfußballer sind zurück. Laaangweilig! So kann das nicht weiter gehen, da durfte man mehr erwarten und so weiter. Wenn Löw hinterher meinte, es sei ein taktisch gutes Spiel gewesen, dann mit Recht. Der Mann ist, im Gegensatz zu einigen seiner Vorgänger, kein Dummschwätzer. Denn aus taktischer Sicht lieferte das Spiel mindestens drei wichtige Einsichten.
Erstens: Die Innenverteidigung, das Sorgenkind der letzten Monate, erwies sich über weite Strecken als sicher. Der Mann des Spiels war zweifellos Mats Hummels, der endlich die Klasse zeigte, die man aus der Liga von ihm gewohnt ist. Abgesehen von einem ärgerlichen Rückpass in der ersten Halbzeit hat Hummels alles abgeräumt was kam und stand immer richtig. Auch Boateng zeigte gegen Ronaldo eine sehr gute Leistung. Das ist umso beruhigender, wenn man bedenkt, wie sehr Lahm von der Rolle war, was in diesem Spiel allerdings auch der Tatsache geschuldet war, dass Lahm gegen Nani wenig Unterstützung von Podolski bekam.
Zweitens: Die Portugiesen spielten in der Defensive meist mit zwei tief stehenden Viererketten wie Chelsea gegen Barca. Solche Spiele sind selten attraktiv anzuschauen, aber dass sie so spielten, ist durchaus als Zeichen großen Respekts zu verstehen, denn es ist die Spielweise der Wahl, wenn man es mit einem Gegner zu tun hat, den man als klar überlegen einschätzt. Weil ich nicht mit dieser Strategie der Portugiesen gerechnet habe, lag ich mit meinem Tipp (3:0) auch so daneben. Eigentlich hatte ich erwartet, die Portugiesen würden deutlich offensiver auftreten.
Drittens: Podolski und Müller, die beiden Außen, konnten nur selten ihre ganze Klasse zeigen. Das war weniger ein Formproblem, sondern lag daran, dass die Portugiesen mit Nani und Ronaldo auf diesen Positionen exzellent besetzt sind. Daher mussten sie oft hinten aushelfen und hatten nicht den Raum, den sie normalerweise brauchen. Auch der manchmal unbeholfen wirkende Spielaufbau durch die Mitte diente dem Zweck, die portugiesischen Außen möglichst wenig ins Spiel kommen zu lassen. Das machte das Spiel dann für Özil und den leider blassen Schweinsteiger zusätzlich eng. Dass Löw Gomez aufstellte und nicht Klose, war, allen Unkenrufen zum Trotz, ebenfalls richtig. Der athletische Gomez hat wegen seiner Physis gegen so körperbetont spielende Innenverteidiger wie Pepe und Bruno Alves bessere Chancen als der quirlige Klose.
Die Niederländer sind am Samstag gegen Dänemark über ihr altes Problem gestolpert: Überlegen gespielt, zahllose Torchancen, leider keine davon verwandelt, sich dann von einem clever verteidigenden Gegner ein blödes Gegentor gefangen und am Ende verloren. So etwas ähnliches ist auch Borussia Dortmund in der Champions League passiert. Hut ab aber vor der Leistung der Dänen, die sich keineswegs als Fallobst, sondern wieder einmal als Favoritenschreck erwiesen und gezeigt haben, warum sie in ihrer Qualifikationsgruppe am Ende vor Portugal lagen.
Ausblick
Man muss kein Prophet sein, um es für wahrscheinlich zu halten, dass die Niederländer heute eher offensiv aufgestellt sein werden und sich damit der deutschen Mannschaft Chancen zum Kontern eröffnen. Inwieweit die Niederländer die Option haben, ein wenig vorsichtig zu Werke zu gehen und sich notfalls mit einem Unentschieden zufrieden zu geben, wird sich kurzfristig aus dem Spiel Dänemarks gegen Portugal ergeben. Interessant wird die Frage ob van Marwijk vielleicht sogar mit van Persie und Huntelaar zwei echte Spitzen aufstellt, um im oberen Spieldrittel Überzahlsituationen zu schaffen. Ein bloßes 4-2-3-1 mit einer Spitze wäre ein Spiegelbild der zu erwartenden deutschen Aufstellung. Dort ist eigentlich nur die Frage, ob wieder Gomez auflaufen wird oder Klose. Gomez hat am Samstag, wie gesagt, vor allem deshalb gespielt, weil er für die massiven, körperbetont agierenden portugiesischen Innenverteidiger die bessere Wahl war. Dass Löw Gomez erneut bringen wird, um angesichts der Kritik Mehmet Scholls das Gesicht nicht zu verlieren, ist ausgemachter Blödsinn.
Überdies scheinen die Niederländer mit einem weiteren altbekannten Problem zu kämpfen: Zoff innerhalb der Mannschaft, der sich schon am Samstag in Form von taktischen Nachlässigkeiten gezeigt hat. Es kommt immer wieder vor, dass Teile der Elftal und jede Menge ehemaliger Spieler sich während großer Turniere mindestens zu Co-Trainern berufen fühlen und gern auch Meutereien gegen den Trainer anzetteln. Wer meint, die deutsche Mannschaft sei einem hohen Erwartungsdruck ausgesetzt, kennt die Erwartungshaltung in den Niederlanden nicht: Ein bloßer 1:0-Arbeitssieg kann dort bereits Forderungen nach Absetzung des Trainers laut werden lassen, denn gewinnen allein reicht nicht, es muss auch schön und kunstvoll gewonnen werden. So sympathisch diese Forderung in ästhetischer Hinsicht sein mag, Turniere gewinnt man so nicht.
Tipp: 2 : 1 Deutschland
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