Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
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Mittwoch, 10. Oktober 2012
Fragen, en passant
Wenn man vom Kinderkriegen einmal absieht, braucht man in diesem Land für so ziemlich alles irgendeine Bescheinigung (mit Stempel!), die belegt, dass man auch qualifiziert ist. Wer per Kfz, Krad oder Brummi die Gegend unsicher machen will, braucht dazu, klar, einen Führerschein. Das eine oder andere wiwawichtige Staatsexamen muss vorweisen, wer beruflich als Doc, Pillendreher, Rechtsverdreher oder Kinderverdreher, a.k.a. Lehrer, sein Unwesen treiben will. Will man seine Mitmenschen durch das Führen eines potenziell bissigen Vierbeiners behelligen, dann müssen Herrchen und Brutus zuerst eine entsprechende Prüfung ablegen. Erst recht dürfen Träger von Knarren, Wummen, Ballermännern etc. nicht unexaminiert in die Weltgeschichte entlassen werden. Sogar wer eine leitende Position im Universum eines bekannten amerikanischen Bullettenbräters anstrebt, tut gut daran, an der einschlägigen Uni brav seine Scheine gemacht zu haben. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen, aber es sollte klar geworden sein, wovon die Rede ist.
Nun hat Bernd Riexinger, Co-Vorsitzender der Linken es gewagt, sich auf einer Demo an der Seite von Alexis Tsipras mit den von der Merkelschen Austeritätspolitik getroffenen griechischen Demonstranten solidarisch zu erklären. Das Signal: Liebe Griechen, Deutschland ist nicht Merkel! Wir sind eine Demokratie, daher streitet man sich auch bei uns über das, was in diesen Krisenzeiten zu tun ist und wir, die deutsche Linke, sind alles andere als einverstanden mit dem Kurs unserer Regierung. Es ist durchaus denkbar, dass das in Griechenland eher für ein differenziertes Deutschlandbild gesorgt hat als alle Kommuniqués der Kanzlerin. Zudem es keineswegs mehr ein Monopol wirrer linker Spinner ist, den Austeritätskurs der Bundesregierung problematisch zu finden.
Bei CDU und FDP sah man das anders, und so ventilierten Vertreter dieser Veranstaltungen durchaus kritische Töne ob der hochverräterischen Schandtat des hauptberuflichen ver.di-Funktionärs. So fand es CSU-Landesgruppenchefin Hasselfeldt "beispiellos und empörend, wie der Vorsitzende einer im Bundestag vertretenen Partei die antideutschen Proteste in Athen als Bühne nutzt, um Politik gegen die Interessen des eigenen Landes zu machen". Wo so geholzt wird, durfte natürlich auch Patty Döring nicht fehlen. Der quakte: "Herr Riexinger bricht bewusst mit außenpolitischen Gepflogenheiten und verschärft die Lage vor Ort [...]". Außerdem nähme er eine weitere Verzerrung des Deutschland-Bildes billigend in Kauf. Hm, ich weiß wirklich nicht, wie man das in Teilen der griechischen Gesellschaft und Presse herrschende Deutschlandbild noch weiter verzerren könnte, aber egal. Ein wenig dezenter immerhin drückte sich Martin Schulz (SPD) aus, der Präsi vom Europarlament. Der bezeichnete Riexingers Ausflug als "merkwürdige Art, den Griechen zu helfen". Nun ja, wer will schon über Geschmack streiten...
Zur Erinnerung, bürgerliche Wunschkoalition nebst Adepten: Es ist ja nachvollziehbar, dass ihr es irgendwie viel kuscheliger fändet, wenn die Nörgler und Meckerziegen von der Oppositionsbank in einer Tour brav auf die Knie fielen ob eurer weisen Ratschlüsse, anstatt immer nur rumzumoppern. Nur gehört es durchaus zu den erlaubten, in einer Demokratie sogar üblichen Tätigkeiten einer Opposition, die Politik einer Regierung grundfalsch zu finden und sich entsprechend zu positionieren. Ja, auch im Ausland. Oder wie war das damals, 2003, bei diesem Besuch einer gewissen Frau Merkel bei einem gewissen Herrn Bush, wo sie ihm steckte, wie voll doof sie den feigen Pazifisten Schröder doch fände? Sich auf Kosten eines politischen Gegners zu profilieren, ist ein altbewährtes Mittel der politischen Auseinandersetzung. Wäre das verboten, dann wäre zum Beispiel ein gewisser Mitt Romney jetzt nicht etwa ein ernst zu nehmender Anwärter auf das Amt des US-Präsidenten, sondern lediglich ein stinkreicher Provinzpolitiker, den keine Sau kennen würde. Und die FDP würde schon längst nicht mehr existieren.
Was das mit dem ersten Absatz zu tun hat? Nun, manchmal, so ganz manchmal, zum Beispiel, immer dann, wenn ich solche durchsichtigen, routinierten, ideologisch aufgebrezelten Sprechblasen wie die von Hasselfeldt, Döring et al. lese, dann beschleicht mich, so ganz klammheimlich, die Frage, welchen Nachweis worüber man eigentlich bei bestimmten Parteien beibringen muss, wenn man in deren höheren Chargen als Lautsprecher mitmischen will. Die möglichen Antworten, die ich mir in meiner grenzenlosen Naivität zurecht gelegt habe, sind übrigens nicht unbedingt schmeichelhaft ausgefallen. Daher ist es wohl besser, sie hier nicht zu veröffentlichen.
8 Kommentare:
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Sehr, sehr geiler und treffender Text, den ich selbst gerne geschrieben hätte, aber nicht die Muße und das Talent dazu hatte.
AntwortenLöschenVolle Zustimmung!
Besten Dank! *verbeug*
AntwortenLöschenKlasse, perfekt! Dieses Deutschland ist so irre, so krude, so verrückt ... Immer wenn man denkt, mehr geht nicht, kommt doch einer daher und man wird eines Besseren belehrt ...
AntwortenLöschenEinheit ... Einheit ... Einheit ... seit der Einheit wieder ... ein geeinigtes Reich ... ein einig Vaterland ... eine einheitlich Präsenz ... eine Meinung ... eine Politik. Das Glück liegt in der Konformität der Gruppe, der Gesellschaft, präsentiert durch den/das/die Eine(n) ... Deutschland sei Dein Individuum, sei Dein Selbst, sei Deine Meinung (wozu auch eine eigene ... und die auch noch politisch ... und im Ausland, pfui abba auch, Schande, Schande ...).
Ja, ja, den Slogan kennen wir schon ... mindestens seit die Römer mal da waren ... und erst die Preußenzeit, heilig Vaterland ... und später erst . Gott, waren das herrliche Zeiten für eine ungespaltene Meinung ... Wieso wollen wir nur immer wieder dahin zurück ... ist das schon pathologisch?
Gruss
Rosi
PS: "Die möglichen Antworten, die ich mir in meiner grenzenlosen Naivität zurecht gelegt habe, sind übrigens nicht unbedingt schmeichelhaft ausgefallen. Daher ist es wohl besser, sie hier nicht zu veröffentlichen"
Darf ich? Ich mach es auch kurz:
Die Farbe "braun" hat tangiert zu werden. Nein, nein, muss durchaus nichts mit der Kleidung zu tun haben ... denn es ist wurscht, ob über eine bestimmte Körperhaltung, erhöhter eigener Produktion oder durch Nähe Fremdbefleckung vorliegt ... wie auch immer ... hin und wieder kann man das natürlich auch alles kombinieren ... kein Problem. So in etwa?
Nu ja, fast. Ich meinte das eigentlich eher weniger politisch, Rosi. Ich sag's mal so: Vor Jahren meinte einmal ein Arbeitskollege in einer inzwischen längst nicht mehr existierenden Firma zu mir: "Voraussetzung um hier zu arbeiten, ist übrigens ein IQ nicht über 70 - damit der Chef jederzeit mitreden kann und immer alles versteht."
LöschenNaja ... so kann man es auch sehen bzw. ausdrücken ... Doch rein wissenschaftlich betrachtet ist das nicht wirklich haltbar *grins*.
LöschenExakt ab der Grenze 70 ... und das verteilte sich auf der Kurve ... blablaba bla *grins*
Also meiner einer hält sie weniger für "Menschen mit mentaler Beeinträchtigung", sondern eher für sehr gefährliche Menschen, deren destruktives Phantasie-Potential schier unerschöpflich scheint ...
Lieben Gruß
Rosi
Hab noch einen für Euch:
AntwortenLöschenhttp://www.griechenland-blog.gr/2012/troika-verlangt-evakuierung-duennbesiedelter-inseln-in-griechenland/9939/
Da kommt man mit dem Spruch: "Sie spinnen doch, die xy (beliebig austauschbar)"
einfach nicht mehr aus .... Dieses Europa entwickelt sich zum Irrenhaus ... und die Verrückten laufen nicht nur alle frei herum, sonder sitzen auch noch am Ruder ...
Gruss
Rosi
@ Rosi
AntwortenLöschen" Das Glück liegt in der Konformität der Gruppe"
Da ist was dran , zumindest bei einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung.
Journalisten verwenden gerne auch mal den Satz:
"Da gibt es keine zwei Meinungen..."
@Art
LöschenJupp, letztere Aussage eigentlich ein Paradoxon ... was solls Journalisten-Speech ...
Trotzdem, das betrifft - historisch gewachsen und somit gesellschaftsbedingt - einen Großteil der Bevölkerung.
Man kann es auch anders formulieren: "Man verhindert, bis zum heutigen Tage, erwachsene Individuen und unter den gegebenen Bedingungen entwickeln sich auch nur sehr wenige Ausnahmen soweit".
Wieder anders formuliert: "die Masse marschiert halt immer mit der Masse". Irgendwie hält sich Menschheit wohl immer noch für einen Fischschwarm .... watt weiß ich ... ;)
Lieben Gruss
Rosi