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Montag, 28. Januar 2013
Run for cover!
Irgendwann in den Siebzigern riss Otto Waalkes folgenden Witz: Ein Mann, trifft zufällig einen alten Bekannten wieder und man kommt ins Erzählen. Auf einmal sagt der Mann: "Übrigens, ich habe jetzt ein Stinktier als Haustier." "Igitt!", meint der Freund, "Wo hältst du das denn?" "Na, im Schlafzimmer natürlich.", entgegnet der Mann. "Und der Gestank?" - "Ach, daran wird das Tier sich schon gewöhnen." Was haben wir gelacht! Als ich letztes Jahr in irgendeiner Sendung sah, wie ein Mann tatsächlich Stinktiere in seiner Wohnung hielt, wurde mir schlagartig klar, dass ich langsam alt werde. Anderes Beispiel: Die Nonsens-Metal-Band JBO brachte vor knapp fünfzehn Jahren das Album 'Meister der Musik' heraus. Darauf befindet sich neben Eigenkompositionen und Coverversionen auch eine mehrteilige Werbeparodie auf einen Sampler, auf dem Schlager- und Dancefloor-Fuzzis Hardrock- und Metal-Klassiker zum Besten geben ("Blümchen singt Black Sabbath!", "Richard Clayderman spielt Metallica!", "Ernst Mosch und seine Egerländer spielen Venom!" usw.).
Jetzt wurde auch dieser Gag von der Realität eingeholt, denn Heinz-Georg Kramm, besser bekannt als Heino, notorischer Volxbarde und Chefsonnenbrillenträger der Nation, schnallt sich eine Stromgitarre um, schiebt sich einen Totenkopfring auf den Finger und bringt ein Album heraus, auf dem er Stücke von Musikern wie Rammstein, Die Ärzte, Peter Fox, Fanta 4 und anderen intoniert. Vor zehn Jahren hätte ich diese Nachricht für einen weiteren Scherz der Erlanger Spaßvögel gehalten. 'Mit freundlichen Grüßen – Das verbotene Album', so heißt das Werk und das Föjetong ist mehrheitlich begeistert. Juhu! Heino zeigt diesen Jungspunden mal so richtig, wo der Bartel den Most holt!, jubelt es. Womit der durchschnittliche deutsche Qualitätsjournalist wieder einmal sehr schön demonstriert, wie leicht er zu blenden ist, beziehungsweise, wie bereitwillig er hymnische PR-Textbausteine kopiert, wenn das Hirn gerade mal wieder so leer ist wie die Computermattscheibe vor ihm.
Für Generationen deutscher Jugendlicher war Heino der musikalische Gottseibeiuns und auch sonst ein Lieblingsfeind. Er bot reichlich Angriffsfläche für Hohn und Spott, denn in ihm schien alles verkörpert, was an volkstümelnder Musik deutscher Provenienz hassenswert ist: rückwärtsgewandter Biedersinn, Landserromantik, verkrampfte Anzüglichkeit und potenziell reaktionäres Gedankengut. Eltern mit Heino-Platten im Schrank hatten nicht selten die gesammelten Werke von Heinz G. Konsalik daneben stehen und Tränen der Rührung in den Augen, wenn der sauerkrautblonde Brummbariton sich tapfer dem linken Zeitgeist entgegenstellte, indem er alle drei Strophen des Deutschlandlieds anstimmte. In your face, Commie! Und er gab seinen zahlreichen Feinden, die ihm Humorlosigkeit unterstellten, reichlich Zucker: Als 1985 Norbert Hähnel, ehemaliger Roadie der Toten Hosen, unter dem Pseudonym 'Der Wahre Heino' mit einer verrockten Coverversion von 'Blau, blau, blau blüht der Enzian' auftrat, verklagte der echte Heino den wahren auf Schadenersatz.
Dass diese Ikone vaterländisch gesinnter Vorgartenondulierer nun mehr oder weniger aktuelles deutsches Popmusikschaffen interpretiert, sieht nur auf den ersten Blick aus wie eine Art Versöhnung. In Wahrheit steckt reiner Geschäftssinn dahinter, denn inhaltlich braucht Herr Kramm sich kein Stück zu bewegen. Dafür sorgen schon die Songs, die er ausgewählt hat. Meistens sind es nette, aber in jeder Hinsicht unverfängliche Banalitäten: 'Sonne' von Rammstein, 'M.f.G.' von den Fantastischen Vier, 'Leuchtturm' von Nena und so weiter. Entsprechend arrangiert, werfen diese Mucken auch dem hartgesottensten Volksmusik- und Schlagerfan nicht aus der Bahn, weder musikalisch noch im Hinblick auf den Text. Verboten, wie im Untertitel des Albums kokettiert wird, ist da jedenfalls gar nichts dran.
Wie schnell rebellische Attitüde mitunter vom Establishment eingesogen werden kann, musste schon Bruce Springsteen erfahren: Dessen zorniger, bitterer und alles andere als patriotische Song 'Born In The U.S.A.' wurde wegen seines mitreißenden Refrains von den US-Republikanern 1985 kurzerhand zu einer Mitklatsch- und Mitgrölhymne für Ronald Reagans Wahlkampf umfunktioniert. Heino lässt seinen deutschsprachigen Kollegen auf ähnliche Weise die Luft heraus.
'Junge' von den Ärzten zum Beispiel ist die Karikatur einer väterlichen Moralpredigt an den Sohn, der gefälligst etwas aus seinem Leben machen soll, anstatt immer nur herumzuhängen, schäbige Kleidung zu tragen, Drogen zu nehmen und sich mit schlimmen Menschen zu umgeben. Viele Jugendliche konnten ihren Frust über herummoralisierende Eltern in dieser ironisch nachgeäfften Tirade wiederfinden. Trägt man diesen Song aber völlig unironisch vor, so wie es Heino tut, dann braucht es nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie ein packevoller Musikantenstadl begeistert mitschunkelt, weil der Text allen so aus dem Herzen spricht.
Gruselige Vorstellung.
6 Kommentare:
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Ist dieses Umfunktionieren geniale Strategie oder exorbitante Dummheit?
AntwortenLöschenDas wüsste ich auch gern - es ist mehr ein Gefühl, aber im Falle der Produzenten dieses Albums würde ich aber klar sagen: Strategie.
Löschen»sauerkrautblond« - danke für diese ergreifende Wortschöpfung :)
AntwortenLöschenTatsächlich ist es ein Verdruss, wie die Vuvuzela-Journaille jeden läppischen Schmarrn wie etwa diese alberne Heino-Nummer reflexartig zu einem ohrenbetäubenden Getöse im Medienwald aufbläst. Ohne die unvermeidliche konzertierte Copy&paste-Kakophonie fände dieses abgeschmackte Wiedergänger-Recycling in der öffentlichen Wahrnehmung kaum mehr Echo als ein Schas im Kukuruz.
Gerne doch! Ich muss sagen, dass ich auch kurz mit 'pilsblond' geliebäugelt habe...
LöschenIch finde, er hätte eigentlich auch was von den Toten Hosen singen müssen, der Herr Kramm. Am Besten im Duett mit seinem alten Spezi Norbert Hähnel.
AntwortenLöschen"Frisch rasiert und gekämmt..."
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